Das heimliche Reeser Rathaus Rees feiert eine Institution

REES · Zum 100-jährigen Bestehen des Rheinhotels Dresen lud der Geschichtsverein Ressa in die Fährstube ein. Dabei wurden viele legendäre Anekdoten wiederbelebt, vor allem aber wurde viel gelacht. 200 Gratulanten feierten mit.

 Pächter Ludger Rösen mit Hotel-Besitzerin Magda Dresen und dem Ressa-Vorsitzenden Heinz Wellmann.

Pächter Ludger Rösen mit Hotel-Besitzerin Magda Dresen und dem Ressa-Vorsitzenden Heinz Wellmann.

Foto: Michael Scholten

 „Genau wie früher!“, lautete die einhellige Meinung an diesem feuchtfröhlichen Abend. Ein Vierteljahrhundert nachdem Kultwirt Auwi Dresen (1932-2003) am Rosenmontag 1994 die legendäre Fährstube abschloss, wurde dieses architektonisch-gastronomische Kleinod am Rhein nun einmalig wieder geöffnet. Grund dafür war das 100-jährige Bestehen des Rheinhotels Dresen.

Ludger und Mechthild Rösen, seit 25 Jahren Pächter das Rheincafés Rösen, ließen dem Geschichtsverein Ressa freie Hand bei der Ausrichtung einer ganz besonderen Geburtstagsfeier: Verteilt auf fünf Stunden kamen 200 Gratulanten, um mit gezapftem Bier und kalter Cola zum „Jubiläumspreis von 100 Cent“ anzustoßen, etliche „Weißt Du noch?“-Geschichten auszutauschen und den Ehrengast Magda Dresen hochleben zu lassen. Die Hotelbesitzerin, 1937 in Haldern geboren, hat stolze 62 der 100 Jahre des Rheinhotels Dresen miterlebt und mitbestimmt: deutlich mehr als Wilhelmine Dresen, die 1919 das Rheinhotel von Margarete Sommer kaufte, oder auch Fine Dresen, die das kriegszerstörte Hotel von 1956 bis 1964 wieder aufbaute und bis zu ihrem Tod im Jahr 1973 führte.

 Gut 200 Gäste kamen, um das Jubiläum zu feiern.

Gut 200 Gäste kamen, um das Jubiläum zu feiern.

Foto: Michael Scholten

2018 hatte der Geschichtsverein  die Idee, das Jubiläum mit einer Nostalgie-Party zu feiern, und zwar an jenem Ort, an dem Magda und Auwi Dresen in den 70er und 80er Jahren Stadtgeschichte schrieben und an dem Lokalpolitik betrieben wurde. Galt die Fährstube doch als „heimliches Rathaus“, in dem der Bürgermeister, der Stadtdirektor, die Fraktionsvorsitzenden und natürlich Hobby-Politologe Auwi Dresen weitreichende Entscheidungen trafen.

  Historischer Moment: Kultwirt „Auwi“ Dresen läutete am Rosenmontag 1994 seinen letzten Arbeitstag ein.

Historischer Moment: Kultwirt „Auwi“ Dresen läutete am Rosenmontag 1994 seinen letzten Arbeitstag ein.

Foto: Michael Scholten

Mit Ausnahme von Bürgermeister Christoph Gerwers, der Magda Dresen am Morgen per Brief gratulierte, war auch jetzt halb Rees bei der Feier vertreten: SPD-Bürgermeisterkandidat Bodo Wißen, die Vorsitzenden vieler Vereine, aber auch frühere Stammtische und Stammgäste sowie Magda Dresens Verwandtschaft: Tochter Josie mit Ehemann Theo Lörcks, Sohn Heiner Dresen und auch Enkeltochter Britt, die aus Düsseldorf angereist war. Alle trugen sich ins  Gästebuch ein, das Magda Dresen, neben vielen Blumen, geschenkt bekam.

Der Geschichtsverein überreichte einen Bilderstreifzug durch die Geschichte des Rheinhotels und hatte eine Sonderedition von Bierdeckeln drucken lassen, die als beliebte Andenken in viele Taschen wanderten.

Um 21.15 Uhr besuchte schließlich noch der Kirchenchor die Fährstube und brachte Magda Dresen ein Ständchen. Mit Hinweis darauf, dass er keinen Ärger mit dem Nachtwächter haben wolle, läutete der Ressa-Vorsitzende Heinz Wellmann um 22 Uhr die letzte Runde ein. Nach dem gelungenen Abend wünschten sich viele Besucher, dass die Fährstube künftig ein bis zweimal im Monat öffnet. Andere rechneten in größeren Zeiträumen: „Wir sehen uns zum 200-jährigen Jubiläum wieder...“

Zwar hatte schon das alte Rheinhotel Dresen eine angegliederte Kneipe. Doch die hieß nicht Fährstube, sondern Poststübchen. Als Fine Dresen zu Weihnachten 1956 den Hotelneubau eröffnete, kam sie dem Wunsch vieler Handwerker nach, nicht nur auf gehobene Gastronomie zu setzen, sondern auch eine „Prüttkammer“ einzurichten. „Prütt“ war das selbstironisch verwendete Schimpfwort für einfache Leute. Fine Dresen und ihr Schwiegersohn, der Mehrhooger Architekt Gerd Stevens, bauten die halbrunde Fährstube mit großen Fenstern und gutem Rheinblick neben das eigentliche Hotel.

Bis heute erzählen sich die „alten“ Reeser von unvergesslichen Partys, flotten Sprüchen und haarsträubende Aktionen. Als Geld für eine neue Kirchenorgel in St. Mariä Himmelfahrt fehlte, ließ sich Auwi Dresen eine Glatze schneiden. Jeder, der dafür zahlte, durfte in der Fährstube die Frisur des Hoteliers auslöschen. Dafür wurde sogar ein Friseurstuhl aus Adalbert „Atta“ Schwärs Salon in die Fährstube getragen. Sogar Magda Dresen rasierte mit, verdonnerte den Gatten später aber, eine Kochmütze zu tragen, damit er die Gäste nicht verschreckt.

In der Fährstube belebte Auwi Dresen mit Rolf Albring nicht nur den bis heute aktiven Verkehrs- und Verschönerungsverein wieder, sondern organisierte dort auch mit dem VVV und dem RP-Redakteur Carheinz Tüllmann das bislang größte Fest der Stadtgeschichte, die 750-Jahr-Feier im Jahr 1978.

(Michael Scholten)
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