Interview Thomas Jablonka Er freut sich über jeden Kirchgänger

Benrath · An Weihnachten spricht der Pfarrer von St. Cäcilia über Weihnachtslieder und Kirchen, die plötzlich voll sind.

 Priester Thomas Jablonka hat seine Weihnachtspredigt geschrieben, als er kürzlich krank im Bett lag.

Priester Thomas Jablonka hat seine Weihnachtspredigt geschrieben, als er kürzlich krank im Bett lag.

Foto: Anne Orthen (ort)

Seit einem Jahr ist Thomas Jablonka als Pfarrer im Pfarrverband Benrath Urdenbach. Er hat sich gut im Düsseldorfer Süden eingelebt, und während direkt vor dem Fenster seines Büros im Benrather Pfarrhaus das Kinderkarussell des Weihnachtsdörfchens seine Runden dreht, bereitet sich der 53-jährige Priester auf das Fest vor, das für ihn in vielen Aspekten anders verläuft als für andere Menschen – und in manchen auch genau so.

Herr Jablonka, schön, dass Sie sich die Zeit für ein Gespräch genommen haben. Viele freie Termine haben Sie in der Vorweihnachtszeit wahrscheinlich nicht, oder?

Jablonka Eigentlich sollte der Advent ja eine stille Zeit sein, eine Zeit der Vorbereitung auf Weihnachten, eine Zeit der Einkehr. In der Realität sieht das oft anders aus: Ich habe seit Christkönig ein Karussell vor dem Büro stehen, höre ständig „In der Weihnachtsbäckerei“. Manchmal läuft auch „Macarena“. Mit dieser Spannung lebt man als Priester, denn zu all den Vorbereitungen, die andere Menschen in diesen Tagen haben, muss ich ja – mit Unterstützung der Gemeinde – daran mithelfen, dass alles läuft. Das fing mit dem Aufstellen der Krippe an und endet mit der Vorbereitung der Weihnachtspredigt.

Wie weit sind Sie damit?

Jablonka Ich bin fertig! Das liegt aber auch daran, dass ich Anfang Dezember mit einer schweren Erkältung flach lag und irgendwann keine Lust mehr aufs Fernsehen hatte. Viele Kollegen schreiben die Weihnachtspredigt schon in den Sommerferien, aber das kann ich nicht. Ich ändere meist am 23. Dezember noch einiges – oder sogar im Verlauf der Messe.

Sie sind seit 27 Jahren Priester. 27 Weihnachtspredigten – fällt einem da immer noch etwas Neues ein?

Jablonka Zugegebenermaßen ist es ja vom Grundsatz her oft nichts Neues. Die Botschaft lautet: Gott wird Mensch, er tut es aus Liebe und stattet uns dadurch mit einer großen Würde aus. Das ist das Gerüst, und darauf baue ich auf, indem ich Beobachtungen aus dem Alltag oder meiner Lektüre einbringe.

Was wären das zum Beispiel für Beobachtungen?

Jablonka Vielleicht ein etwas extremes Beispiel: Ich habe in der Bahn eine Frau getroffen, die ein Kind mit Down-Syndrom hat. Eine andere Dame hat gesagt: „So etwas ist ja heute nicht mehr nötig.“ Das hat mich schockiert, denn das Leben ist ja ein Geschenk Gottes, und jeder Mensch hat durch Gottes Menschwerdung eine Würde. Somit hat das ganze Thema der Pränataldiagnostik etwas mit Weihnachten zu tun. Im Laufe des Jahres passieren mir immer wieder solche Dinge, die dann Stoff für meine Predigten werden. Es gibt auch Vorlagen, aber die benutze ich nicht. Vor allem zu Weihnachten gibt man sich natürlich Mühe, eine spannende Predigt zu schreiben. Es sind ja auch deutlich mehr Menschen in der Kirche als sonst.

Wenn Sie an Heiligabend vor einer vollen Kirche stehen, wo sonst viel weniger Menschen sitzen – wie fühlt sich das an?

