Ärztinnen aus Hückelhoven sind aktiv Medikamente aus dem Kreis für die Ukraine

Hückelhoven · Zwei Medizinerinnen aus Hückelhoven haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Schmerzmittel und Verbandsmaterial für die Menschen in ihrer Heimat zu organisieren. Sie sind in großer Sorge um Freunde und Familie.

 Olga Schöbben, Nesrin Kuzu, Pflegedirektor Stephan Demus und Olga Bratchuk (v.l.) mit den Spenden. Dass das Krankenhaus die ukrainischen Farben im Logo hat, schenkt ihnen in der schweren Zeit ein kleines Lächeln.

Olga Schöbben, Nesrin Kuzu, Pflegedirektor Stephan Demus und Olga Bratchuk (v.l.) mit den Spenden. Dass das Krankenhaus die ukrainischen Farben im Logo hat, schenkt ihnen in der schweren Zeit ein kleines Lächeln.

Foto: Marvin Wibbeke

Viel geschlafen haben sie in den vergangenen Tagen nicht. Zwei, vielleicht drei Stunden pro Nacht. Mehr schaffen sie nicht. Seit dem russischen Einmarsch in ihr Heimatland, die Ukraine, stehen Olga Schöbben und Olga Bratchuk unter Dauerstress. Sie sind in Sorge um Freunde und Verwandte, in Sorge um ihre Heimat. Und sie stehen unter Stress, weil sie beinahe ununterbrochen alles ihnen mögliche dafür geben, um aus der Ferne helfen zu können.

Die beiden wissen durch ihren medizinischen Background, wie wichtig gerade jetzt die ärztliche Notversorgung vor Ort ist. Deshalb haben sie sich dazu entschlossen, auf diesem Wege zu helfen. Gemeinsam mit ihrer Arbeitskollegin Nesrin Kuzu haben die beiden ukrainischstämmigen Frauen also beschlossen, genau dort anzusetzen und sind dabei, Medikamente zu organisieren. Dafür haben sie bei Krankenhäusern und Apotheken angefragt – und rannten offene Türen ein.

„Als wir die Anfrage bekommen haben, war für uns sofort klar, dass wir helfen wollen“, betont Stephan Demus, der beim Erkelenzer Hermann-Josef-Krankenhaus als Pflegedirektor arbeitet. Man habe umgehend nachgeschaut, was die Bestände hergeben. Und das, was abgegeben werden kann, ohne die eigene Versorgung zu gefährden, wird gerne gespendet. „Da sind Medikamente dabei, aber auch Verbandsmaterial und Infusionsbesteck“, sagt Demus. Die Pandemie habe aufgezeigt, wie wichtig ein volles Lager sei, ergänzt er. Daher sei das Krankenhaus bestens ausgestattet und könne nun einen Teil des Materials entbehren. Auch das Krankenhaus in Heinsberg und Apotheker Stefan Büllesbach aus Heinsberg haben Medikamente zur Verfügung gestellt.

„Wir würden ja auch Medikamente kaufen“, betont Olga Schöbben, aber das koste alles wertvolle Zeit. Zeit, die die beiden Medizinerinnen derzeit nicht haben. „Wir müssen schnell sein, es geht um jeden Tag.“ Die Medikamente und das Verbandsmaterial sollen Ende der Woche in einem Auto in die Ukraine gebracht werden. Ursprünglich hatten die Frauen vor, selbst zu fahren. Mit einem ukrainischen Pass dürften sie ohne Probleme in das Land fahren, sagen sie. Doch der Rückweg sei problematisch. Denn dort gibt es bereits jetzt kilometerlange Schlangen mit Autos, die das Land verlassen wollen. „Da stehen sehr viele Frauen mit ihren Kindern“, schildert Olga Schöbben. Ein weiterer Grund, warum sie doch nicht selber fahren, sind ihre eigenen Kinder. Die beiden Frauen sind alleinerziehende Mütter und sie können ihre Kinder nicht so einfach alleine lassen. Daher schicken sie das Auto mit einem Fahrer los. Sie stehen mit Hilfsorganisationen in Kontakt, die helfen, die Spenden an die richtigen Stellen zu bringen.

Dass die Medizinerinnen in Anbetracht der Lage überhaupt die Kraft haben, diese Hilfsleistungen mitzuorganisieren, ist beeindruckend. Denn die Situation ihrer Familien ist bedrohlich und teilweise auch unklar. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte alle Männer zwischen 18 und 60 Jahren in den Verteidigungsdienst gerufen. Olga Schöbben berichtet, dass auch ihr Vater, eigentlich Arzt und schon über 60, sich freiwillig gemeldet hat. Er habe wie die vielen anderen eine kurze Einweisung von Polizei und Militär erhalten, für mehr ist keine Zeit. Gekennzeichnet werden die zivilen Verteidigungstruppen durch eine gelbe Armbinde. Die Mutter von Olga Schöbben verlässt das Haus nicht mehr, wartet jeden Tag voller Sorge, ob ihr Mann wieder nach Hause kommt.

Der Kontakt von Olga Bratchuk zu ihrer Familie ist seit Montagabend abgerissen. Die russischen Streitkräfte haben ihre Heimatstadt besetzt. Die Frau, die in Hückelhoven in der Praxis von Wolfgang Vergossen arbeitet, hat auf der Krim studiert und einige Jahre in Kiew gearbeitet. Nun haben sie Bilder ereilt von ihrer Schule, in der sie zehn Jahre gelernt hatte. Diese wurde von der russischen Armee vollkommen zerstört.

Die Medizinerinnen geben die Hoffnung auf Frieden in ihrer Heimat nicht auf. Sie sind zudem dankbar für jede Hilfe. Die Bereitschaft zu helfen sei riesig, unterstreichen sie. Das helfe auch ihnen, durchzuhalten, weiterzumachen. Und sich so ein wenig von den großen Sorgen abzulenken.

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