Gutachten für Grevenbroich Kein Kammmolch in Kapellen

Grevenbroich · Die Artenvielfalt in den Alt-Erftarmen an der „Schwarzen Brücke“ ist erschreckend niedrig. Das belegt ein Gutachten der Biologischen Station des Kreises. Kaum Fische, keine Muscheln – und erst recht keine seltenen Schwanzlurche.

 Experten sollten unter anderem Laich, Larven (Foto) oder ausgewachsene Kammmolche an der „Schwarzen Brücke“ ausfindig machen.

Experten sollten unter anderem Laich, Larven (Foto) oder ausgewachsene Kammmolche an der „Schwarzen Brücke“ ausfindig machen.

Foto: Piet Spaans

Ein Jahr lang haben Mitarbeiter der Biologischen Station des Rhein-Kreises die Artenvielfalt in den Alt-Erftarmen im Naturschutzgebiet „Schwarze Brücke“ untersucht. Das Ergebnis dieser Analyse liegt nun vor – und es ist ernüchternd. Den seltenen Kammmolch, den die Experten zu finden hofften, gibt es dort nicht. Selbst Teichmolche konnten nicht nachgewiesen werden. Überhaupt kann laut Gutachten von Vielfalt an dieser Stelle keine Rede sein.

„Es sind nur wenige Arten entdeckt worden“, resümiert Volker Große vom Amt für Entwicklung und Landschaftsplanung des Rhein-Kreises. Heimische Fische wie Döbel und Gründling kamen in den Altarmen bei Kapellen nur ganz selten vor. Häufiger war der ursprünglich aus Russland stammende Blaubandbärtling, der allerdings zu den Neozoen, also zu den eingewanderten Tieren zählt. Nach dem Bitterling suchten die Biologen vergeblich, ebenso nach der Teichmuschel, die in Symbiose mit diesem kleinen Fisch lebt.

Anfang der 2000er Jahre hatten Kinder einen Kammmolch im Uferbereich gefunden, seitdem hielt sich das Gerücht, dass das seltene Tier dort leben soll. Wurden die unter Artenschutz stehenden Schwanzlurche von den Biologen nicht gefunden, sind Erdkröten dort schon häufiger. Zudem konnte eine kleinere Grasfrosch-Population ausfindig gemacht werden. Was die Pflanzen betrifft: „Die Vegetation in den Gewässern ist kaum nennenswert“, berichtet Volker Große. Überhaupt herrsche in den Altarmen teilweise eine recht lebensfeindliche Situation. „Der Sauerstoffgehalt liegt unterhalb des Grenzwertes von vier Milligramm pro Liter“, sagt Große. Fische hätten darunter zu leiden. Vor 30 Jahren sei die Situation an der „Schwarzen Brücke“ deutlich besser gewesen, erinnert sich der Mitarbeiter des Rhein-Kreises. Die Altarme waren weniger verschlammt als heute, es gab reichlich Fische – „ein vergleichsweise naturnaher Zustand“, sagt Große. Und der soll möglichst bald wieder hergestellt werden. Der Erftverband plant, die beiden Altarme zu vernetzen und mit der Erft zu verbinden – und zwar zunächst mit Hilfe eines Rohres, das im Einflussbereich mit einem Steckschutz versehen wird, damit der Wasserstand reguliert werden kann. Ziel ist es, die alten Flussbetten wieder dauerhaft mit Wasser zu bespannen. Zudem soll für eine leichte Fließgeschwindigkeit gesorgt werden, damit ein Teil des über Jahre abgelagerten Schlamms auf natürliche Art und Weise weggespült wird.

 Stellten vor Ort das Gutachten vor: (v.l.) Volker Große (Rhein-Kreis), Martina Jüttner und Markus Volmer (beide Erftverband).

Stellten vor Ort das Gutachten vor: (v.l.) Volker Große (Rhein-Kreis), Martina Jüttner und Markus Volmer (beide Erftverband).

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Da Molche – die stehende Gewässer bevorzugen – und andere Rote-Liste-Arten nicht nachgewiesen wurden, könne diese Maßnahme nun recht schnell in Angriff genommen werden, sagt Martina Jüttner, Ingenieurin beim Erftverband. Läuft alles nach Plan, soll dieses Projekt noch im Herbst abgeschlossen werden. Vorher kommt Jüttners Kollege Markus Volmer zum Zuge: Der Betriebsleiter wird mit seinem Team eine Abflussrinne in die verschlammten Altarme ziehen, damit die abgelagerten Sedimente mit der Kraft des Wassers schneller in Richtung Erft gespült werden können.

Die Altarme werden sich künftig größtenteils von selbst entwickeln, an einigen Stellen sollen noch einige kleinere Stillgewässer für Amphibien angelegt werden. „Damit wird sich die Situation im Naturschutzgebiet deutlich verbessern“, meint Volker Große. Nach Abschluss der Maßnahme werden Mitarbeiter der in Knechtsteden das Gebiet beheimateten Biologischen Station regelmäßig aufsuchen und die Entwicklung der Gewässer dokumentieren.

Die beiden Alt-Erftarme an der „Schwarzen Brücke“ haben ihren festen Platz im „Perspektivkonzept 2045“ des Erftverbandes. Da nach dem Ende des Braunkohlebergbaus keine Sümpfungswässer aus dem Tagebau eingeleitet werden, wird die im 19. Jahrhundert kanalisierte Erft künftig weitaus weniger Wasser führen als heute. Im Bereich der Erftaue soll der Fluss aus seinem Bett geholt werden, er soll sich künftig durch die Erftaue schlängeln. Die beiden Altarme sowie bereits verlandete ehemalige Flussbetten sollen in diesen Mäander mit einbezogen werden. Einen Starttermin für dieses Projekt gibt es noch nicht.

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