Gastronomie Wirte sauer auf Wirtschaftsförderer

Rees · Andrea Collins und Ludger Rösen fühlen sich durch die Stadtverwaltung zu unrecht kritisiert und glauben, dass der künftige Pächter am Rheintor bevorzugt werden soll.

Foto: dpa/dpa, bwu jai sab

Konkurrenz scheuen Andrea Collins und Ludger Rösen nicht. Im Gegenteil: „Von Mai bis September bräuchte Rees mindestens zwei zusätzliche Restaurants“, sagen die Chefs der Rheinterrassen Collins und des Rheincafés Rösen. Was beiden gar nicht passt, ist das „zweierlei Maß“, mit dem sich die Stadt Rees einerseits dafür einsetzt, dass endlich ein Pächter für den leerstehenden Restaurant-Neubau am Rheintor gefunden wird, während andererseits der traditionellen Gastronomie „viele Steine“ in den Weg gerollt würden.

Sauer reagierte Ludger Rösen auf den Vorwurf des Wirtschaftsförderers Heinz Streuff, die bestehenden Reeser Restaurants seien nicht in der Lage, Bustouristen mit einem Mittagessen zu versorgen. Nach Streuffs Angaben hat er 2019 durch Gespräche beim Busunternehmertag im Wunderland Kalkar 1600 Tagestouristen in den Sommermonaten nach Rees holen wollen. Doch schon nach einer Woche seien die Busse nach Kalkar und Xanten umgeleitet worden, weil die Tagestouristen in Rees nicht genug Möglichkeiten zum Mittagessen gefunden hätten.

 Andrea Collins.

Andrea Collins.

Foto: Markus van Offern (mvo)

„Als Herr Streuff das im Juli bei einer Veranstaltung des Wirtschaftsforums erzählte, habe ich noch die Faust in der Tasche geballt und die Füße stillgehalten“, sagt Ludger Rösen. Bei einem Pressetermin zur Vermarktung des Neubaus am Rheintor erneuerte Streuff im Dezember seine Kritik, woraufhin Ludger Rösen bei Andrea Collins und auch bei der Rheinischen Post anrief, um „solche geschäftsschädigenden Äußerungen“ nicht unkommentiert zu lassen.

 Ludger Rösen.

Ludger Rösen.

Foto: Michael Scholten

„Ich ärgere mich maßlos über die Arroganz, öffentlich die Gastronomie an den Pranger zu stellen, ohne jemals das Gespräch mit uns gesucht zu haben“, sagt Ludger Rösen. „Ein guter Wirtschaftsförderer, der zu einer Messe fährt und 1600 Touristen in die Stadt holt, sollte doch wohl kurz bei Andrea, bei mir und beim Rheinpark Hotel anrufen und sagen: Ich habe Werbung für Euch gemacht, richtet Euch auf zusätzliche Mittagsgäste ein!“

Diese Anrufe seien aber ausgeblieben, was an den betreffenden Tagen zu einem „vermeidbaren Chaos“ geführt habe. „Ich möchte mal sehen, was bei Herrn Streuff oder bei Herrn Gerwers zu Hause los ist, wenn plötzlich 50 Verwandte ohne Voranmeldung vor der Tür stehen“, sagt Ludger Rösen. Die Reeser Gastronomen betonen: „Wir können einen Mittagstisch anbieten, aber der wird für die Gäste und für uns zum größeren Vergnügen, wenn wir vorher wissen, dass ein Bus kommt.“

Ludger Rösen hat für Busgruppen spezielle Speisekarten, die sich auf fünf Gerichte beschränken. Wenn die Gäste im Idealfall schon vormittags bei der Anreise ihre Auswahl treffen und der Reiseleiter die Wunschgerichte telefonisch durchgibt, würde laut Rösen alles wie am Schnürchen laufen und die Besucher hätten nach dem Essen auch noch Zeit, um in den Reeser Geschäften Geld auszugeben.

Andrea Collins betont: In Xanten würden sich 50 Busgäste problemlos auf mehr zehn Restaurants verteilen, aber solange es in Rees halt nur wenige Restaurants gebe, wobei die Rheinterrassen montags und das Rheincafé donnerstags einen Ruhetag einlegen, müsse ein Wirtschaftsförderer die Situation besser einschätzen und das Gespräch mit der Gastronomie suchen: „Ein Wirtschaftsförderer soll fördern, nicht fordern!“

Andrea Collins und Ludger Rösen wünschen sich, dass ein Pächter für die Gastronomie im Drei-Giebel-Haus am Rheintor gefunden wird, halten es aber für unwahrscheinlich: „Neben der Pacht von mindestens 3.500 Euro im Monat muss er bestimmt noch eine Viertelmillion für die Inneneinrichtung ausgeben“, rechnet Ludger Rösen vor. „Das kann nur ein junger Pächter machen, der noch 40 Jahre Zeit zum Abbezahlen hat. Andererseits will der Investor einen erfahrenen Pächter, aber diese Erfahrung hat man mit Mitte 20 einfach noch nicht.“

Als unfair empfinden die etablierten Gastronomen, dass der erhoffte Pächter am Rheintor mit vielen Sondergenehmigungen der Stadt Rees gelockt werden soll (zum Beispiel pachtfreie Parkplätze am Westring und die pachtfreie Nutzung einer zusätzlichen Außenterrasse auf städtischem Grund), während für die etablierten Gastronomen unverändert hohe Auflagen gelten: Ludger Rösens Antrag, im Sommer zusätzliche Tische außerhalb der Terrasse aufzustellen, wurde abgelehnt. Ein Fahrrad mit Werbeschild für die Rheinterrassen, das Andrea Collins am Fähranleger aufstellte, musste auf Geheiß von Frank Postulart, Leiter der Abteilung öffentliche Ordnung, entfernt werden. Ludger Rösen kämpft mit der Stadt seit Jahren darum, einen Anwohnerparkausweis zu bekommen, der mit dem Hinweis abgelehnt wird, er wohne nicht in Rees. „Ich bin aber 15 Stunden zum Arbeiten hier“, lacht Rösen. Andrea Collins ist durch die Klage eines neuen Nachbarn gezwungen, ab 22 Uhr ihre Außenterrasse zu schließen, ohne dass sie jemals Unterstützung durch die Stadt Rees erfahren hätte: „Andererseits lese ich jetzt, dass der mögliche Pächter am Rheintor die Garantie bekommt, bis 23 Uhr die Außenterrasse nutzen zu dürfen. Mit welchem Maß wird denn nun gemessen?“

Beide Gastronomen unterstreichen, dass sie und die Stadt das gleiche Ziel haben: „Rees für die Bürger und Besucher attraktiv zu machen. Schließlich leben wir davon.“

Aber Sündenböcke für Versäumnisse, die beispielsweise durch mangelnde Kommunikation zustande kommen, wollen Andrea Collins und Ludger Rösen nicht sein. „Wir sind seit Jahrzehnten gesprächsbereit“, sagt Ludger Rösen, „aber in den 25 Jahren, in denen ich den Job mache, war noch nie ein Wirtschaftsförderer bei mir.“

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