Zehn Jahre SOS Kinderdorf in Düsseldorf-Garath Die Erfolgsgeschichte von SOS in Düsseldorf

Garath · Vor zehn Jahren begann die Arbeit des Vereins in Garath. Es gibt inzwischen zwei Kitas, Hell-Ga, einen Jugendtreff und vieles mehr.

 Im September 2014 wurde die Kita Schatzkiste an der Koblenzer Straße eröffnet. Hier werden 80 Kinder mit verschiedenen kulturellen Hintergründen betreut.

Im September 2014 wurde die Kita Schatzkiste an der Koblenzer Straße eröffnet. Hier werden 80 Kinder mit verschiedenen kulturellen Hintergründen betreut.

Foto: SOS-Kinderdorf e.V/ Mika Volkmann

Als Herbert Stauber im Oktober 2009 sein Büro in Garath an der Matthias-Erzberger-Straße bezog, da hatte er vier Mitarbeiterinnen – alle in Halbtag-Jobs. Heute, zehn Jahre später, kann der Chef von SOS-Kinderdorf Düsseldorf auf mehr als 160 Mitarbeiter und mehr als 60 Ehrenamtliche zurückgreifen. Sein Büro ist immer noch an derselben Stelle, wenn auch renoviert und etwas größer. Rundhe­rum ist ein kleines SOS-Dorf entstanden mit zahlreichen Angeboten. Und es geht weiter. Gleich auf der anderen Straßenseite befindet sich die Großbaustelle für das lange geplante SOS-Kinderdorfzentrum, das 2020 fertig werden soll.

Als Stauber nach Düsseldorf kam, wusste er nicht so richtig, wo es ihn hinverschlug. Nach dem Studium der Pädagogik und Psychologie begann der passionierte Sportler, der bis zu seinem Karriereende 2003 bei TuSEM Essen Handball gespielt hatte, bei SOS-Kinderdorf in Kleve zu arbeiten. Von dort schickte man ihn nach Düsseldorf. Anfang September 2009 kam er beim Paritätischen Wohlfahrtsverband am Ernst-Abbe-Weg in Wersten unter. „Dort hatte ich ein kleines Büro, bis klar war, wie es weitergeht.“

Das war schon vier Wochen später der Fall. Im Zusammenspiel mit Jugendamtsleiter Johannes Horn und dem damaligen Dezernenten und heutigen Stadtdirektor Burkard Hintzsche zog es ihn nach Garath. Dort übernahm SOS am 1. Januar 2010 von der Stadt die Trägerschaft über das Jugendzentrum an der Frankfurter Straße. Der Grundstein war gelegt, zumal das Jugendzentrum nur einen Steinwurf entfernt von Staubers Büro lag und er nur die Frankfurter Straße überqueren musste.

Was sich dann entwickelte, ist eine Erfolgsgeschichte mit zahlreichen Projekten und Anlaufstellen. Die Liste ist lang. „Unsere sozialraumorientierte Einrichtung hat sich mit der Zeit stetig vergrößert und immer wieder neue, gut besuchte Angebote hervorgebracht“, sagt Stauber nicht ohne Stolz. Dabei ging allerdings nicht immer alles glatt. SOS musste sich im Düsseldorfer Süden erst einmal einen Namen machen.

 Anfang April wurde an der Matthias-Erzberger-Straße der Grundstein für das neue SOS-Kinderdorfzentrum unter anderem mit Oberbürgermeister Thomas Geisel gelegt.

Anfang April wurde an der Matthias-Erzberger-Straße der Grundstein für das neue SOS-Kinderdorfzentrum unter anderem mit Oberbürgermeister Thomas Geisel gelegt.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Zunächst gab es den Stadtteiltreff und die ambulante Familienhilfe in der kleinen Fußgängerzone an der Matthias-Erzberger-Straße in Garath Süd-Ost. Die Räumlichkeiten waren durch die Schlecker-Pleite frei geworden, SOS mietete sie an und vergrößerte sich wenig später, weil in dem Einkaufszentrum auch der Second-Hand-Laden aufgab. Dort entstand der Treffpunkt für die Spielgruppe.

Den Unmut zahlreicher Eltern, der Gewerkschaft und städtischer Angestellter und mancher Kommunalpolitiker zog sich SOS-Kinderdorf zu, als es den städtischen Kindergarten an der Friedrich-Goerdeler-Straße übernahm. Das war 2013. Doch letztendlich überzeugte das Konzept, und unter Leitung von Erzieherin Birgit Krümel und einem Dutzend Erzieherinnen besuchen heute 75 Kinder die Kita.

