Hilfe für das Ahrtal Chalet wird Herberge für Flutopfer

Straelen/Nerdlen · Als die Familie Leupers aus Straelen erfuhr, dass ihr Mobilheim abgerissen werden muss, fasste sie einen Entschluss: Sie will es nicht verschrotten, sie will es spenden. Jetzt steht es im Ahrtal und leistet wertvolle Hilfe.

 Das Anwesen von Dorothee Becker in Nerdlen in der Eifel mit beiden Chalet-Hälften.

Das Anwesen von Dorothee Becker in Nerdlen in der Eifel mit beiden Chalet-Hälften.

Foto: Marius Althof

Marlene und Ben Leupers aus Straelen hatten viele Jahre ein Chalet auf dem Campingplatz in Maasbree und bekamen eines Tages Bescheid, dass ihr Chalet den Platz räumen müsse. Der Besitzer hatte gewechselt und der neue andere Pläne: Der Platz soll mit neuen, modernen Chalets aufgewertet werden – alle Holzchalets, egal ob alt oder neu, müssen bis zum 2024 weg. Viele Eigentümer haben bisher den Platz gewechselt, und sind samt ihrem Chalet umgezogen, andere wiederum haben es anderweitig verkaufen können. Letzte Alternative: Verschrotten.

Doch das alles kam den Leupers nicht in den Sinn. Sie wollten zwar nicht bleiben, wollten das Chalet aber auch nicht verschrotten. Ihnen kam die Idee, es ins Ahrtal zu spenden, und zwar mitsamt der kompletten Inneneinrichtung.

Das Holzhaus kann nur in zwei Teilen transportiert werden. „Eine gigantische Aktion, das war uns klar! Doch wie umsetzen? Wo anfangen?“ fragten sich die beiden. Marlene Leupers wandte sich an Maria Trösser, die im August bereits den Transport eines Stromaggregats eines Gärtners von Straelen nach Mayschoß organisiert hatte. „Wenn Du schon ‚Aggregat‘ kannst, kannst Du dann auch ‚Chalet‘?“ fragte Marlene Leupers spontan in einer Whatsapp an Maria Trösser.

 Marlene Leupers beim Aufbau des Chalets in Nerdlen. „Es ist ein tolles Gefühl, das zu erleben.“

Marlene Leupers beim Aufbau des Chalets in Nerdlen. „Es ist ein tolles Gefühl, das zu erleben.“

Foto: Marius Althof

Die ließ ihre Kontakte spielen und einige Tage später kam es zu einer Ortsbesichtigung in Maasbree mit den Eheleuten Leupers, Maria Trösser, dem Transporteur Frank Renkes sowie Michael Gellen von Rickes Transport GmbH, der bereits einige Chalets von diesem Campingplatz verfrachtet hatte. Die Leupers waren begeistert: „Da waren die Profis vom Fach mit geballter Kraft vereint.“

„Tue Gutes und rede drüber“: Dieter Könnes, TV-Moderator vom WDR, der mit seinem Kameramann Marius Althof seit August das Thema Flutkatastrophe in den Medien und Facebook aufrecht hält, hat ebenso spontan zugesagt, die komplette Aktion zu begleiten, und zwar vom Abbau in Maasbree Ende Oktober, sowie dem Transport zum Zielort, und dem Aufbau am neun Bestimmungsort.

Ein Plan wurde aufgestellt und eines Samstagmorgens im Oktober ging es an die Arbeit. Das Chalet wurde mittig geteilt, voneinander getrennt, und transportbereit auf zwei Tieflader gezogen. Die offenen Seiten wurden mit Dachlatten und Folie wetterfest für den Transport gemacht, der später erfolgen sollte. Die Arbeiten wurden ehrenamtlich durchgeführt. Der Transport wurde aus den Spendengeldern der von Maria Trösser organisierten Irish Session in Wachtendonk und dem Garagentrödel des Session-Veranstalters Christoph Büskens finanziert.

