Internationale Orchester in Düsseldorf In der Tonhalle fällt der Brexit aus

Düsseldorf · Gleich vier Spitzenorchester aus England werden in der kommenden Saison bei den Heinersdorff-Konzerten in der Tonhalle zu hören sein. Auch das Angebot an renommierten Pianisten ist groß.

 Simon Rattle am Pult des London Symphony Orchestra. 

Simon Rattle am Pult des London Symphony Orchestra. 

Foto: Sebastian Madej /Hff

Boris Johnson kann uns so viel erzählen, wie er will – bei den englischen Orchestern herrscht eine große Sehnsucht, aufs europäische Festland zu kommen und den Brexit am liebsten zu stornieren. Das kann kaum besser dokumentiert werden als durch das Konzertprogramm der Heinersdorff-Konzerte in der kommenden Saison.

Gleich vier Londoner Orchester werden in der Spielzeit 2021/2022 im Mendelssohn-Saal der Tonhalle zu erleben sein, das hat es in der Erinnerung langjähriger Düsseldorfer Konzertgänger in früheren Zeiten nur selten gegeben. Tatsächlich kommt man sogar ins Schwärmen: Das London Symphony Orchestra, zweifellos der Edelste unter den britischen Klangkörpern, reist unter seinem Chefdirigenten Simon Rattle an, der seinerseits den Brexit offenbar so leid ist, dass er ja künftig das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks übernehmen wird. Am 11. Januar wird die Edelformation nach Düsseldorf anreisen.

Und dann trifft es sich vorzüglich, dass die drei anderen Londoner Orchester mit zwei großartigen deutschen Geigerinnen antreten werden. Das Royal Philharmonic Orchestra London kommt mit Anne-Sophie Mutter, das London Philharmonic Orchestra sowie die Academy of St. Martin in the Fields mit der nicht minder bravourösen Julia Fischer.

Unter der Bedingung, dass das Reisen zu Corona-Zeiten nicht durch neue Mutanten und Restriktionen wieder unmöglich wird, wird auch über die Londoner Präsenz in Düsseldorf hinaus ein munteres und hochrangiges Wechselspiel großer internationaler Orchester herrschen. Das Publikum ist offenbar in hohem Maße bereit dazu. Burkhard Glashoff, Geschäftsführer der Heinersdorff-Konzerte, leitet auch eigene Konzertreihen in der Hamburger Elbphilharmonie, und dort macht er derzeit die Erfahrung, „dass die Leute mir die Bude einrennen, weil sie endlich wieder Lust auf Live-Konzerte haben“. Streaming sei gut und schön, „doch das unmittelbare Erlebnis vermissen viele Menschen offenbar elementar“. Das werde sich zweifellos auch in den Düsseldorfer Tonhallen-Konzerten zeigen. „Vor allem die großen Orchester verkaufen sich so gut wie nie.“

Nun denn, unter den Gastorchestern sind in den drei bewährten Heinersdorff-Reihen einige von hohem Rang und Glanz: etwa das Orchestre de Paris, das Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia aus Rom (das den Weltklasse-Pianisten Daniil Trifonov mitbringt), die Bamberger Symphoniker (die der Pianistin Hélène Grimaud assistieren), das Russische Nationalorchester, die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen (die Paavo Järvi zu einem Luxusinstrument geformt hat) oder das Bruckner-Orchester Linz.

Im Fach Klavier sind die Heinersdorff-Konzerte traditionell bei den Arrivierten und den Angesagten unterwegs, wie man auch hier sieht. Aber die Reihe geht noch weiter, denn es kommen außerdem Igor Levit, Khatia Buniatishvili, Grigory Sokolov, Rudolf Buchbinder, Jan Lisiecki, Francesco Tristano und Vikingur Ólafsson. Sie treten teilweise auch in der beliebten Reihe „Piano solo“ auf.

Die Heinersdorff-Konzerte beginnen am 30. Oktober, noch viel Zeit bis dahin. Verkürzt wird sie auf elegante Weise durch einen neuen Blog auf der Website, in dem die Künstler ihrem Publikum gleichsam das Warten versüßen. So verrät Anne-Sophie Mutter mit ganz einfachen, aber sehr sinnigen und einleuchtenden Worten, wie sehr sie sich „auf eine musikalische Umarmung freut, die nicht aus der Konserve stammt“. Und Klavier-Altmeister Rudolf Buchbinder, der auf seinem kurzen Youtube-Video vor seiner faszinierend systematischen und aufgeräumten Notenbibliothek sitzt, spricht von „unermesslicher Vorfreude auf sein Düsseldorfer Publikum“.

Möglicherweise werden wir alle den Schatz von Live-Musik in Zukunft um so intensiver spüren und schätzen lernen. Die Heinersdorff-Konzerte, so liest sich jedenfalls das Programm, können hierbei ein prachtvoller Beitrag sein. Der Beginn des Vorverkaufs wird im Internet angekündigt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort