Letzte Proben vor Düsseldorfer „Figaro“-Premiere Liebe, List und Leidenschaft unter freiem Himmel

Düsseldorf · In Düsseldorf wird der „Figaro“ in der Gegenwart ankommen. Mit der Inszenierung unter der Regie von Andreas Kriegenburg startet das Düsseldorfer Schauspielhaus am Samstag in ihre dritte Open-Air-Saison. Ein Probenbesuch.

 Probenszene aus der Düsseldorfer Figaro-Inszenierung mit (von links) Alexander Wanat, Pauline Kästner und Florian Claudius Steffens.

Probenszene aus der Düsseldorfer Figaro-Inszenierung mit (von links) Alexander Wanat, Pauline Kästner und Florian Claudius Steffens.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

„Haut euch doch ruhig dabei auf die Goschen!“ Die martialische Aufforderung kommt oben von der fast menschenleeren Zuschauertribüne, aus Reihe fünf. Genauer ist der Standort nicht zu benennen, weil Regisseur Andreas Kriegenburg die freie Stuhlreihe auf der Open-Air-Bühne zu seinem Laufsteg macht. Dort tigert er also auf und ab. Aber nicht, um alles aus jedem Herrgottswinkel heraus sehen zu können, sondern weil es ihn selten nur auf den Sitz hält.

Die Sonne scheint. Ein Lüftchen weht über den Gründgens-Platz, das verdient, ein laues genannt zu werden. Ein Lieferwagen fährt im Hintergrund vor, hält ein paar Minuten, rollt weiter in den Arbeitstag hinein. Ein paar Spaziergänger stehen zufällig am Absperrgitter, doch Schaulustige kann man sie kaum nennen, weil ihre Gesichter verraten, wie rätselhaft für sie das Treiben auf dem Platz offenbar ist.

Erklärt werden kann es mit einem Wort: Figaro. Oder vollständigkeitshalber mit sechs Wörtern: „Figaros Hochzeit oder Der tolle Tag“ – eine alte, der Aufklärung geschuldete Komödie des französischen Autors Pierre Augustin Caron de Beaumarchais (1732–1799), zu der die letzten Proben laufen.

 Regisseur Andreas Kriegenburg während der Probe auf der Zuschauertribüne.

Regisseur Andreas Kriegenburg während der Probe auf der Zuschauertribüne.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Aber natürlich wird die dritte Düsseldorfer Open-Air-Saison nichts Historisches bieten. Die turbulente Story aus Liebe, List und Leidenschaft spielt darum nicht am feinen Hofe, sondern in einem hippen Tech-Unternehmen, im Park vor dem Hauptquartier der „Tomorrow Inc.“. Okay, die alte Ständegesellschaft ist seit geraumer Zeit ein Fall für die Geschichtsbücher, doch Kriegenburg interessiert weiterhin die Macht der Position, die Hierarchie – und ganz besonders dort, wo sie als flach ausgegeben wird und zumindest dem Anspruch nach so gut wie gar nicht existent sein soll.

Für den „Figaro“ gibt es nur noch ein paar Proben bis zur Premiere am Samstag. Und es erstaunt schon, wenn Kriegenburg uns in einer Pause erzählt, dass man eigentlich fertig sei und lediglich an Details arbeite. Von der Tribüne aus war der Eindruck kurzzeitig ein anderer. Manche Miniszene – wie sprechen hier von 20 Sekunden – wird permanent wiederholt, oft komplett anders, manchmal sogar mit neuem Text. Auch der Souffleur ist viel beschäftigt. Wer das Probengeschäft nicht kennt, denkt sich heimlich, still und leise: Leute, das wird so nix.

Der 59-jährige Kriegenburg erinnert im weißen Hemd, mit Weste und Strohhut eher an eine Thomas-Mann-Figur. Doch dafür ist er auch wieder viel zu agil, verlässt öfters seine Reihe fünf und ist mitten auf der parkähnlichen Bühne. Spielt dort seinen Leuten eine Szene vor. Spricht vor. Schreitet voran, ist mal Figaro, mal Susanne, und zwischendurch wieder ganz Kriegenburg: „Ich werde mit den Jahren immer ungeduldiger, darum gehe ich in den Proben gerne auch auf die Bühne: Ich habe manches doch rascher demonstriert als erklärt.“

Auch die Ohrwatschen bereiten kurz Kopfzerbrechen. Schön wäre es doch, wenn Alexander Wanat sie an der Gitarre akustisch verstärken könnte. Mit einem Akkord? Das ist es nicht. Mit einem Schlag aufs Holz? Auch nicht. Lassen wir es also.

Für Kriegenburg wird die Premiere an diesem Samstag eine persönlich doppelte sein: Zum ersten Mal inszeniert er „Figaro“, und zum ersten Mal macht er Theater unter freiem Himmel. Das sei eine echte Herausforderung, sagt er, weil sich die Spiellust am Alltag, am Wind, am Regen und an der Sonne messen lassen muss. Nicht zu vergessen: „Die Ausgelassenheit muss eine größere sein: Sommer und Open-Air-Theater tragen immer auch das Versprechen der Besonderheit, des Amüsements in sich.“

Langsam wird’s Mittagszeit, High Noon auch im Stück. Ganz groß in Aktion sind Florian Claudius Steffens (Figaro) und Pauline Kästner (Susanne), Florian Lange als Graf und Cathleen Baumann als Gräfin. Jetzt entscheidet sich alles. Und beim Düsseldorfer Figaro wendet sich alles zum Allerbesten. Es gibt eine Kussorgie, die kein Ende nehmen will. Der Rest des Abends sei Romeo und Julia, heißt es. Also aus der noch glücklichen Phase. Und weil der Überschwang der Liebe partout nicht endet, wird aus dem Kreis der Schauspieler die Bitte ans Publikum ergehen, doch dieser Party mit dem „allerwärmsten Beifall“ ein Ende zu setzen. Mal schauen.

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