Analyse Der Streit um den Regionalplan Wie Krefeld Zukunftschancen verspielt

Krefeld · Zugespitzt gesagt: Krefeld möchte lieber eine sterbende und arme Stadt bleiben, statt junge bürgerliche Neubürger zu gewinnen. Die Debatte um den Regionalplan ist verheerend einseitig.

 Jens Voss

Jens Voss

Foto: Grafik

Das Stichwort Klimawandel gerät mehr und mehr zum Knüppel aus dem Sack gegen jede rationale Abwägungen über Entwicklungsmöglichkeiten für Krefeld. In Krefeld zeichnet sich eine Total-Blockade gegen Bemühungen der Bezirksregierung ab, mehr Wohnraum in der Region zu schaffen. Es gibt demnach einen massiven Zuzug junger, bürgerlicher, gut ausgebildeter Menschen in die Region. Damit hat eine Stadt wie Krefeld, die von zehn Prozent Arbeitslosigkeit geschlagen ist und eine breite Unterschicht beherbergt, die Chance, gut situierte Neubürger zu gewinnen, damit die Sozialstruktur der Stadt zu verbessern, Investitionen zu generieren und das Image als Wohnstadt zu verbessern. Bislang werden diese Chancen nicht mal diskutiert. Das ist auch zutiefst unsozial. Der Reihe nach.

Die Ausgangslage

Der Bedarf an Wohnraum im Regierungsbezirk Düsseldorf, der sich von Emmerich bis Langenfeld erstreckt, hat stark zugenommen. Gebraucht werden laut Bezirksregierung in den kommenden 22 Jahren 160.000 neue Wohneinheiten; 2012 sind die Experten noch von einem Bedarf von 110.000 Wohnheinheiten ausgegangen. Düsseldorf quillt über, vor allem im Bereich Krefeld, Mönchengladbach und Neuss werden Chancen gesehen, den Zuzug an Arbeitnehmern unterzubringen. Dringend gebraucht werden bezahlbare Ein- bis Zwei-Zimmer-Wohnungen (besonders: für Rentner) sowie Wohnungen und Häuser für Familien. Gerade Rentner können sich in der Region geeignete Wohnungen kaum noch leisten.

Krefeld

Für Krefeld sind sechs Areale in der Diskussion, zwei davon gelten wegen der günstigen Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr als besonders geeignet für Wohnbebauung mit regionaler Perspektiven. Die Gegenargumente: Krefeld habe bereits 4700 Wohneinheiten in der Planung; man müsse Bauverdichtung und Sanierung in der Innenstadt vorantreiben und Naturflächen schonen. Oberbürgermeister Frank Meyer (SPD) hat für die Verwaltung angekündigt: Keine neuen Siedlungsflächen in Krefeld.

Die wirtschaftliche Realität

Die Politik kann sich hundertmal wünschen, dass in der City mehr saniert oder gebaut wird – über Investitionen entscheidet nicht die Politk, sondern der Markt. Tatsache ist: In Krefelds Innenstadt wird nur wenig investiert. Der Grund liegt schlicht darin, dass man mit Wohnraum in der City zu wenig Geld verdient. So lange die Innenstadt den Ruf hat, hässlich zu sein, wird sich daran auch nichts ändern. Der Immobilienbesitzer-Verband Haus & Grund plädiert deshalb dafür, massiv in die Aufwertung der Innenstadt zu investieren und endlich die Empfehlungen des Junker+Kruse-Gutachtens umzusetzen: In der City die Bebauungspläne zu überarbeiten, Wohnen auch im Erdgeschoss zuzulassen und den Handel auf die heute funktionierenden Kerngebiete zu konzentrieren. Haus&Grund-Geschäftsführer Heß ist dabei durchaus skeptisch gegenüber neuen Baugebieten an der Peripherie – aus der Sorge heraus, dass die Innenstadt vernachlässigt wird. Nur: Krefeld ist drauf und dran, beides zu verpassen: die Wende in der Innenstadt und die Gewinnung von Neubürgern. Ob Leute, die in Düsseldorf arbeiten, nach Krefeld ziehen, hängt nun mal wesentlich vom Angebot ab. Und ein modernes, ansprechendes Baugebiet wie Fischeln-Südwest ist für junge Familien auf absehbare Zeit interessanter als eine Altbauwohnung auf dem Westwall.

Der Markt entscheidet – darauf weist auch die Bezirskregierung in ihrem Papier über das Programm „Mehr Wohnland am Rhein“ hin: Neue Siedlungsareale eröffnen demnach den Städten die Chance, auf qualitative Wohnungsnachfragen zu reagieren und auf Lebenstilmodelle einzugehen. Heißt: Wenn Wohnungen und Häuser an der Peripherie und nicht in der City nachgefragt werden, hätte man die die Chance, diese Nachfrage auch zu befriedigen. Krefeld will aber nicht mal die beiden Areale mit regionaler Ausstrahlung ins Auge fassen: Opppum-Süd und am Obergplatz.

