Krefelder in Zeiten der Pandemie Corona-Zeit aus Sicht von Vater und Tochter

Krefeld · Langsam kehren die Krefelder zurück in den Alltag. Doch noch immer gehen die meisten Kinder nur sehr unregelmäßig oder gar nicht zur Schule. Eltern müssen den Spagat zwischen Arbeit und Kinderbetreuung stemmen, die Schüler sind häufig auf sich allein gestellt und vertreiben sich die freie Zeit mit Smartphone oder Spielekonsole. Wir haben einen Vater und seine Tochter gefragt, wie sie die Zeit empfunden haben. Protokolliert von Bärbel Kleinelsen

 Tochter Maja ist 11 Jahre und besucht eine Realschule.

Tochter Maja ist 11 Jahre und besucht eine Realschule.

Foto: Jens N.

Maja, 11 Jahre alt

  Vater Jens ist 42 Jahre alt und arbeitet als Gärtner.

Vater Jens ist 42 Jahre alt und arbeitet als Gärtner.

Foto: Jens N.

„Ich gehe in die sechste Klasse der Freiherr-vom-Stein-Realschule. Als ich gehört habe, dass wir Corona-Ferien bekommen, habe ich mich sehr gefreut. Das war schon toll. Sorgen habe ich mir keine gemacht. Ich hatte eigentlich nie Angst, dass ich krank werde oder so. Auch mit meinen Freundinnen habe ich mich wenig darüber unterhalten. Da ich sie ja jetzt nicht sehe, sprechen wir uns jeden Tag stundenlang über WhatsApp. So kommt es mir gar nicht so vor, als hätte ich keinen Kontakt. Ich weiß trotzdem, was gerade läuft und worüber sich alle unterhalten.

Richtig blöd ist aber, dass meine Reitstunden kurz darauf auch ausgefallen sind. Ich war noch einmal im Stall, als ich nicht mehr zur Schule gehen musste, dann war Schluss. Nur noch die Leute, die ein eigenes Pferd haben, durften zu den Tieren. Mir fehlten die Pferde sehr, und ich habe mich unheimlich gefreut, dass der Reitunterricht nun wieder startet. Endlich!

Zu Hause bin ich viel allein, weil meine Eltern beide arbeiten müssen. Sie gehen schon früh morgens aus dem Haus, wenn ich noch schlafe. Meistens schlafe ich jetzt deutlich länger als sonst. Es geht ja auch kein Wecker. Meine Eltern bereiten mir Frühstück und Mittagessen vor, so dass ich mir alles nur warm machen muss oder so. Ich kann fernsehen oder mit den Freundinnen chatten. Ich habe auch einen Youtube-Kanal, auf dem ich meine selbst gestalteten Comic-Figuren zeige. Das macht mir sehr viel Spaß und ich verbringe viel Zeit damit, mir auszudenken, wie sie aussehen sollen.

Dann habe ich auch noch eine ganze Menge Hausaufgaben auf, die ich erledigen muss, damit mein Vater sie abends kontrollieren kann. Das  klappt manchmal gut, an einigen Tagen habe ich aber auch nicht so viel Lust darauf. Dann gibt es Ärger mit Papa. Es sind auch richtig viele Fächer, in denen ich was machen muss: Deutsch, Mathe, Englisch, Französisch, Kunst, Textil, Musik, Physik, Bio und Förder-Deutsch. Zuerst habe ich Aufgaben verschiedener Fächer an einem Tag gemacht, inzwischen mache ich immer die Wochenaufgabe eines Faches an einem Tag. Auch in den Osterferien musste ich noch den Rest von meinen Aufgaben machen, da es so viele waren.

Wir hatten in den letzten Wochen fast gar keinen Kontakt zu anderen. Meine Großeltern wohnen im Harz. Das ist weit weg, und wir sehen sie nicht so oft. Auch sonst durften sich díe meisten Kindern nicht verabreden. Da ich kaum in die Stadt gehe, ist mir nicht so aufgefallen, dass auch viele Geschäfte geschlossen waren. Meine Eltern mussten auch so viel arbeiten, dass kaum Zeit blieb, abends oder am Wochenende noch viel zu machen. Aber ich habe einen Hund, der immer bei mir ist und genauso gerne auf der Couch liegt wie ich.

