ArToll Jubiläum Jubiläum im Land des Herrn Beuys

Bedburg-Hau · Alle sind sie da, alle die Künstler, die vor 25 Jahren dabei waren, als ArToll im Haus 6 der LVR-Klinik ins Leben gerufen wurde. Sie und alle die, die danach im vorstand oder in einer festen Funktion bei diesem verein, der sich zu Recht als Unikat versteht, dabei waren. Eine große Jubiläumsausstellung.

 Vor den hölzernen Fühlern von Toon Elfrink im Garten von Haus 6 der LVR-Klinik Bedburg-Hau die Künstlertruppe, die ArToll seit Jahren begleitet.

Vor den hölzernen Fühlern von Toon Elfrink im Garten von Haus 6 der LVR-Klinik Bedburg-Hau die Künstlertruppe, die ArToll seit Jahren begleitet.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Es scheint gestrichelt, wie skizziert zu sein. Linien liegen nebeneinander, übereinander, kreuzen sich, fasern anscheinend aus. Je nach Blickwinkel scheinen sie einfach nur flüchtig auf die Wand geworfen. Doch sie sind plastisch dreidimensional, greifen in den Raum, werfen Schatten und multiplizieren sich so nochmals als Schatten-Striche auf der Wand. Sie sind dreidimensional und zweidimensional zugleich. Und schaut man genau hin, fügen sich die Linien zu Würfeln, die auf der Wand stehen.

Günther Zins hat den Wald aus Linien auf eine der Wände seines Saales im Haus 6 der LVR-Klinik Bedburg-Hau installiert, gegenüber einen sich verjüngenden plastischen Fingerzeig, dazu Würfel, die dreidimensional aus der Wand herausragen und auch noch als Stahlgeviert gleich ihren Schattenwurf mitliefern.

Ganz anders als Zins’ filigranen Raumlinien aus Edelstahl wirkt Michael Odenwaellers massive, mehrbeinige Skulptur, die an so genannten Tetrapode Beton-Wellenbrecher beispielsweise auf Sylt erinnert und trotz ihrer Massivität geradezu beschwingt im Raum steht. Silbrig leicht schimmern die Kissen von Klaus van Bebber, die gleich im Anschluss im Raum installiert sind. Zins, van Bebber und Michael Oedenweller haben eins gemein: Sie alle arbeiten oder haben im ArToll-Kunstlabor in der LVR-Klinik Bedburg-Hau maßgeblich mitgearbeitet. Van Bebber und Zins gehören zu den Gründungsmitgliedern

„Ich freue mich, dass wir von allen, die maßgeblich am ArToll beteiligt waren, Kunst zu sehen bekommen“, sagt Uwe Dönisch-Seidel. Der einstige Psychologe an der LVR-Klinik und jetzige Beauftragte für den Maßregelvollzug des Landes Nordrhein-Westfalen gehörte vor 25 Jahren mit zu den treibenden Kräften, die die Stätte für Kunst in einem der leerstehenden Häuser der LVR-Klinik initiierte. „Im Rückblick ist es beeindruckend, dass das so lange gehalten hat“, sagt Dönisch-Seidel. Er freue sich, dass man hier etwas habe etablieren können, das eine Leerstelle im Klever Land im Sinne von Joseph Beuys fülle: Ein Raum, an dem man seine Kreativität ausleben könne, gestalten könne. „Wir haben natürlich auch die Aufgabe, junge Kunst zu fördern“, sagt Dönisch-Seidel.

Und das macht ArToll: Wolfgang Paterok, von Haus aus Theatermann (XOX-Theater) und seit geraumer Zeit Vorsitzender des Vereins rund um ArToll im Haus 6 freut sich über die Gäste von Hochschulen aus Amsterdam, London und Versailles, die hier jährlich fest gebucht haben, um in den Räumen das zu tun, was Dönisch-Seidel fordert: Kreativität ausleben. Dönisch-Seidel freut sich, dass die Franzosen ihren Aufenthalt mit ArToll mit „Im Land des Herrn Beuys“ überschreiben. Für Paterok ist das Kunstlabor ein Unikat: „Es gibt nichts vergleichbares“, sagt er. Leider sei es aber eine Institution, die nicht in die Zukunft schauen könne. Keiner wisse, was aus den Häusern der LVR-Klinik wird, was aus Haus 6 wird, wenn die Hälfte des Klinik-Geländes verkauft werden sollte. „Wir haben es aufgegeben, konkrete Antworten zu erwarten“, sagt Paterok. Das Haus stehe unter Denkmalschutz und man mache einfach weiter, renoviert den alten Jugendstilbau, wenn es nötig wird, selbst. Wie die feine Holzterrasse, auf der die Künstler an improvisierten Tischen ihre Arbeit vorstellen, wieder frisch gestrichen ist.

Hildegard Weber, die Beuys noch kannte und fotografierte, zählt ebenfalls zu den Gründungsmitgliedern von ArToll. Ihre Arbeit im Haus 6 zeigt auf langen Bändern lachende Menschen. Die schauen den Betrachter an, sind fröhlich. Daneben hängen lange weiße Bänder, dicht beschrieben mit Impressionen der Künstlerin. Auf der anderen Seite bestimmen Lochstreifen aus Musiktruhen den Raum. Natürlich ist auch ein Lohengrin dabei, sagt sie mit Blick auf Kleve und lacht wie die vielen Gesichter, die sie fotografiert und auf die Bänder montiert hat. „Ein ehrliches Lachen, ganz bestimmt“, versichert Weber.

Gleich dahinter ein Geburtstagbild von Hans-Uwe Schmidt: Er sei in ein Hotel gekommen und habe einen Raum erlebt, in dem er gerne mit seinen Liebsten Geburtstag feiern würde, sagt Schmidt. Er malte die Freunde an einen langen Tisch in diesen Raum, dabei seine verstorbene Tochter, der verstorbene Bruder. Eine fröhliche Feier auf dem Bild.

Maren Rombold hat Menschen porträtiert und nutzt alte Porzellan-Teller als Rahmen dazu. Beeindruckend die Arbeit „Bosnien“ von Regina Friedrich-Körner, die mit Überblendungen arbeitet und Szenen ineinander schneidet, die irritieren: der lachende Junge auf des Vaters Schulter im Hintergrund, der Mann, der einen Toten an der Erde berührt im Vordergrund.

 Hildegard Webers Schriftfahnen und lachende Menschen.

Hildegard Webers Schriftfahnen und lachende Menschen.

Foto: Markus van Offern (mvo)
 Günther Zins filigran-stählerne Würfel.

Günther Zins filigran-stählerne Würfel.

Foto: Matthias Grass
 Michael Odenwaellers Skulptur Frauenstolz.

Michael Odenwaellers Skulptur Frauenstolz.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Dini Thomsen erinnert mit ihren Bildern an Franz von Assisi. An den Franz, der mit Vögeln spricht und mahnt, die Natur zu wahren, sagt sie. Sigrid Neuwinger hat ihre guten „Lebensgeister“ mitgebracht. Anja Maria Strauss’ filigran zerbrechliche Silberwolken aus Judastalern flimmern im Raum, so wie Martje Verhovens Tischgesellschaft zu pelziger Tafel einlädt.

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