Jablonka Ja, die U-Boot-Christen, die ein- oder zweimal im Jahr auftauchen, sind ein Thema. Manch ein Priester – und auch einige regelmäßige Kirchgänger – sind frustriert, wenn es an Weihnachten plötzlich brechend voll wird, und sogar die Plätze auf einmal knapp werden. Aber ich freue mich über jeden, der den Weg in meinen Gottesdienst findet. Und ich frage mich, wie man sie erreichen kann. Wie kann ich diesem Menschen, der vermutlich im Alltag kaum etwas mit der Kirche zu tun hat, von Gott erzählen?

Wie geht so etwas?

Jablonka Tja, ein Patentrezept gibt es nicht. Ich würde sagen, es liegt nicht allein an der Predigt. Die Kirche sollte nicht die großen Töne spucken, nicht zu belehrend oder ermahnend auftreten. Das Gesamtkonzept muss stimmen: die Musik, die Raumgestaltung, auch der Geruch... Gehen Sie um Weihnachten mal in den Innenraum von St. Cäcilia, da riecht es wunderbar nach Tannengrün. Richtig schön festlich.

Ein häufiges Thema in Weihnachtspredigten ist ja auch, dass das Fest mehr sein sollte als purer Konsum. Trotzdem müssen auch Sie Geschenke für ihre Familie und Freunde kaufen, oder?

Jablonka Natürlich kaufe ich Weihnachtsgeschenke, und ich sehe da auch gar keinen Widerspruch. Man muss im Weihnachtsgeschäft einfach ein wenig darauf achten, dass man schenkt, um anderen Menschen eine Freude zu machen, und nicht um des Schenkens willen. Ich persönlich genieße zum Beispiel auch die Stimmung auf dem Weihnachtsmarkt, gehe gern mit Freunden und Kollegen einen Glühwein trinken. Aber da ich das Benrather Weihnachtsdörfchen ja direkt vor der Tür habe, bin ich inzwischen ein wenig übersättigt, was Weihnachtsmusik und den Duft von gebrannten Mandeln angeht.

Ärgert es Sie eigentlich, dass Sie an Weihnachten immer arbeiten müssen, während andere in den Urlaub fahren?

Jablonka Interessanter Gedanke, so habe ich das noch nie gesehen. Aber nein, es ärgert mich nicht. Ich bin Priester, die Feier der Heiligen Messe ist Teil meines Lebens. Für mich ist das nicht wirklich Arbeit. Ich würde mich nicht gut fühlen, wenn ich über die Feiertage nicht bei meiner Gemeinde wäre. Allerdings liegt Weihnachten dieses Jahr sehr ungünstig, so dass ich vom 24. Dezember bis zum 1. Januar quasi keinen Tag frei habe. Nach den Feiertagen packt mich dann aber doch meist das Fernweh, und spätestens zu Heilig Dreikönig bin ich in Südtirol.

Wie werden Sie – abgesehen von den Messen – das Weihnachtsfest verbringen?

Jablonka Recht unspektakulär eigentlich. Meine Mutter kommt zu Besuch nach Benrath, es gibt Sauerbraten, mein Lieblingsessen. Zu lang sollte der Heiligabend bei mir auch nicht werden, am nächsten Morgen ist ja wieder Messe. Am ersten Weihnachtstag lade ich jedes Jahr ein paar ehemalige Kapläne zum Mittagessen ein, das wird auch diesmal so sein.

Das klingt entspannt.

Jablonka Ich glaube, viele Leute machen sich zu viel Stress, um Weihnachten für alle perfekt zu machen. Das muss nicht sein. Ich bin nach der arbeitsamen Adventszeit froh, wenn ich ein bisschen Pause zwischen den Gottesdiensten habe. Man sagt ja oft, Priester sind einsam, aber manchmal bin ich auch sehr gern allein. Es tut mir gut, an den Weihnachtstagen auch mal allein am Baum zu sitzen und ein gutes Buch zu lesen, das ich hoffentlich geschenkt bekommen habe.

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