Klimawandel und Dürre Waldbesitzer beziffern Schäden in Deutschland auf mehr als fünf Milliarden Euro

Berlin · In Kattowitz gab es am Freitag auf der UN-Klimakonferenz noch keinen Durchbruch. Die Gespräche zogen sich hin. Im Wald ist der Klimawandel bereits angekommen. Die Schäden sind enorm.

 Die Dürre setzte den Wäldern ordentlich zu (Symbolbild).

Die Dürre setzte den Wäldern ordentlich zu (Symbolbild).

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Diese elf Meter hohe Weißtanne ist ein besonders schönes Exemplar. Jedes Jahr übergibt die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW) der Kanzlerin einen Weihnachtsbaum. Ende November wurde die Tanne aus Sauen in Brandenburg geliefert, stolze 54 Jahre alt. Sie hat Hitze, Dürre, Stürme überstanden. Im Gegensatz zu hunderttausenden anderen Bäumen in diesem Sommer. Verbandsgeschäftsführer Alexander Zeihe spricht von einer „Jahrhundertkatastrophe“, der Klimawandel sei in den deutschen Wäldern angekommen. Erstmals seien neben Nadel- auch viele Laubbaumarten betroffen. „Besonders in Brandenburg gerät der Baum der Deutschen, die Eiche, besonders unter existenziellen Druck“. Zeihes Bilanz: frühzeitiger Laubverlust, vertrocknete Jungpflanzen und Bäume, Waldbrände, geschwächte Abwehr der Bäume und dadurch  vermehrter Schädlingsbefall. „Und vor allem Schäden in Höhe von mindestens 5,4 Milliarden Euro.“ Allein aus Gründen des Waldschutzes sei es wichtig, das Schadholz so schnell wie möglich aufzuarbeiten. „Die im Baum steckenden Borkenkäferlarven müssen abgetötet und das Holz aus dem Wald abtransportiert werden. Hierfür ist eine Soforthilfe von mindestens 350 Millionen Euro nötig. Wenn dieses Holz im Wald bleibt, werden die Schäden im nächsten Jahr noch schlimmer. Die Käfer werden sich vermehren, mehr Bäume werden sterben. Und irgendwann ist der Wald nicht mehr zu retten.“

Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) hat den Waldbesitzern zuvor Hilfe zugesagt: 25 Millionen Euro, verteilt über fünf Jahre. „Lächerlich“, sagt dazu der FDP-Bundestagsabgeordnete Karlheinz Busen unserer Redaktion. „Das ist weniger als ein Tropfen auf dem heißen Stein.“ Die Dürre in diesem Jahr sei als Naturkatastrophe zu werten. „Die Bundesregierung muss dringend den Europäischen Solidaritätsfonds anzapfen und zusätzliche EU-Gelder zur Beseitigung von Dürreschäden in Wäldern nach Deutschland holen.“ Busen beklagt, dass die Regierung aber „keine einzige belastbare Aussage zum Ausmaß der Schäden treffe“. Gerade ist bei ihm die Antwort des Landwirtschaftsministeriums auf eine kleine Anfrage zu den Schäden in diesem Jahr eingegangen. Darin heißt es: „Belastbare Zahlen über das Ausmaß der Schäden für das gesamte Bundesgebiet liegen bislang nicht vor. Vom weiteren Verlauf der Witterung wird es abhängen, wie groß das gesamte Ausmaß in der Forstwirtschaft sein wird.“ Damit wird Mitte 2019 gerechnet, wenn klar ist, welche Bäume den Jahrhundertsommer überlebt haben.

Klimaforscher warnen aber vor einer Zunahme von Wetterextremen. Wenn dem Ausnahmejahr 2018 ein Ausnahmejahr 2019 folgt, haben viele Bäume keine Überlebenschance.  „Die Rettung der Wälder ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, da wir stabile Wälder brauchen für den Klimaschutz, für die Sauerstoffproduktion, für die Bereitstellung von Holz und für die Erholung“, hatte zu Guttenberg gesagt und auf Ergebnisse der UN-Klimakonferenz im polnischen Kattowitz gehofft.

Klöckner verweist auf eine Walderklärung der Vertragsstaaten vom Mittwochabend und erklärte selbst dazu: „Ohne den Beitrag der Wälder weltweit, die gigantische Kohlendioxidspeicher sind, werden wir die Klimaerwärmung nicht eindämmen können. Dabei ist besonders die aktive Forstwirtschaft konkreter Klimaschutz.“ Die jährlichen Emissionen Deutschlands lägen um 14 Prozent höher, würden die Wälder nicht nachhaltig genutzt. Kaufen können sich davon die von den Dürreschäden betroffenen Waldbesitzer aber nichts. Und die UN-Klimakonferenz macht auch vielen anderen wegen der Trippelschritte gegen den Klimawandel großen Kummer.

Vor wenigen Tagen noch wurde nicht ausgeschlossen, dass die Konferenz sogar noch scheitern könnte. Nun legte die polnische Präsidentschaft am Freitag einen 144-seitigen Entwurf einer Abschlusserklärung vor. Teilnehmer rechneten mit einer weiteren Nachtsitzung vor einem möglichen Konferenzende am Samstag. Mehrere Zehntausend Delegierte aus fast 200 Staaten haben in den vergangenen zwei Wochen darüber beraten, mit welchem Regelwerk sich die Ziele des Pariser Klimaabkommens aus dem Jahr 2015 umsetzen lassen. Damals hatte sich die UN-Klimakonferenz darauf verständigt, die Erwärmung des Planeten auf deutlich unter zwei Grad Celsius beschränken zu wollen. Jetzt geht es darum, einen Prozess hin zu verbindlichen Maßnahmen in den einzelnen Ländern zu finden. Das Ziel: Jedes Land soll sich selbst ambitionierte Wegmarken stecken und die Fortschritte mit transparenten Berichten dokumentieren. Am Ende soll die Erwärmung möglichst nicht über 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter liegen. Dafür allerdings müssten die Staaten ihre Emissionen sofort drastisch senken.

Experten forderten Nachbesserungen am 144-seitigen Entwurf, etwa damit sich die Industriestaaten verpflichten, bis 2020 ihre Ziele im Kampf gegen die Erderhitzung deutlich zu verschärfen. Aus Sicht von Experten besteht nun Grund zur Hoffnung. „Auf den letzten Metern ist doch noch Bewegung in die Klimaverhandlungen gekommen“, sagte Elmar Kriegler, Leiter des Forschungsbereichs für nachhaltige Lösungsstrategien am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Fortschritte sieht Kriegler bei Gesprächen zwischen China und der EU, wie das Regelwerk auf Entwicklungsländer und Industrieländer differenziert angewendet werden kann. Es gehe längst nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie. „Die Regierungen müssen sich nun auf ein Regelwerk einigen, was Transparenz bei der Umsetzung der nationalen Klimabeiträge gewährt, ebenso wie eine hinreichende Bewertung der einzelnen Maßnahmen zur Klimastabilisierung“, sagte Kriegler. