Bischof Georg Bätzing zur Lage in Köln „Rücktrittsangebote sind schwache Gesten“
Exklusiv | Limburg · Bischof Georg Bätzing hat wenig Verständnis dafür, dass Rom sich so lange Zeit lässt, über Kardinal Woelkis Rücktrittsgesuch zu entscheiden. Er selbst würde sich in einer ähnlich schweren Vertrauenskrise an der Meinung der Gremien orientieren.
An Rücktrittsgesuchen deutscher Bischöfe mangelte es in der katholischen Kirche zuletzt nicht. Doch bisher lehnte Rom alle ab, obgleich den Amtsträgern Pflichtverletzungen in der Missbrauchsaufklärung attestiert wurden. Eine aktuelle Entscheidung steht noch aus, das ist jene zum Rücktrittsangebot des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki.
Eine insgesamt verfahrene Situation, die bei den Gläubigen schnell den Eindruck aufkommen lässt, dass solche Angebote auf Amtsverzicht in der Kirche kaum mehr als Gesten sind, die eher zum Neustart ermuntern sollen. Ähnlich sieht das auch der Limburger Bischof Georg Bätzing, der seit zwei Jahren auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist: „Ich bin selbst skeptisch mit der Welle an Rücktrittsangeboten aus unserer jüngeren Vergangenheit“, sagte er unserer Zeitung. Zudem würden viele Menschen – auch innerhalb der Kirche – gar nicht das komplexe Gefüge der Kirche verstehen. Wenn in der Politik jemand sagt, er tritt zurück, dann tritt er auch zurück, so Bätzing. Der Politiker sei autonom in seiner Rücktrittsentscheidung. In der Kirche aber müsse ein Bischof seinen Rücktritt dem Papst anbieten, und der könne ihn annehmen oder nicht.
„Vor diesem Hintergrund sind Rücktrittsangebote schwache Gesten. Es muss Verantwortung übernommen werden; und das kann durch einen Rücktritt geschehen. Aber es kann auch dadurch möglich werden, dass man aus seiner Verantwortung heraus zeigt, was wir verändern. Und zwar so verändern, dass das, wofür wir in der Vergangenheit Verantwortung tragen, so nicht mehr geschieht.“
Bätzing, seit zwei Jahren Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, schaut dabei auch nach Köln, zu jenem Erzbistum also, in dem seit vielen Monaten zwischen Gläubigen und Erzbischof Woelki eine schwere Vertrauenskrise herrscht. Bei der Rückkehr aus seiner geistlichen Auszeit hatte Woelki Anfang März dieses Jahres Papst Franziskus um Rücktritt und zugleich um eine zweite Chance gebeten. Eine Antwort steht bis heute aus und lässt das Erzbistum weiter in offenen Konflikte stürzen.
Warum sich Rom so lange Zeit lässt, zumal von den päpstlichen Visitatoren als auch von Weihbischof Rolf Steinhäuser Berichte zur Lage im Erzbistum längst vorliegen? „Ich frage mich das auch“, so Bätzing im Interview mit unserer Zeitung. „Kardinal Woelki ist – das macht er ja selbst deutlich – vom Vorgehen Roms mit Blick auf die Auszeit gekränkt. Auch wundere ich mich über das Agieren Roms angesichts dieser tiefen Krise eines so bedeutenden Erzbistums.“ Die beiden Visitatoren konnten sich im vergangenen Jahr in etlichen Gesprächen in Köln ein umfassendes Bild von der Lage im Erzbistum Köln machen. Und dieses Bild könne nach den Worten Bätzings nur sein, „dass dem Erzbischof in Fragen der Missbrauchsaufklärung zwar keine wesentlichen Fehler nachzuweisen sind – aber im Umgang mit der Veröffentlichung des ersten Gutachtens, vor allem in der Kommunikation und insgesamt im Führungsverhalten, so dass im Erzbistum eine tiefe Vertrauenskrise entstanden ist.“
Das Zaudern von Rom zeige auch, dass die von Papst Franziskus jetzt angestoßene Kurienreform noch viel weitergehen müsse. Es würde noch immer an geeigneten Instrumenten mangeln, und es fehle an Transparenz, um solche Krisen angemessen zu bearbeiten. Zudem hätten „die Gläubigen als die eigentlich Betroffenen keinerlei Möglichkeit, direkt in den Prozess eingebunden zu werden“.
Wie Bätzing sich selbst in einer solche Lage als Bischof verhalten würde? „Wenn mein Leitungshandeln mit einem derartigen Vertrauensverlust konfrontiert wäre wie jetzt in Köln, würde ich Rechenschaft ablegen und meine beratenden Gremien um ein Votum bitten. Das wäre für mich eine Orientierung in der Frage: bleiben oder nicht bleiben.“
Im Kölner Dom hängen zur Anschauung für die Gläubigen sogenannte Jahresstäbe; das sind vergoldete Holzstäbe, mit denen jedes Amtsjahr des amtierenden Erzbischofs markiert wird. Für den 61-jährigen Limburger Bischof ist das vor allem das Zeichen eines veralteten und überzogenen Amtsverständnisses. „Bitte weg damit!“, so Bätzing. „Solche überzogenen Stilisierungen des Amtes gibt es immer wieder, aber so etwas würde ich nicht mitmachen.“ Daran würde man auch sehen, wie symbolisch aufgeladen das Bischofsamt bis heute sei. „Und das tut ihm wirklich nicht gut.“
Info Das vollständige Interview mit Bischof Georg Bätzing lesen Sie hier.