Rheinische Lösung Gleichmut und Klagekunst im Rheinland

Meinung · Rheinländer klagen gern – und gerade auch oft berechtigt. Doch besitzen sie zugleich eine große Stärke: das Talent zur Zuversicht.

Der Kanzler, ausgestattet mit hanseatischem Gleichmut, verspricht, dass wir wohl durch den Winter kommen (Symbolbild).

Der Kanzler, ausgestattet mit hanseatischem Gleichmut, verspricht, dass wir wohl durch den Winter kommen (Symbolbild).

Foto: dpa/Michael Kappeler

Jetzt hat selbst Olaf Scholz erkannt, wie rheinische Zuversicht geht. Des Kanzlers Erklärungen zur Krise klingen fast so, als hätte sie Armin Laschet formuliert. Tenor: Et hätt noch emmer jood jejange. Der Kanzler, ausgestattet mit hanseatischem Gleichmut, verspricht, dass wir wohl durch den Winter kommen. In Düsseldorf sagt man dazu: „Öchel dich net, et jeht schon joot.“ Bloß nicht zuviel Sorgen machen. Das kommt nicht überall an, denn die Abteilung Zank und Striet, Palaver und Jedöns, an jedem Tresen und in mancher Talkshow anzutreffen, kann de Schnüss net halte. So bekommt Scholz contra, nicht nur von Merz. Überall da, wo Menschen zusammen kommen, zunächst freundlich „Tach zusammen“ oder „Tachestiet“ sagen, wird gekühmt. Das rheinische Klagen, kühmen genannt, braucht keinen Anlass, ist nicht immer begründet, erfährt aber derzeit höchste Aufmerksamkeit. Und tatsächlich haben fast alle Grund, sich zu sorgen. Die Bäcker, denen das Feuer im Ofen auszugehen droht, knöttere, die Bauern kühme aus Tradition und durchaus berechtigt, und jeder, der auf die künftige Gasrechnung schielt, ist am Schänge (schimpft lauthals). Da kommen Zwischenrufe, die zur Zurückhaltung mahnen, nur bedingt an: Hör die Schängerei op. Volkswirtschaftliche Erklärungsversuche, wie von Robert Habeck in einer Fernsehrunde vorgetragen, werden – weil zu kurz gesprochen, um verständlich zu sein – als Blamahsch wahrgenommen. Und mittlerweile gibt es einen fast schon rheinischen Wettbewerb, wer seine Sorgen am besten artikulieren kann. Da kühmt mancher wie ein Fuhrmannspferd (den Zugpferden ging es vormals wirklich schlecht), da schängt manche wie eine Rohrspatz (und die Mösche machen richtig Radau). Trotz aller Unsicherheit aber bleibt eine Erkenntnis, die als Kölner Redensart überliefert ist: De Minsche wääde selde hundert Johr, ävver se maache sich Sorge för dausend.“ Da kann man nur schwer hoffen, dass Olaf Scholz eine andere rheinische Lebensregel kennt und umsetzt: Kütse övver der Hongk, kütse övver der Stätz. Das eine Tun bedingt das andere. Angela Merkel hätte gesagt: Wir schaffen das.

Unser Autor ist stellvertretender Chefredakteur. Er wechselt sich hier mit Politikredakteurin Dorothee Krings ab.

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