Emmerich "Jetzt habe ich Bilder im Kopf"

Emmerich · Die Schriftstellerin Aurore Mosnier war vier Tage lang auf Spurensuche am Niederrhein. Der Grund: Im Rhein bei Obermörmter ist vor mehr als 100 Jahren die französische Stilikone Geneviève Lantelme ums Leben gekommen.

 Geneviève Lantelme im Jahrbuch des Kreises Wesel.

Geneviève Lantelme im Jahrbuch des Kreises Wesel.

Foto: Repro

Als am 26. Juli 1911 nachmittags um 16 Uhr im Rhein bei Obermörmter die Leiche einer jungen Frau angespült wurde, ahnte niemand, welche Dimensionen dieser Vorfall annehmen würde. Denn bei der Toten handelte es sich um die Schauspielerin und Kurtisane Geneviève Lantelme, von den Franzosen als eine der schönsten Frauen der "Belle Époque" verehrt. Zwei Tage zuvor war sie von der Yacht ihres Ehemannes verschwunden.

 Der Ort des Geschehens: Vor mehr als 100 Jahren wurde im Rhein bei Obermörmter die Leiche einer jungen Frau angespült. Es handelte sich um Geneviève Lantelme aus Frankreich.

Der Ort des Geschehens: Vor mehr als 100 Jahren wurde im Rhein bei Obermörmter die Leiche einer jungen Frau angespült. Es handelte sich um Geneviève Lantelme aus Frankreich.

Foto: OO

Dass dieser Fall mehr als 100 Jahre später erneut Interesse auslöst, liegt an der französischen Schriftstellerin Aurore Mosnier, die sich schon lange für die schillernden Frauen dieses Zeitalters interessiert. "Eines Tages habe ich eine Ausstellung in einem Museum besucht und dabei ein Foto der 1888 als Mathilde Fossey in Paris geborenen Geneviève Lantelme gesehen und mich nach ihr erkundigt", erinnert sich Mosnier. Vom Kurator der Ausstellung erfuhr sie eine mysteriöse Geschichte über den Tod der Schauspielerin. So wurde etwa das Grab der Stilikone mehrfach geschändet. Von da an war Aurore Mosnier von dem Fall gefangen, hat Pressearchive durchforstet und Lantelmes Leben bis zur Jahrhundertwende zurückverfolgt.

 Aurore Mosnier im Xantener Stadtarchiv.

Aurore Mosnier im Xantener Stadtarchiv.

Foto: Kohl

"Das war relativ einfach. Denn der Tod der beliebten Schauspielerin hatte in unserem Nachbarland einen großen Aufschrei ausgelöst. Die Zeitungen haben den Behörden damals vorgeworfen, untätig zu sein", erzählt Mosnier, die am Niederrhein unterwegs ist, um am Ort des Geschehens ihre Recherchereise abzuschließen. Unterstützt wird sie dabei von dem historisch bewanderten Heimatschriftsteller Michael Lehmann aus Uedem.

Der stellvertretende Chef des Dienstleistungsbetriebes der Stadt Xanten (DBX) verteidigt die französischen Behörden: "Das Verhältnis zwischen beiden Ländern war damals sehr angespannt. Der Tod hat sich auf deutschem Territorium ereignet. Die Franzosen hatten sich entschieden, sich nicht auch noch mit den deutschen Behörden zu verkrachen, zumal der Arzt Spiegelhoff eindeutig einen Ertrinkungstod festgestellt hatte."

Gemeinsam mit Lehmann hat die Schriftstellerin die Nachkommen des Vyneners Hubert van Elsbergen besucht, der damals im Marienbaumer Rathaus die Vermisstenanzeige aufgegeben hatte. Aus Unterlagen des Xantener Stadtarchivs geht hervor, dass Marienbaums Bürgermeister den Fall an die Klever Staatsanwaltschaft weitergeleitet hatte. Dort verliert sich die Spur. "Kleve wurde im Krieg stark zerstört. Möglicherweise ist die Akte auch nicht länger aufbewahrt worden, weil es sich um einen Unfall handelte", mutmaßt Lehmann. Im nächsten Jahr möchte Aurore Mosnier ein Buch über den Fall Geneviève Lantelme schreiben. Seit vier Jahren recherchiert die Schriftstellerin. Obwohl es weder von der im Rhein Ertrunkenen Lantelme noch von ihren Ehemann Alfred Edwards Nachfahren gibt, konnte Mosnier eine "Zeitzeugin" ausfindig machen. "Geneviève Lantelme hatte zwei Schwestern. Ich habe mit einer Dame sprechen können, die mit einer der Schwestern zusammengelebt hat", so Mosnier.

Der Autorin war es wichtig, sich die Unglücksstelle persönlich anzusehen. "Ich hatte eine andere Vorstellung vom Rhein. Ich dachte, man könne da durchschwimmen wie durch die Seine", staunte Mosnier. Ebenso wichtig war es ihr, die Ortschaften Obermörmter, Vynen und Marienbaum kennenzulernen: "Ich habe jetzt Bilder im Kopf, die mir gute Ansätze geben, die Geschichte zu erzählen."

Die Tatsache, dass ihrerLandsleute und auch die französischen Zeitungen damals davon ausgingen, dass die Schauspielerin vom Schiff gestoßen, also ermordet worden war, ist für Aurore Mosnier nebensächlich: "Es gibt Ungereimtheiten wie die verschlossene Kabinentür. Aber das lässt sich nicht mehr ermitteln. Mir geht es darum, den Fall unter einem historischen Blickwinkel zu beschreiben." Die Recherchereise hat sich für sie gelohnt: Jetzt steht noch die Testamentsrecherche in Frankreich an, dann werde ich das Buch schreiben."

(RP)
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