Kleve Schüler malen Comics gegen "Rechts"

Kleve · Die 9b des Friedrich-Spee-Gymnasiums wurde kreativ gegen Rechtsradikalismus. Innenminister Ralf Jäger begrüßt das Engagement der Schüler. In 40 Sonderexemplaren sind die bunten Bilder als gebundenes Buch erschienen.

 Das durchgestrichene Hakenkreuz zeigt, worum's geht. Die Klasse 9 b des Friedrich-Spee-Gymnasiums hat sich mit Rechtsextremismus befasst. Lesen war den Schülern nicht genug - sie wurden selbst Autoren.

Das durchgestrichene Hakenkreuz zeigt, worum's geht. Die Klasse 9 b des Friedrich-Spee-Gymnasiums hat sich mit Rechtsextremismus befasst. Lesen war den Schülern nicht genug - sie wurden selbst Autoren.

Foto: Markus van Offern

Zwei Gestalten ohne Gesicht unterhalten sich. Sie sind sich einig: Die Ausländer, die müssen weg. Entsprungen ist diese Szene zum Glück nicht einer realen Situation, sondern in dem Fall der Fantasie der Schüler der Klasse 9b des Friedrich-Spee-Gymnasiums in Geldern.

Im Politikunterricht bei Lehrer Stefan van Wickeren hatten sie ein Mitspracherecht zum Stoff und entschieden sich für das Thema Rechtsextremismus. Aus aktuellem Anlass, wie Klassensprecher Tim Blauberger erzählt. "In der Zeit waren viele Demos, zum Beispiel von der Pegida", sagt der 15-Jährige. "Pegida-Demos finde ich schon sehr ausländerfeindlich, weil ich mich als Moslem ziemlich alleine fühlen würde, wenn ich spüre, dass das Volk keine Lust auf mich hat und mich raushaben will."

Ihr Lehrer nahm als Lehrmaterial "Andi" zu Hilfe. Das sind Comics, die das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW zur Verfügung stellt und in denen viel erklärt wird. Das reichte den Schülern aber nicht: Sie wollte das, was sie gelesen und gehört hatten, in eigenen Comics wiedergeben.

In kleinen Gruppen wurde eine Doppelstunde lang an Ideen gefeilt und eine weitere Doppelstunde lang gemalt. "Bist Du im Recht?" heißt zum Beispiel eine Geschichte. Titelbild ist der Bundesadler, der auf der einen Hälfte nur noch aus Haut und Knochen besteht. Darunter ist ein Hakenkreuz angedeutet. Als Zeichen dafür, dass Menschen sich ändern können, sieht die andere Hälfte des Bundesadlers normal aus, darunter steht ein Herz.

Die Figuren des Comics von Luca Voß, Julia Felsing, Tim Blauberger, Sebastian Kanders und Thomas Goehlich haben keine Mimik, keine Gesichtszüge. "Sie sind gesichtslos und bekommen erst im Laufe der Geschichte ein Gesicht, weil sie sich vom Rechtsextremismus abwenden", erklärt einer der Macher.

Wirklich krasse Beispiele von Rechtsextremismus haben die jungen Leute selber noch nicht erlebt. Von den 26 Schülern der 9b würden sich sieben selbst als Ausländer bezeichnen, wegen der Abstammung ihrer Eltern. Im Ausland geboren ist tatsächlich nur einer. Diskriminierung bekommen die meisten eher unterschwellig mit. Da ist zum Beispiel der Großvater, der sich darüber beschwert, dass in seiner Lieblingsmannschaft kaum mehr Deutsche sind.

Die Meinungen, was nun ausländerfeindlich, oder gar rechtsextrem ist, gehen auseinander. Für Ramona Lange fängt das bei Verallgemeinerungen an. "Wenn einer sagt: 'typisch russisch', dann ist das ziemlich unfair, weil er es auf alle bezieht." Annette Ostmittel findet Sprüche wie: "Geh' zurück in dein Land" sehr rassistisch. Rebecca Lange legt den Maßstab der subjektiven Wahrnehmung an. "Rassismus ist für mich, sobald sich jemand beleidigt fühlt."

Nach Gründen für das Entstehen von Rechtsextremismus haben sie auch gesucht. "Mitläufer, schlechte Erfahrungen mit Ausländern, arbeitslos sein und Ausländern die Schuld geben, Vorurteile, falsche Vorbilder, Propaganda, auf die man reinfällt, Erziehung, dass Eltern das einem so beigebracht haben", zählen sie auf. Ihre Ideen haben in sechs Comics Ausdruck gefunden.

NRW-Innenminister Ralf Jäger war von der Aktion so überzeugt, dass er der Klasse 9b einen Brief geschrieben hat. "So zeigen Ali, Jörn und Henning in ihrem 'Andi', dass es in einer Gesellschaft immer Menschen braucht, die sich aktiv dem Rechtsextremismus entgegenstellen" heißt es darin.

Und wie sieht es aus mit der Zivilcourage, wenn die Jugendlichen dabei sind, während beispielsweise ein Farbiger beschimpft wird? Für Ramona ist die Sache klar: Sie würde sofort etwas sagen, meint sie. Henning Letzer geht die Sache bedachter an. "Erstmal gucken, wer das gesagt hat. Wenn der doppelt so groß und breit ist, würde ich trotzdem was sagen. Aber Angst hätte ich, glaube ich, immer." Und Rebecca meint: "Wenn ich allein wäre, würde ich nichts machen, weil ich nicht weiß, wie der andere reagiert."

Zivilcourage ist also noch ein großes Thema. Aber der Anfang ist gemacht: Die Comics der Klasse 9b zum Thema "Wir gegen Rechtsextremismus" sind in 40 Exemplaren als Sonderdruck erschienen.

(RP)
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