 SOS-Kinderdorf baut an der Matthias-Erzberger-Straße in Garath das neue Kinderdorfzentrum.

SOS-Kinderdorf baut an der Matthias-Erzberger-Straße in Garath das neue Kinderdorfzentrum.

Foto: SOS

Eine zweite Kita wurde in Rekordzeit gebaut. Die Kita Schatzkiste an der Koblenzer Straße. Auch hier sind rund 80 Kinder untergebracht. Dass sie in Containern spielen und ihren Spaß haben, sieht man dem Gebäude, das im Herbst 2014 Eröffnung feierte, nicht an. Die Kita mit ihren Luxuscontainern in Modulbauweise ist an dieser Stelle nur provisorisch untergebracht. Wenn das in Bau befindliche Zentrum fertig ist, zieht auch die Einrichtung um. Die städtische Kita an der Matthias-Erzberger-Straße wiederum zieht dann an die Koblenzer Straße.

Überhaupt das Zentrum  – lange geplant und immer wieder diskutiert, wird nun an einer ganz anderen Stelle errichtet, als einst angedacht. Aus heutiger Sicht könnte man sagen, an eine viel bessere Stelle, denn dadurch ist (fast) alles, was das Angebot von SOS betrifft, an einem Ort.

Über den ganzen Ärger, den es vorher gab, möchte Herbert Stauber gar nicht reden. Das sei erledigt, und er betont, ein sehr gutes Verhältnis zur Caritas zu haben. Die errichtet ihr neues Altenheim aktuell an der Stelle in Süd-West, wo eigentlich SOS sein Zentrum bauen wollte: Auf dem Gelände der ehemaligen Hoffnungskirche an der Ricarda-Huch-Straße. Immer wieder gab es Verhandlungen mit dem Eigentümer des Grundstücks, der evangelischen Kirchengemeinde Garath. Lange kämpfte Sauber darum, für SOS das Gelände der Hoffnungskirche kaufen zu können. Gemeinsam mit dem Mehrgenerationenhaus Hell-Ga, das dort untergebracht war und noch einen längerfristigen Mietvertrag hatte, wollte er dort bauen. Es gab schon ein Modell, doch das durfte Stauber nie dem Presbyterium vorstellen. Der Zuschlag ging bekanntlich an die Caritas.

 Herbert Stauber, Chef von SOS in Düsseldorf

Herbert Stauber, Chef von SOS in Düsseldorf

Foto: SOS-Kinderdorf e.V/ Mika Volkmann

SOS und Hell-Ga rückten durch den Prozess näher zusammen. Und letztendlich übernahm SOS das Mehrgenerationenhaus, sodass Stauber mehr Angestellte als vorher hatte, die jetzt alle für SOS arbeiten. Und der Verein suchte weiter händeringend nach einem geeigneten Grundstück.

Da das Glück den Tüchtigen gehört, gab es gleich zwei Zufälle, die Stauber in die Hände spielten. Die Grünfläche auf der gegenüberliegenden Seite der Matthias-Erzberger-Straße stand seitens der Stadt zur Verfügung. Vor vier Jahren konnte Stauber seine Pläne erstmals vorstellen, und da waren alle der Überzeugung, dass das neue Grundstück für seine Zwecke viel besser passt. In Garath Süd-Ost ist jetzt alles eng beieinander. Und wie es der Zufall wollte, machte SPD-Ratsfrau Ursula Holtmann-Schnieder SOS zum gleichen Zeitpunkt auf das Grundstück der katholischen Kirchengemeinde an der Carl-Severing-Straße aufmerksam. Die leer stehende Kirche wird nur am Wochenende von der „Freien Christengemeinde Fountain Gate“ genutzt. In der Kirche findet bis zur Fertigstellung des Neubaus das Angebot von Hell-Ga statt. Und gleich um die Ecke steht die Küche an der Matthias-Erzberger-Straße in den Räumen der ehemaligen Bäckerei Paas. Anders als in anderen Vierteln Garaths gibt es in Süd-Ost keinen Leerstand. SOS ist immer bereit, anzumieten und ein neues Angebot zu entwickeln.

