Aufstieg und Fall einer Klever Schuhgeschichte Otten & Leenders-Schuhe für Königsallee

Kleve · Vor 70 Jahren wurde die Schuhfabrik Otten & Leenders in Büderich gegründet. 1957 zog das Unternehmen zum Mittelweg in Materborn. Norbert Leenders verwaltet das letzte Stück einer Klever Unternehmensgeschichte.

 Norbert Leenders präsentiert in seiner Werkstatt eine Auswahl Schuhe aus 70 Jahren Firmengeschichte.

Norbert Leenders präsentiert in seiner Werkstatt eine Auswahl Schuhe aus 70 Jahren Firmengeschichte.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Die Teile einer erfolgreichen Firmengeschichte stehen auf dem braunen Schreibtisch von Norbert Leenders (72). In dem geöffneten Musterkoffer liegt eine Auswahl Schuhe. Sein Vater Theodor war Mitgründer der Schuhfabrik Otten & Leenders. 70 Jahre ist das Unternehmen jetzt alt. Einen Grund, das Jubiläum groß zu feiern, gibt es nicht. Denn produziert wird nichts mehr. Für Leenders ist es nur ein Datum. Die Firma gehörte zu der Branche, die Kleve wie keine andere prägte. So gab es in den glorreichen Zeiten der Schuhindustrie 50 Unternehmen in der Stadt.

Das Büro von Norbert Leenders liegt an der Kapellenstraße in Materborn. Wer zu ihm geht, muss an den Produkten eines Schreibwarenhändlers und einer Poststelle vorbei. Die Einrichtung des Raums ist mit karg wohlwollend beschrieben. Ein runder Tisch mit zwei Stühlen, ein Bild und eben der Schreibtisch. Der 72-Jährige hat ein dickes Fotoalbum auf den Knien und blättert es durch. Neben Bildern aus der ehemaligen Fabrik sind auch immer wieder Zeitungsausschnitte eingeklebt. „Hier, da haben wir die Stiefel für die Kessler-Zwillinge hergestellt“, sagt er. Auch die Schuhe für die Premiere des Musicals Cats stammen aus dem Hause von Otten & Leenders.

 1986: Norbert Leenders begutachtet die Stiefel für die Deutschlandpremiere des Musical Cats.

1986: Norbert Leenders begutachtet die Stiefel für die Deutschlandpremiere des Musical Cats.

Foto: NN/n.n.

Neben dem Büroraum hat der Schuhtechniker noch einen weiteren angemietet. Der Weg dorthin führt hinter dem Postshop vorbei, durch ein Stück Zelt in eine Flachdachgarage. Hier ist seine Werkstatt untergebracht. Eine Zuschneidemaschine steht in der Ecke, Werkzeug und mehrere Leisten liegen herum, es riecht nach Leder. In der Werkstatt werden noch Absätze auf Tanzstiefel angebracht, Lederhalsbänder genäht oder Löcher in Gürtel gestanzt. Viel mehr nicht. 70 Jahre Schuhproduktion endet auf ein paar Quadratmetern in einem Hinterhof. Auch wenn nur noch die Garage geblieben ist, Norbert Leenders beschäftigt sich ständig mit der Firmengeschichte. Sie hat sein Leben geprägt. Obwohl der Blick zurück meistens ein verklärter ist, bleiben bei Leenders nicht nur die schönen Erinnerungen.

 Firmengründer Theodor Leenders in der Schuhfabrik, die am Mittelweg stand.  Fotos (2): Leenders

Firmengründer Theodor Leenders in der Schuhfabrik, die am Mittelweg stand. Fotos (2): Leenders

Foto: nn

Gegründet wurde das Unternehmen 1950 von seinem Vater und Johann Otten in Büderich bei Düsseldorf. Sieben Jahre später zog man an den Klever Mittelweg, wo 2013 die Hallen geschlossen wurden. Seit vier Jahren ist der 72-Jährige jetzt mit seinem Betrieb an der Kapellenstraße. Es wird der letzte Standort von Otten & Leenders sein. Neben Büro und Werkstatt hat er zwischen der Post und einem CD-Handel einen kleinen Verkaufsstand.

Norbert Leenders hat Aufstieg und Fall des Betriebs miterlebt. „Fußballschuhe mit Schraubstollen und drei Streifen hatten wir in den Anfangsjahren auch noch im Programm“, erzählt er. Bis ein Prozess verloren wurde. Der damalige namhafte Kläger darf heute noch als einziges Unternehmen Schuhe mit drei Streifen produzieren. Otten & Leenders ließ erst die Streifen weg und später auch die Produktion der Fußballschuhe. „Als Qualität noch die große Rolle spielte, ging es uns gut“, sagt der 72-Jährige.

Das Unternehmen spezialisierte sich schnell auf hochwertige Damenschuhe. Wie beliebt die Kollektionen vom Mittelweg waren, zeigen die Orte, an denen sie im Schaufenster standen. Auf der Königsallee in Düsseldorf, der Maximilianstraße in München, Köln, Hamburg…– es waren die feinsten Adressen der Republik.

Nachdem sich Otten & Leenders einen Namen gemacht hatte, interessierten sich die größeren Handelsketten für die Kollektionen. „Für 14 Mark sollten wir die Schuhe produzieren. Wir selbst konnten sie ohne Gewinn für 20 Mark herstellen“, erinnert sich Leenders. Irgendwann ging es nur noch darum, immer billiger mit mehr Plastik und weniger Qualität zu produzieren. „Es wurde nur noch kopiert. Die haben unsere Muster gekauft, nach Italien geschickt und dort um mindestens die Hälfte günstiger hergestellt. Da konntest du irgendwann nicht mehr gegenanarbeiten“, erklärt der Klever. Auch wenn für viele Mitarbeiter die Firma nach der Familie auf Platz zwei stand. „Die haben hier fünf Tage in der Woche reingehauen. Ich selbst habe morgens standesamtlich geheiratet und stand mittags wieder in der Halle.“

Hinweise, was der Schuhtechniker zuletzt noch selbst produziert, hängen an den Wänden der Werkstatt. Reihenweise Bilder von Tanzgarden und Karnevalsprinzen. Seine Stiefel für die fünfte Jahreszeit waren gefragt. Weil hier Qualität noch eine Rolle spielt. Wenn eine Garde mal neue Stiefel braucht, schickt Leenders ausgestanzte Lederteile zu einer Schuhfabrik nach Mitteldeutschland. Dort werden seine Modelle gefertigt. Er selbst macht es nicht mehr. 50 Jahre reichen ihm.

Jetzt steht Norbert Leenders immer freitags von 15 bis 18 Uhr an seiner Verkaufstheke in dem Geschäftsraum an Kapellenstraße, wo er Kunden berät. Hinter ihm hat er eine Auswahl Schuhe auf Eisenregalen ausgestellt. Ist Leenders nicht in dem Laden, sitzt er im Büro oder steht an der Werkbank, um kaputte Tanzstiefel zu reparieren. Ganz abschließen kann er mit der Arbeit an Schuhen nie.

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