Wenn die Schule wieder beginnt, freue ich mich. Es ist doch ziemlich langweilig, nur zu Hause zu sein und die anderen nicht zu sehen. Was sich am Anfang so toll angehört hat, war es nach einiger Zeit nicht mehr. Nach den Osterferien wäre ich schon wieder gerne zur Schule gegangen, um endlich wieder richtig Kontakt zu haben. Meine Freundinnen fehlen mir. Gut, dass ich sie alle bald wiedersehe.“

Jens, 42 Jahre alt

„Für mich liegen sehr anstrengende Wochen hinter mir. Ich arbeite als Gärtner in einem großen Betrieb, der Pflanzen für den Verkauf produziert. Wir haben derzeit Hochsaison, deswegen muss ich deutlich mehr arbeiten als sonst, zumal die Saisonarbeiter, die sonst helfen, wegen Covid-19 nicht einreisen durften und wir dadurch alle mehr zu tun hatten. Als die Geschäfte schlossen, haben viele unserer Kunden ihre Aufträge storniert. Dabei durften ja Baumärkte und Einzelhandel weiter öffnen. Trotzdem war es eine Zeit der Unsicherheit. Keiner wusste, was kommen würde und wie lange die Krise andauert. Da haben viele ihre Aufträge sicherheitshalber einfach zurückgenommen. Wir hatten dann im Betrieb auf einmal viel mehr Jungpflanzen als sonst, die den Balkon- und Beetpflanzen, die wir ziehen, wenn die Jungpflanzen abverkauft sind, den Platz weggenommen haben. So mussten wir sogar Pflanzen wegschmeißen, was natürlich gar nicht zufriedenstellend ist.

Während ich also mehr gearbeitet habe, hatte Maja auf einmal den ganzen Tag frei. Das war schon ein sehr komisches Gefühl. Zumal meine Frau, die in einer Arztpraxis beschäftigt ist, auch bis nachmittags arbeitet. Eine Betreuung für Maja haben wir nicht. Sie ist ja auch schon elf und relativ vernünftig. Trotzdem ist man in Gedanken immer irgendwie zu Hause und überlegt, ob auch alles klappt. Mehrmals am Tag rufe ich deswegen an und frage nach, was meine Tochter manchmal nervt. Sie sagt auch, dass ich gereizter bin als sonst und schneller mit ihr meckere. Das kann schon sein. Schließlich arbeite ich nicht nur lang, sondern gehe danach genauso wie meine Frau auch entweder einkaufen oder koche Essen vor, kontrolliere Hausaufgaben oder räume die Wohnung auf.

Ein Punkt, an dem wir uns immer streiten, ist Ordnunghalten. Ich finde, Maja könnte auch ein bisschen mehr mithelfen und nicht immer alles liegen lassen, aber das sieht sie leider anders. Sauer werde ich auch, wenn sie abends ihre Hausaufgaben nicht erledigt hat, sondern erst damit anfängt, wenn wir nach Hause kommen. Das muss doch nicht sein, schließlich wird mein Arbeitstag dadurch noch länger als er sowieso schon ist. Einer von uns Erwachsenen muss ja auch die ganzen Sachen ausdrucken, die die Lehrer schicken. Der Mathe-Lehrer hat letztens glatt ein ganzes Arbeitsheft mit 189 Seiten, inklusive Lösungen, geschickt. Das hat allein eine halbe Stunde gedauert, es auszudrucken. So was muss doch nicht sein! Mit den Aufgaben ist Maja wahrscheinlich noch in den Sommerferien beschäftigt.

Ich hatte in den letzten Wochen irgendwie immer ein schlechtes Gewissen, weil ich das Gefühl habe, nicht alles zu schaffen und mich nicht so gut um Maja zu kümmern, wie ich es eigentlich machen sollte. Aber ändern konnte ich die Situation ja auch nicht. So langsam merke ich aber, dass es wieder ruhiger wird, auf der Arbeit, aber auch Zuhause. Maja kann wieder reiten, was ihr sehr wichtig ist, und wird bald wieder zur Schule gehen. Ich bin froh, wenn sie nicht mehr so viel Zeit am Handy verbringt. Allerdings war es in dieser Zeit auch eine wirklich gute Möglichkeit, Kontakt zu halten. Und Maja macht kreative Sachen, denkt sich Figuren aus und gestaltet sie. Sie bastelt auch gerne. Das war in dieser Situation viel wert. Ich möchte nicht wissen, wie viele Kinder den ganzen Tag nur vor der Playstation gesessen und Ballerspiele gemacht haben.“

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