Ab Freitag als Stream So gut ist Disneys „Mulan“ wirklich

Düsseldorf · An diesem Freitag startet die Realverfilmung des Trickfilmklassikers „Mulan“ – allerdings nicht im Kino, sondern bei Disney+. Wir verraten, was von dem bildgewaltigen Epos zu halten ist, und wieso die 200-Millionen-Dollar Produktion die Kinowelt verändern könnte.

 Liu Yifei in der Titelrolle als Mulan.

Liu Yifei in der Titelrolle als Mulan.

Foto: AP/Jasin Boland

Ach, diese Mulan ist ziemlich toll, ganz am Anfang schon, da jagt sie einem Huhn hinterher. „Lass mal“, sagt der Vater, als Mulan das Tier nicht sofort einfängt, aber sie macht trotzdem weiter, klettert auf ein Dach, stürzt fast ab und rettet sich gerade noch mit einer geschickten und ziemlich virtuosen Luftnummer. Der Vater schüttelt über das wilde, selbstbewusste und unangepasste Mädchen den Kopf, aber heimlich findet er es natürlich super. Nur die Mutter ist strenger. Sie mahnt: „Vergiss nicht, Mulan ist nicht dein Sohn, sondern deine Tochter. Sie muss doch einen guten Ehemann finden!“

„Mulan“ ist die Realverfilmung des Stoffes, den Disney+ bereits 1998 als Animationsfilm in die Kinos brachte. Die Hunnen greifen an, so geht die Geschichte, und der Kaiser von China bittet jede Familie um ein männliches Mitglied, damit die Feinde zurückgeschlagen werden können. Und weil ihr Vater zwar ein Kämpfer, aber gesundheitlich angeschlagen ist, zieht die älteste Tochter Mulan auf eigene Faust als Junge verkleidet in den Krieg.

Die 200 Millionen Dollar teure Produktion sollte eigentlich einer der Kinohits dieses Frühjahrs werden, aber das verhinderte Corona. Der Start im März wurde verschoben, aus dem Juli wurde nichts, aus August auch nicht, und nun mag Disney nicht länger warten und zeigt den Film bei seinem Streamingdienst Disney+. Um ihn sehen zu können, muss man aber nicht nur Abonnent sein, sondern zusätzlich 21,99 Euro ausgeben, in den USA 30 Dollar. Wie es heißt, bräuchten bloß 15 Prozent der rund 60 Millionen Abonnenten diese Gebühr zu zahlen, damit der Unterhaltungsriese die Produktions- und Marketingkosten wieder reinholen kann.

Dass der Film nicht auf der großen Leinwand zu sehen sein wird, ist schade, denn dafür ist er eindeutig gemacht: Landschaften werden im Panorama aufgefaltet, die Kamera verliebt sich in die Weite Chinas, die Farben leuchten, Gold und Rot dominieren das Spektrum, und bei Massenszenen rauscht der Zuschauer im Sturzflug über Heere hinweg. Obwohl dieser Überwältigungsfaktor auf dem heimischen Bildschirm nur als Ahnung zu Buche schlägt, ist das eine gelungene Aufbereitung. Der Slapstick des Originals fehlt, auch weil es nun keine Lieder gibt und der einst von Otto Waalkes gesprochene Drache Mushu aus der Handlung gestrichen wurde. Die neue Mulan ist ernster und nachdenklicher, dabei dennoch humorvoll und charmant. Sie ist eine Kämpferin für Gleichberechtigung.

Szene aus dem Original von 1998: Der Mini-Drachen Mushu versucht Mulan zu trösten. Mushu kommt im neuen Film nicht mehr vor. Auch gesungen wird nun nicht mehr.

Szene aus dem Original von 1998: Der Mini-Drachen Mushu versucht Mulan zu trösten. Mushu kommt im neuen Film nicht mehr vor. Auch gesungen wird nun nicht mehr.

Foto: RTL

Ein Blockbuster, der nicht mehr ins Kino kommt, das könnte ein Testballon sein. Disney hat die Corona-Krise besonders arg zugesetzt. Im vergangenen Jahr spielten die Filme des Konzerns noch elf Milliarden Dollar ein, darunter „Avengers: Endgame“, der erfolgreichste Film aller Zeiten. Zwischen April und Juni 2020 hingegen machte der Konzern 4,7 Milliarden Verlust, wie die „New York Times“ berichtet. Wenn das „Mulan“-Experiment gelingt, könnte das Kino für die großen Studios künftig an Bedeutung verlieren. Zumal Universal kürzlich mit der größten US-Kinokette ausgehandelt hat, dass Filme künftig nur noch 17 statt 90 Tage auf der großen Leinwand zu sehen sein sollen, bevor sie im Internet ausgewertet werden dürfen.

Es liegen also große wirtschaftliche Hoffnungen auf der Neuseeländerin Niki Caro („Whale Rider“), die bei „Mulan“ Regie führt, nachdem Oscar-Preisträger Ang Lee abgesagt hat. Sie arrangiert den Film um das Gesicht der Hauptdarstellerin Liu Yifei herum, das immer wieder in Großaufnahme zu sehen ist. Sie findet schöne Bilder für die Gefühle der Heldin und schreckt nicht vor düsteren Einstellungen zurück: Als Mulan Heimweh hat etwa, betritt sie in Gedanken ihr Elternhaus, wo der Rest der Familie nah beieinander schläft. Caro schafft aber auch heitere Momente, die wohltemperiert und selten albern sind. Jene Szene zum Beispiel, in der der nichts ahnende Befehlshaber Mulan lobt: „Du bist ein guter Mann. Irgendwann möchte ich dich meiner Tochter vorstellen.“ Der Film hat Tempo, Kampfszenen sind wie Tänze inszeniert. Schwerter zerschneiden mit voluminös klingendem „Pfft“ und saftigem „Schscht“ die Luft, und besonders gut sieht jene Szene aus, in der sich Mulan ihren Kameraden offenbart. Die Landschaft liegt unter Schnee, die Soldaten wirken wie Geister, und einer fragt verblüfft: „Er ist ein Mädchen?“ Als solches kämpft Mulan fortan weiter. Es ist der entscheidende Moment des Films.

Eine Geschichte vom Erwachsenwerden also, vom Frausein auch. „Mulan“ bietet Familienkino, das über weite Strecken die Werte Loyalität, Mut und Ehrlichkeit, an denen sich die Hauptfigur orientieren soll, um eine gute Ehefrau zu werden, zeitgemäß und emanzipatorisch umdeutet. Nur gegen Ende wird es dann allzu didaktisch, weil dem Zuschauer der höchste aller Werte in der Disney-Welt in Kopf gehämmert werden soll: die Familie.

Aber auch hier kann man sich auf Mulan verlassen. Sie ist nämlich schlau genug, für einen offenen Schluss zu sorgen.

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