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Corona-Impfausweis reichte nicht Standesbeamtin wirft Braut-Oma raus

Krefeld · Margarete Bernstein ist von Tübingen nach Krefeld gereist, um bei der Trauung ihrer Enkelin dabei zu sein. Doch es kam ganz anders. Die Standesbeamtin verwies die 87-Jährige des Raumes. Ansonsten werde sie die Trauung abbrechen. Grund: Der Corona-Impfausweis reichte der Beamtin nicht.

 Das Rathaus Bockum hat den Charme des frühen 20. Jahrhunderts.

Das Rathaus Bockum hat den Charme des frühen 20. Jahrhunderts.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

An die Hochzeit ihrer Tochter denkt Ute Bernstein mit gemischten Gefühlen. Die Enttäuschung und der Ärger brodeln noch in ihr, weil die Zeremonie für sie gründlich verdorben wurde. Grund ist das Verhalten einer Standesbeamtin. Ihrem Ärger hat Ute Bernstein auch in einem Beschwerdebrief an Oberbürgermeister Frank Meyer  Luft gemacht.

Das war passiert: In der vergangenen Woche hat Ute Bernsteins Tochter im Standesamt Bockum geheiratet - wegen der Corona-Auflagen im kleinen Kreis. Nur sieben Feiernde durften mit ins Trauzimmer. 40 weitere Gäste warteten vor dem Eingang, um das frisch getraute Paar mit Rosenblättern und Ballons zu empfangen. Doch bevor die Zeremonie begann, gab es ordentlich Aufregung. Brautpaar und Gäste mussten Personalausweise und Impfnachweise vorlegen. „Meine Tochter wusste das, hat aber im Trubel der Hochzeitsvorbereitungen vergessen, uns zu informieren. Wir hatten alle keinen Ausweis dabei, wohl aber die Impfbestätigungen“, erzählt Ute Bernstein. Also mussten die Trauzeugen los, um die Papiere in der Wohnung der Braut zu holen. Dort waren auch die Ausweise der Eltern des Brautpaares.

Ute (l.) und Margarete Bernstein: „Die Familienähnlichkeit muss man doch erkennen“, sagt die Tochter.

Ute (l.) und Margarete Bernstein: „Die Familienähnlichkeit muss man doch erkennen“, sagt die Tochter.

Foto: U.B.

Es gab ein Problem: Margarete Bernstein, die Oma der Braut, die eigens aus Tübingen angereist war, hatte ihren Personalausweis nicht in erreichbarer Nähe. „Es hätte eine Stunde gedauert, den zu holen“, sagt Ute Bernstein. „Aber wir anderen haben ja unseren Willen gezeigt und gehandelt.“

Trotzdem hat die Standesbeamtin darauf bestanden, dass die 87-Jährige den Raum verlässt. „Sonst breche sie die Trauung ab“, berichtet Ute Bernstein unserer Redaktion. „Das ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar. Überall in Deutschland reicht der Impfnachweis, den wir ja auch alle hatten. Und wir wollten auch eine eidesstattliche Versicherung abgeben, dass meine Mutter die ist, die in ihrem Impfausweis steht.“

Die Beamtin blieb hart. Mit Recht, sagt die Verwaltung: „Nach der aktuellen Coronaschutzverordnung NRW ist ein Zutritt zu Veranstaltungen in öffentlichen Räumen nur mit Nachweis der Immunisierung oder Testung und einem amtlichen Ausweispapier möglich. Dieses Procedere ist auf der Internetseite der Stadt Krefeld ausführlich beschrieben und wird auch den Brautleuten vorab genau erklärt. Die rechtlichen Vorgaben sind insbesondere für Behörden ein „Muss“ und strengstens einzuhalten“, erklärt eine Sprecherin der Stadt auf Anfrage unserer Redaktion.

Die Hochzeitsgesellschaft konnte das Pochen auf die Vorschrift nicht nachvollziehen. „Da hätte man auch menschlich reagieren können. Ich meine: Es war eine Hochzeit. Abgesehen davon, dass meine Mutter und ich uns wirklich ähnlich sehen - welches Interesse hätten wir, jemand Fremdes einzuschleusen, wenn nur sieben Gäste zugelassen sind? Das waren die Eltern des Brautpaares, die beiden Trauzeugen und auf den sehnlichen Wunsch meiner Tochter eben ihre Großmutter.“

Die 87-Jährige musste den Raum verlassen. „Sie durfte nicht einmal aus dem Nebenraum durch die geöffnete Flügeltür zuschauen. Ich habe innerlich gekocht, als die Standesbeamtin später von Liebe, Harmonie und einem unvergesslichen Tag sprach“, sagt die Brautmutter.

Doch für die Stadt gelten die Vorgaben: „Diese Verpflichtung müssen wir hier sehr eng auslegen, zumal die Standesbeamten meist mehrere Eheschließungen am Tag vollziehen, wo verschiedene Personenkreise mit ihnen in einem geschlossenen Raum (Trausaal) zusammen kommen“, so die Stadtsprecherin.

„Regeln sind wichtig, gerade in dieser Zeit. Aber neben der persönlichen Betroffenheit macht mir solches Verhalten auch Angst. Sich nur an Regeln zu halten und dabei Augenmaß und Menschlichkeit zu vernachlässigen, das ist doch idiotisch. Außerdem spielen solche Unverhältnismäßigkeiten auch den Querdenkern in die Hände, die überall Willkür wittern. Dagegen müssen wir uns wehren“, findet Ute Bernstein.

Um den schönsten Tag im Leben ihrer Tochter nicht weiter zu verderben, habe sie schließlich geschwiegen. Aber der Zorn ist noch nicht verraucht. Deshalb hat Ute Bernstein auch eine Beschwerde an Oberbürgermeister Frank Meyer geschrieben und ihre Erlebnisse dargelegt. Sie betont, wie wichtig es gewesen wäre, dass die Oma der Braut dabei sei, die „in ihrem hohen Alter extra von weit her angereist war“ und zu dem „winzig-erlesenen Kreis gehörte, der der Trauung beiwohnen durfte“.

Ute Bernstein schreibt an den OB: „Selbst in dem abgetrennten Raum, der durch eine offene Flügeltür mit dem eigentlichen Trauzimmer verbunden war, durfte sie nicht sitzen bleiben. Ihre Standesbeamtin bestand rigoros darauf, dass die alte Dame sich auch aus diesem Raum zu entfernen hätte, ansonsten würde sie die Zeremonie sofort abbrechen. Das Ganze abbrechen? Sie wusste, dass das undenkbar war. Welch eine Anmaßung!“ Sie fragt den OB: „Wollen Sie, dass sich Ihre Mitarbeiter so verhalten? Wollen Sie wirklich solche Beamte, die von unbeugsam gehorsamer deutscher Beamtentreue sind? Die auf unmenschliche Weise Vorschriften radikal umsetzen? Geben Sie Ihnen keinen Spielraum, auch  als Menschen zu handeln, in solch empfindsamen Situationen?“ Schließlich habe lediglich ein einziger Personalausweis gefehlt. Jetzt wartet sie auf Antwort. Und auf eine Entschuldigung.

(ped)
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