Rheinische Lösung Woran Familien erinnern

Meinung | Düsseldorf · Auch Verwandtschaftskreise pflegen ihre eigenen Gedenktage. Selbst eine Beerdigung kann den Anlass geben – wenn das Leben der Verstorbenen genug nachdenkenswerte Anekdoten bereithält.

 Symbolfoto.

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Foto: dpa/Matthias Bein

Viele Zeitgenossen, nicht nur Rheinländer, haben eigene Gedenktage. In unserer Familie ist Silvester eng mit der Erinnerung an Tante Nini verbunden. Sie wurde an einem 31. Dezember bei Eis und Schnee in der Eifel zu Grabe getragen. Ein bisschen pietätlos kommentierte Onkel Karl die Tatsache, dass das ausgehobene Grab voll Wasser gelaufen war: „Jetzt lernt Nini auf der alte Daach noch schwemme.“

Beim Beerdigungskaffee kam alles „auf den Tisch“, was die große Familie über die liebe Tante (eine Schwester meiner Großmutter) wusste. Sie stammte aus Mönchengladbach-Lürrip, hatte dort lange eine kleine Näherei geführt und die Orgel in der Kirche gespielt. Wer sie in ihrem Altersdomizil in Kommern besuchte, erlebte eine putzmuntere Frau, die am Klavier sang: „Ich bin das Fräulein von Falkenstein.“ Scherzend griff sie damit den angeblich adeligen Familienstammbaum auf. Jeglicher Dönk (rheinisch für Dünkel) ging ihr jedoch ab. Tante Gretchen aber, die bei und von ihr lebte, achtete sehr auf Etikette und die Finanzen. Denn Nini war großzügig, und Gretchen dachte selbst beim Leichenschmaus ans Erbe. Dabei wurde gerade erörtert, was der Jupp (einst als Waise von der Familie nach dem Motto aufgenommen: Wo zehn satt werden, reicht es auch für elf) wieder ausgeheckt hatte. Jupp glaubte, ein Familienschloss entdeckt zu haben, das mangels bekannter Erben an den Staat gefallen war. Auf den Nachlass war er erpicht, wollte aber das Vermögen der Kommunistischen Partei spenden. Die Familie amüsierte sich. Es war eine „schöne“ rheinische Beerdigung. Irgendwann saß ich mit einem jungen Richter aus Bochum zusammen. Er berichtete, jüngst einen Räuber verurteilt zu haben, der in Korschenbroich einen Juwelier überfallen hatte. Mein Zeitungsbericht („Mit Fleischermesser auf Verfolgungsjagd“) lag in der Akte.

Zu Silvester widme ich Tante Nini ein Prösterchen. In dem Tag liegt immer, nicht nur einst für die liebe Tante, ein Anfang und ein Ende. Wie sagte sie, wenn sie dem kleinen Horst etwas in die Hand drückte: „Steck weg, bevor Gretchen was merkt.“

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