„Die Passion“ auf RTL So grell und bunt war die Passionsgeschichte noch nie

Meinung | Essen · Mit Thomas Gottschalk als Erzähler wagt RTL die Leidensgeschichte Jesu live und populär mit Stars und Sternchen zu inszenieren. „Die Passion“ ist eine anfangs mutige, am Ende doch in Unterhaltung versinkende Inszenierung.

"Die Passion" - Fotos: Thomas Gottschalk als Moderator - So war die Show von RTL in Essen
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Thomas Gottschalk als Moderator - So war die „Die Passion“ von RTL in Essen

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Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

So früh war die Kreuzigung noch nie. Auch nicht so grell und bunt. So inszeniert und populär. Und so ergreifend, weil man ergriffen sein wollte. Willkommen beim Passions-Event, mit dem RTL nach niederländisch erfolgreichem Vorbild in Essen biblische Geschichte mit einem Haufen glaubensunverdächtiger Schauspieler und Sänger zur Aufführung brachte.

Keine Frage, die Erwartungen an „Die Passion“ waren enorm; selbst kirchliche Amtsträger wollten im Vorfeld keine Spaßverderber sein und sich das Experiment so gut wie eben möglich unvoreingenommen anschauen. In Zeiten gähnend leerer Kirchen hätte jede Vorverurteilung ohnehin einen bitteren Beigeschmack gehabt. Und vielleicht ließe sich ja von jenen lernen, die das Publikumsinteresse hochprofessionell zu wecken verstehen. Allein, es fehlt der Glaube, dass die Geschichte der letzten Lebenstage Jesu in diesem U-Format eine Art Verkündigungsvorbild sein könnte.

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Dabei fängt es gar nicht ganz so schlecht an. Denn „Die Passion“ unter anderem mit Alexander Klaws als Jesus und Mark Keller als Judas und garniert mit vielen bekannten Popsongs ist mutig. Keine biblischen Ritterspiele werden auf dem Burgplatz und der Innenstadt-Umgebung aufgeführt, sondern es wird an verschiedenen Orten der Stadt ein „heutiges“ Drama versucht.

Über dieses Thema berichtet Autor Lothar Schröder auch in unserem NRW-Podcast Aufwacher.

Das spielt unter anderem auf Zeche Zollverein, die als Garten Getsemane herhalten muss, im Shopping-Center und auf Rolltreppen. Jesus kauft am Imbisswagen fürs allerletzte Abendmahl Fladenbrote ein und bekommt dazu – sauber - ein paar Currywürste geschenkt, während staunend daneben kurz Rainer Calmund auftaucht. Warum, weiß man nicht so genau, zu befürchten ist aber – für genau diesen Gag: „Wir wissen nicht, ob er betet, aber wir wissen, dass er fasten kann.“

Der Kommentar stammt von Thomas Gottschalk, der als Erzähler und biblischer Entertainer vor allem in der Rolle Thomas Gottschalk zu erleben ist. Nur einen Tick dezenter vielleicht, ein klein bisschen treffsicherer, nicht ganz so peinlich wie befürchtet, doch alles in allem so deplatziert wirkt wie Schneewittchen bei den Bremer Stadtmusikanten.

5000 Menschen sind zum Burgplatz gekommen, stehen vor einer riesigen Bühne mit schneeweiß gekleideten Musikern. Hier wird das Finale stattfinden, die Verurteilung und Hinrichtung Jesu. Zum Showdown wird ein enorm großes und beträchtlich schweres Lichtkreuz durch halb Essen getragen von Menschen, die immer mal wieder zu ihrer persönlichen Glaubensgeschichte interviewt werden: ausgesuchte Gläubige, die ihre Beziehung zu Jesu erzählen, Schicksalsschläge sind darunter und Erweckungserlebnisse. Der mit Abstand häufigste Kommentar der Moderatorin dazu dürfte „Toll“ gewesen sein.

Doch am Ende, wenn es in der Bibel richtig dramatisch wird, flacht die Spannung mehr und mehr ab und implodiert geradezu auf der Passionsbühne. So interessant manche Einspielungen waren – besonders stark der grün illuminierte Mark Keller als Zweifelnder auf der Dachkante eines Essener Hauses – so langweilig wird die Live-Aufführung auf der Bühne. Das Verhör, das der Essener Schauspieler Henning Baum als Pontius Pilatus führt und der aktuell in der Eventserie „Der König von Palma“ zu sehen ist, grenzt an Provinztheater. Getoppt wird das nur durch den Auftritt des feixenden, freudig zappelnden Martin Semmelrogge als Barrabas. Das ist schwer anzusehen.

Wer am Ende Schlimmeres in Sachen Kreuzigung befürchtete, konnte sich indes beruhigt im Fernsehsessel zurücklehnen. Darauf wird nämlich zur Primetime verzichtet. Stattdessen versammeln sich alle ums Leuchtkreuz. Glaube, Liebe, Hoffnung ist die abschließende Botschaft, die mit Lichtgewitter und Abschluss-Show zu einem Ereignis endet, das Stille verdient hätte.

Erst ganz zum Schluss kehrt wieder Ruhe ein. Als der Fernseher ausgeschaltet ist.

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