Krisenprävention „Täterarbeit“ gegen häusliche Gewalt

Kreis Mettmann · In der Corona-Krise hat auch die Zahl gewalttätiger Übergriffe im Familienkreis zugenommen. Hotlines wie jene der Caritas, die konkret Täterverhalten ändern möchte, werden immer wichtiger.

 15 Polizei-Einsätze wegen häuslicher Gewalt gab es im Kreisgebiet allein am letzten April-Wochenende.

15 Polizei-Einsätze wegen häuslicher Gewalt gab es im Kreisgebiet allein am letzten April-Wochenende.

Foto: dpa/Maurizio Gambarini

Allein am letzten Wochenende im April hat es im Kreis Mettmann 15 Polizei-Einsätze wegen häuslicher Gewalt gegeben. Acht  Anrufe für Hilden und Haan verzeichnete die Caritas-Fachberatung gegen häusliche Gewalt für Täter in den vergangenen drei Wochen. In manchen Großstädten liegt die Zunahme an häuslichen Gewalttaten in der Coronakrise sogar bei 40 Prozent. Zahlen, die alarmieren.

Gerade jetzt ist konkrete Präventionsarbeit wichtig: Die Bundesarbeitsgemeinschaft „Täterarbeit häusliche Gewalt“ unterhält beispielsweise unter der Rufnummer 0162-139 844 3 an sieben Tagen in der Woche eine Vermittlungshotline und sorgt dafür, dass Menschen, die Gewalt in ihrer Partnerschaft ausüben oder drohen, es zu tun – aber bereit sind daran etwas zu ändern –, zeitnah an eine der bundesweit angeschlossenen Täterarbeitseinrichtungen vermittelt werden.

Die „Caritas-Fachberatung gegen häusliche Gewalt für Täter*innen im Kreis Mettmann” ist aktives Mitglied dieser Bundesarbeitsgemeinschaft und hält ihr Angebot auch in diesen Tagen aufrecht. „Es ist sehr wichtig, da zu sein; gerade jetzt den Menschen Hilfsangebote zu unterbreiten und nicht erst nachdem durch das erzwungene Beieinanderhocken Schlimmeres passiert ist“, erklärt Andreas E. Smolka, verantwortlich für die kreisweit zuständige Fachberatungsstelle.

Erfahrungen aus der Beratungspraxis der vergangenen vier Wochen hätten gezeigt, dass gerade in dieser Notsituation, in der Familien auf engstem Raum miteinander leben, lieben, spielen und streiten müssen, bereits eine telefonische Beratung oder ein Videogespräch mit allen Beteiligten sinnvoll zur Deeskalation im häuslichen Gewaltbereich beitragen habe, sagt er. „Ein gemeinsam am Telefon erarbeiteter Notfallplan, ein Beratungsgespräch draußen oder durch eine Acrylglaswand – alles ist besser, als die Menschen in ihrer Not und ihrem Stress allein zu lassen“, ist Sozialarbeiter und Familientherapeut Smolka überzeugt.

Täterarbeit ist mehr als „gut, dass wir darüber gesprochen haben, das nächste Mal schlagen Sie bitte nicht mehr zu.“ Es sei anstrengend für Klienten und Berater, aber sinnvoll und effektiv, meint Smolka. Es gehe um Selbstwahrnehmung und -kontrolle, um Verantwortungsübernahme und den unbedingten Willen etwas ändern zu wollen. Ein Klient meinte neulich: „Ich muss merken, wann die Wut hochkocht, muss wissen, wie man aus der Nummer wieder herauskommt“. Dabei hilft die Beratungsstelle der Caritas.

Smolka ist es wichtig, dass die Konzentration bei dieser Arbeit keineswegs nur die Männer in den Fokus stellt: „Etwa 15 Prozent derjenigen, die häusliche Gewalt ausüben und in die Beratungsstelle kommen, sind Frauen“, berichtet er. Auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen sei Gewalt immer wieder ein Thema. Für den Experten gilt: „Jeder, der ehrlich und aufrichtig zu uns kommt, erhält bei uns eine Chance, an seinem Problem zu arbeiten.“

Thomas Rasch ist Bereichsleiter bei der Caritas im Kreis Mettmann. Auch er verspricht: „ „Selbstverständlich sind wir gerade jetzt für die Menschen in Krisen- und Notsituationen da.“ Dazu gehöre auch das Angebot für Täter. Keine Selbstverständlichkeit, denn die Finanzierung dieser Hilfe durch das Land NRW stehe auf tönernen Füßen.

„Rund die Hälfte der Hotlines in diesem Bereich haben in den vergangenen Monaten aus finanziellen Gründen ihr Angebot eingestellt”, sagt Andreas Smolka. „Dass wir noch weitermachen können, macht uns stolz und ist enorm wichtig.”

Er berichtet von einem Anruf eines Vaters, der unlängst mit seinem 22-jährigen Sohn nach einem Vorfall mit dessen Freundin einen Beratungstermin ausmachen wollte: Dieser Vater sagte,  er habe Angst, dass die Gewalt, die er selbst seinem Sohn vorgelebt habe, diesen im Umgang mit seiner Freundin nun auch gewalttätig mache. Jetzt wolle er den Teufelskreis durchbrechen. Smolka betont: „In solchen Momenten merkt man immer wieder, wie wichtig unsere Arbeit ist.“

Die Caritas-Beratungsstelle ist unter der Rufnummer 02104-926235 oder per E-Mail gewaltfrei@caritas-mettmann.de erreichbar. Weitere Informationen zum Angebot: www.caritas-taeterarbeit.de.

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