Doch dann gab es für die Leupers eine Schreckensnachricht: Ein niederländisches Transportunternehmen rief sie an, dass sie vom Campingplatz Maasbree versehentlich ihr Chalet 100 Kilometer entfernt zu einem Campingplatz Nähe Tilburg/NL transportierten. Die Verwechselung fiel auf, als der Empfänger in Tilburg das Chalet entgegennehmen sollte. Es wurde postwendend zurückgebracht, und nachmittags wohlbehalten und unversehrt wieder auf den angestammten „Warteplatz“ in Maasbree abgestellt. Marlene Leupers und Maria Trösser, die gespannt auf den Rücktransport warteten, fielen dann freudestrahlend und erleichternd ein großer Stein vom Herzen: „Ich sehe es noch vor mir, wie das Chalet zurückkam!“ erzählt Marlene heute noch schmunzelnd und lachend zugleich.

Eine Woche später folgte nun der Transport in die richtige Fahrtrichtung Ahrtal. Es handelte sich dabei um einen genehmigungspflichtigen Schwertransport aufgrund Überbreite der Chalet-Teile. An einem Freitagabend um 22 Uhr machte sich dann, wie bereits einmal berichtet, das Chalet mit zwei Schwertransporter der Firma Rickes Transport GmbH sowie den jeweiligen Begleitfahrzeugen und dem Transporteur Markus Venmans MV Altmetalle GbR, der auf seinem LKW weiteres Zubehör des Chalets geladen hatte, auf die Reise ins Ahrtal. Genauer gesagt war das Ziel der kleine Ort Nerdlen in der Eifel, etwa 230 Kilometer entfernt von Maasbre.  Bestimmt war es für Dorothee Becker. Sie begleitet als pädagogische Fachkraft Menschen im Flutgebiet, und hat über das Chalet die Möglichkeit, ihnen eine Bleibe für eine Auszeit geben zu können.

„Das Chalet wird für Betroffenen und Helfer der Flutkatastrophe verwendet“, sagt Dorothee Becker. „Es wird dauerhaft für soziale Nutzungen eingesetzt, sowie ein Platz und Hilfe für Menschen sein, die in Not sind, und zwar begleitet von meiner tiergeschützten Therapie mit Eseln und Gänsen auf meinem Anwesen.“ In Dernau hat sie bereits mit einem Helfer gesprochen, der sich freut, sich als erster in diesem Haus von den Erlebnissen der Katastrophe und dessen Ausmaßen ausruhen zu dürfen.

Andere Länder, andere Auflagen: Es braucht nicht nur einen Kanalanschluss, was das geringste Problem ist, sondern sonstige Genehmigungen, ein Holzhaus aufstellen zu dürfen. Trotz der vielen freiwilligen Helfern, die Dorothee Becker organisiert, kommen neben den Problemen des Aufstellens also noch weitere Stolpersteine hinzu, sodass auch einige Wochen später beide Teile des Hauses noch nicht wieder zusammen montiert sind.

Marlene Leupers, Maria Trösser und Frank Renkes sind mit Dieter Könnes und Marius Althof persönlich vor Ort gewesen, um auch für Marlene Leupers einen positiven Abschluss der ganzen Aktion zu bekommen, die alle bereits seit einigen Wochen mit angenehmer Spannung und Erwartung vereinnahmt hat. Die Reportage vom Dieter Könnes hierüber wurde in der WDR-Servicezeit ausgestrahlt, und ist in der Mediathek des WDR abrufbar.

„Die ganze Aktion hat nicht nur neue Verbindungen zum Ahrtal und der Eifel hergestellt, sondern auch uns Helfer zusammengeschweißt. Es war aufregend und spannend zugleich, und dass es diesen guten Zweck erfüllt, gibt uns allen ein gutes Gefühl für diese ehrenamtlichen Aktion und auch Zusammenhalt“ resümiert Maria Trösser und bestätigt: „Hier mitten in der Natur ist der richtige Ort für die betroffenen Menschen, um zur Ruhe zu kommen, und neue Kraft zu schöpfen“.

Marlene Leupers ist zufrieden: „Mittlerweile ist der Winter in der Eifel eingezogen. Umso mehr wird mir klar, dass das Chalet als Herberge für die Betroffenen und Helfer des Ahrtals die richtige Entscheidung ist. Hier wird es seiner Bestimmung zugeführt. Es ist ein tolles Gefühl, das zu sehen und zu erleben.“

(RP)
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