Die Grünen

Haben mit allen Tricks, auch mit Unwahrheiten, gekämpft und gewonnen. Tricks: Die Grünen haben von drei Gebieten in Hüls gesprochen, also nur noch eins in der Prüfung war; der grüne Ratsherr Thorsten Hansen behauptet via Facebook, der Regionalrat habe „mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Grünen neue Wohngebiete in Krefeld im Regionalplan beschlossen: 71 Hektar sollen zusätzlich bebaut werden.“ Das ist falsch. Beschlossen wurde, diese Flächen zu prüfen. Mehr nicht. Zudem bedeutet die Ausweisung von möglichen Siedlungsflächen keineswegs, dass sie auch entwickelt werden. Es geht erst einmal um Potenziale. Und die Grünen weisen penetrant darauf hin, dass der Wohnungsbedarf in Krefeld perspektivisch sinkt. Ja, das tut er, auch nach den Zahlen der Bezirksregierung. Was die Grünen verschweigen: Das ist das eine schlechte Nachricht für Krefeld, weil sich alle Probleme der Stadt damit verschärfen. Der prozentuale Anteil sozial Schwacher steigt, alle Gebühren werden steigen, die Schlüsselzuweisungen sinken.

Die SPD

Hat verloren. Der neue Kurs von Frank Meyer, als Verwaltung gar keine neuen Siedlungsareale auszuweisen, wird als Schwenk auf die Grünen-Spur wahrgenommen (so propagieren es auch fleißig die Grünen). Zugleich haben die Sozialdemokraten sich bei eigenen Herzensthemen den Schneid abkaufen lassen. Soziale Aspekte wie der Kampf gegen steigende Mieten durch mehr Wohnraum spielen in der Krefelder Debatte bislang überhaupt keine Rolle. Die SPD ist im Kampf gegen sich selbst: Im SPD-Organ „Vorwärts“ heißt es vollmundig: „Bezahlbares Wohnen ist die Schlüsselfrage unserer Zukunft“ – in Krefeld legt die SPD gerade ein Instrument aus der Hand, wirtschaftlich vernünftig gegen steigende Mieten in der Region vorzugehen.

CDU und FDP

Halten sich noch zurück. Die Signale aus der CDU sprechen dafür, dass es keine Total-Blockade geben wird. Im Regionalrat ist die CDU offen für die Ausweisung neue Siedlungsareale. Der Fraktionsgeschäftsführer der CDU im Regionalrat, Dirk Brügge, nannte die geplante Absagte Krefelds einen „sozialpolitischen Amoklauf“.

Und der Klimaschutz?

 Einschätzung bisher: Gut angebunden an den ÖPNV, damit interessant für die Region.

Einschätzung bisher: Gut angebunden an den ÖPNV, damit interessant für die Region.

Foto: Bezirksregierung Düsseldorf
 Einschätzung bisher: Gut angebunden an den ÖPNV, damit interessant für die Region.

Einschätzung bisher: Gut angebunden an den ÖPNV, damit interessant für die Region.

Foto: Bezirksregierung Düsseldorf
 Einschätzung bisher: Aufgrund der Entfernung zur Rheinschiene ist die Fläche eher für den Basisbedarf geeignet.

Einschätzung bisher: Aufgrund der Entfernung zur Rheinschiene ist die Fläche eher für den Basisbedarf geeignet.

Foto: Bezirksregierung Düsseldorf
 Einschätzung bisher: Gut für den Basisbedarf. Dafür sprechen unter anderem die gute Verfügbarkeit und die gute städsche Anbindung durch die Straßenbahn.

Einschätzung bisher: Gut für den Basisbedarf. Dafür sprechen unter anderem die gute Verfügbarkeit und die gute städsche Anbindung durch die Straßenbahn.

Foto: Bezirksregierung Düsseldorf
 Einschätzung bisher: Gut für den Basisbedarf; die Fläche ist eine sinnvolle Arrondierung und infrastrukturell gut ausgestattet.

Einschätzung bisher: Gut für den Basisbedarf; die Fläche ist eine sinnvolle Arrondierung und infrastrukturell gut ausgestattet.

Foto: Bezirksregierung Düsseldorf
 Einschätzung bisher: Sinnvolle Erweiterung des Siedlungskörpers; ökologisch verträglich, eher für den Basisbedarf geeignet.

Einschätzung bisher: Sinnvolle Erweiterung des Siedlungskörpers; ökologisch verträglich, eher für den Basisbedarf geeignet.

Foto: Bezirksregierung Düsseldorf

Nichts ändert sich, wenn Krefeld auf die Chance neuer Entwicklungsmöglichkeiten verzichtet. Krefeld als schrumpfende und verarmende Stadt wird zum sozialen und auch ökologischen Problemfall, weil die Kraft für Investitionen fehlt. Wichtiger als der Erhalt von ein paar Hektar Wiesen, wäre es, die Innenstadt grüner zu machen, ein zukunftsfähiges Radwegenetz auszubauen und den ÖPNV zu stärken. Nichts davon wird eine arme Stadt hinkriegen.

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