Dazu gehören auch die Kinderdorffamilien in Garath. Das erste Reihenhaus wurde 2015 eröffnet. Dort lebt eine Kinderdorfmutter mit fünf Kindern. „In den bald fünf Jahren haben die Kinder ihr Haus und ihr Düsseldorfer Kinderdorf erobert und mitgestaltet. Im Garather Fußballverein wird nachmittags gekickt, der nahe liegende Reiterhof wird gern besucht, und in den Sommerferien geht es mit der Kinderdorfmutter und Erzieherinnen ans Meer“, berichtet Stauber. Zwei weitere Häuser existieren inzwischen, und auf dem Grundstück Carl-Severing-Straße wird fleißig an noch zwei Häusern gebaut. Die Bewohner stehen zwar noch nicht fest, wohl aber die künftigen Mütter, die derzeit ihre Kinderdorfmutter-Ausbildung in Kleve absolvieren.

Im Familienzentrum gibt es für alles einen Ansprechpartner. Hilfe wird bei SOS großgeschrieben. Als 2015 händeringend nach einer Unterbringung für minderjährige Flüchtlinge gesucht wurde, gab es eine Krisensitzung mit allen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe in Düsseldorf. „Auch wir als SOS-Kinderdorf Düsseldorf sahen uns in der Verantwortung“, sagt Stauber, und schon auf dem Rückweg hatte er eine Idee: Die kleine Turnhalle des SOS-Jugendtreffs an der Frankfurter Straße sollte für geflüchtete Jugendliche hergerichtet werden. Für die Umsetzung blieben gerade einmal zwei Wochen. Dann kamen auch schon acht afghanische Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren, stürmten in die Halle und belegten sogleich die Schlafplätze, während der reguläre Betrieb weiterlief. Über neun Monate hat SOS mit den Jugendlichen die Zeit in der Halle gut gemeistert. Im Anschluss daran wurde das Angebot des SOS-Verselbstständigungswohnens sowie das Angebot einer SOS-Jugendwohngruppe ins Leben gerufen, die erfolgreich weitergehen. Stauber ist stolz, dass alle 14 jugendliche Flüchtlinge inzwischen einen Schulabschluss haben, sich in der Ausbildung befinden oder eine abgeschlossen haben. Stolz sei er auch auf seine Mitarbeiter, die sich der großen Herausforderung angenommen haben, sagt er.

Und dies inzwischen nicht nur in Düsseldorf, sondern auch in Essen, der Heimatstadt Staubers, in der er immer noch als Sportlicher Leiter des TuSEM aktiv ist. SOS betreut in der Stadt unter seiner Leitung junge Flüchtlinge. 47 Mitarbeiter hat Stauber dort beschäftigt. Und auch in Garath geht es weiter. Allmählich wächst der Bau des neuen Zentrums, der eine Vielzahl neuer Angebote für Menschen jeden Alters bieten soll. Dazu gehört sowohl eine Kindertagesstätte mit Betreuungsmöglichkeiten für 80 Kinder als auch ein Pädagogisches Zentrum mit Beratungs- und Informationsangeboten rund um Familie und Erziehung. Auch das Mehrgenerationenhaus Hell-Ga wird dort wieder einen festen Platz haben mit einem Café und einem täglichen Mittagstisch, an dem wie bisher alle Generationen willkommen sein werden. Zudem werden die neuen hellen Räumlichkeiten mehr Platz bieten für Angebote wie die Krabbel- und Spielgruppen, Yoga für Schwangere, Senioren-Nachmittage und auch die vielen Angebote für Kinder, wie die Koch- und Kreativkurse.

Damit wird der Stadtteil Süd-Ost belebt. Abgeschlossen ist die Entwicklung des Vereins in Garath damit nicht. „Wir entwickeln uns weiter“, sagt Stauber. Es gebe unvorhersehbare Dinge, wo man helfen müsste, wie bei der Flüchtlingsfrage. Ihm liegt die Hebammen-Arbeit am Herzen, die er intensivieren möchte, wie auch die Reittherapie.

Sicherlich, sagt der Gefühlsmensch Stauber, es gebe immer wieder Schicksale, die einem besonders nahegingen, vor allem die von Kleinstkindern. Er denkt dabei an die Kinder mit einem harten Schicksal, die in einem SOS-Kinderdorf ein neues Zuhause gefunden haben. Doch dann wird Stauber wieder sachlich. In solchen Fällen müsse man die professionelle Brille aufsetzen und mit Menschenverstand und Fachkenntnis agieren. Das macht Herbert Stauber in Garath seit zehn Jahren – mit Erfolg.

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