Diskussionsrunde in Grevenbroich David McAllister: „Die EU hat mehr Interesse verdient“

Grevenbroich · Beim Schlossgespräch in Grevenbroich ging es um die Zukunft Europas. EU-Parlamentsmitglied David McAllister verdeutlichte, um was es geht: um mehr als nur eine Wirtschaftsunion. Der Halb-Brite nahm auch Bezug auf den Brexit.

  Europa-Abend im Schloss (v.l.): Bundestagsabgeordneter Hermann Gröhe, EU-Parlamentsabgeordneter David McAllister, RP-Politik-Chef Martin Kessler, Landrat Hans-Jürgen Petrauschke und Ludger Gruber von der Adenauer-Stiftung.

Europa-Abend im Schloss (v.l.): Bundestagsabgeordneter Hermann Gröhe, EU-Parlamentsabgeordneter David McAllister, RP-Politik-Chef Martin Kessler, Landrat Hans-Jürgen Petrauschke und Ludger Gruber von der Adenauer-Stiftung.

Foto: Georg Salzburg(salz)

Politiker tendieren dazu, vor jeder Wahl zu bekräftigen, es handele sich um eine ausgesprochen wichtige. Doch diesmal, und da wird David McAllister deutlich, handelt es sich um eine wirklich wichtige: Es geht um nichts weniger als um die Zukunft Europas. Ende Mai wird gewählt. Das Besondere, wenn nicht sogar das Gefährliche: „Im EU-Parlament sitzen Kräfte, die zum Generalangriff blasen.“ So bringt es der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident, der selbst Abgeordneter der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament ist, bei seinem Vortrag im Rittersaal des Alten Schlosses auf den Punkt.

Rund 170 Gäste waren der Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Schlossgespräch gefolgt. Unter den Gästen: der Bundestagsabgeordnete Hermann Gröhe, der in seiner Ansprache ebenso betont, was eigentlich auf dem Spiel steht: „Es geht um ein Europa, das im Alltag erlebbar ist.“ Seine Botschaft: Es lohnt sich, über Europa und die EU zu debattieren – „gerne auch streitig. Es geht um die Frage, welches Europa wir wollen.“

Für den Vortrag, der genau unter dem Titel letzterer Frage stand, gab es wohl kaum einen besseren Referenten als David McAllister, den Mann, der ausgerechnet einen zweiten, britischen Pass hat. Mit Blick auf die Europawahl spricht der 48-Jährige von einer „wesentlichen Richtungsentscheidung“, denn der europäische Integrationsprozess werde nicht nur durch den Brexit erheblich in Frage gestellt. „Die EU und das Parlament haben mehr Interesse verdient“, sagt McAllister. Gab es bisher eine „konstruktive, vernünftige Regierung“, so gelten doch rund 20 Prozent der Parlamentsmitglieder inzwischen als radikal – links oder rechts. „Diese Kräfte haben das Potenzial, Sand ins Getriebe zu streuen.“

Seine christlich-demokratische EVP setze auf eine Koalition mit Sozialdemokraten und Liberalen. Das unterstreicht McAllister auch im Gespräch mit Martin Kessler, dem Politik-Chef unserer Zeitung. Er moderiert die Diskussionsrunde, die sich dem lebhaften Vortrag McAllisters am Donnerstagabend anschließt. Wenn es keine Mehrheit für dieses Bündnis im EU-Parlament gäbe, fragt Kessler, „wäre die EU dann nicht am Ende?“ Der EU-Politiker gibt zu: Die drei Parteien zusammen wären gerade so dazu in der Lage, eine verlässliche Regierung zu bilden. Umso wichtiger sei mitunter eine hohe Wahlbeteiligung. „Unterschätzen wir nicht die Nationalisten, die Populisten, die Demagogen“, mahnt David McAllister, der prompt eine Brücke zum Brexit schlägt. „Am 30. März um 0 Uhr wird die EU viel verlieren.“ Großbritannien habe sich in eine politische Sackgasse manövriert. „Das tut mir im Herzen weh“, sagt der Halb-Brite, dessen Verwandtschaft in Schottland lebt. „Die EU besser zu machen, sie richtiger zu machen, ist 100 Mal besser, als sie zu verlassen.“

McAllister wirbt für eine effektivere, effizientere, transparentere und wettbewerbsfähigere EU mit stabiler Währung, stabilem Haushalt. Manches Vorhaben müsse noch mit Leben gefüllt werden. „Risiko und Verantwortung dürfen nicht getrennt werden“, sagt er und schließt sich den Worten von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an, die EU müsse sich nach außen hin robuster aufstellen und sich nach innen hin revolutionieren.

Außerdem fordert er ein Ende der Türkei-Beitrittsverhandlungen, die aus seiner Sicht keine Perspektive bieten – und ein „ordentliches Verhältnis zu den Briten“. Er wartet wie viele auf ein Angebot aus London und schlägt versöhnliche Töne an: „Wir sollten immer eine Tür für die Briten offen lassen. Vielleicht entscheiden sie sich noch anders.“ Auf eine Frage Kesslers erzählt McAllister von einer „ungewollten Scheidung“, zurückzuführen auf die, „die die EU als Sündenbock sehen“ – und das, obwohl sie für gemeinsame Rechte, Werte und für einen gemeinsamen Binnenmarkt stehe. Nicht zuletzt „ist die EU ein beispielloses, wirtschaftlich erfolgreiches Projekt.“ Gleichwohl sagt David McAllister, dass die EU alles andere als perfekt sei. Es lohne sich aber, dafür zu kämpfen. Mit dieser Aussage richtet er sich auch gegen die AfD und ihre Europapolitik: „Das ist für mich die deutsche Brexit-Partei.“

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