Umgang mit Fleisch- und Alkoholverboten Wie Rheinländer Verzicht üben

Meinung | Düsseldorf · Für rheinische Schmecklecker droht der Januar zu einem Monat des Verzichts zu werden: Nach dem trockenen Januar kommt nun der Veganuary dazu. Manchmal braucht es ­­kreative Strategien im ­­Umgang mit Abstinenz.

(Symbolbild)

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Foto: picture alliance / JOKER/Marcus Gloger

Für rheinische Schmecklecker droht der Januar zu einem Monat des Verzichts zu werden. In angesagten Kreisen in Düsseldorf, Köln und wo sonst trendig gelebt wird, verkünden überzeugte Jüngerinnen und Jünger, was Freunde von Flönz und halve Hahn, von Hämchen (Eisbein) und Ähzezupp erschaudern lässt: Veganuary ist die Kurzformel für vegane Kost im Januar. Nach dem trockenen Januar (schon vor Jahren als Abstinenzmonat ausgerufen) ist jetzt der komplette Speiseplan in Gefahr. Dass ausgerechnet Konrad Adenauer den Trend begünstigt hat, ist kaum bekannt. Die von ihm in Notzeiten erfundene Sojawurst kann als erste Veggiewurst überhaupt bezeichnet werden. Im Gegensatz zu seinem Kölner Notbrot, rheinisches Schwarzbrot auf Maisbasis, soll die Wurst recht schmackhaft gewesen sein.

Der Rheinländer war immer schon geschickt, wenn es darum ging, in knappen Zeiten was Vernünftiges auf den Tisch zu bekommen. So setzte uns meine Oma gern den falschen Hasen oder das falsche Kotelett vor. Beide Speisen hatten mit dem Original nichts gemein, schmeckten aber: Hackbraten und Bauchspeck waren die Grundlage. Wenn es etwas zu feiern gab, setzte Oma auf echten Bohnenkaffee und gute Butter. Ansonsten gab es bei uns zu Hause meist Muckefuck (Malzkaffee). Aufs Brot kam morgens Klätschkies mit Kruut (Quark mit Rübenkraut). Darauf wollte mein Vater bis ins hohe Alter nicht verzichten. Das war günstig, lecker – und offenbar gesund.

Den Veganern wird der Quark nicht schmecken. Und noch weniger gutheißen werden die Kostverächter die frische Suppe, die meine Herzallerliebste nach dem Rezept ihrer bergischen Großmutter mit Rindfleisch kocht. Wie hieß es früher: Da müssen die Fettaugen drauf schwimmen.

Bevor aber gegessen wurde, stand das Tischgebet an. Ein 90-Jähriger hat mir jetzt verraten, wie sein Vater zu Mittag im Schnellgang betete, damit die große Familie zugreifen konnte: „Lieber Gott, lass deinen Segen / über diesen Tisch hier fegen.“ In diesem Sinne: Joode Honger. Oder: Honger es ne joode Appetit.

Unser Autor ist stellvertretender Chefredakteur. Er wechselt sich hier mit Politikredakteurin Dorothee Krings ab.

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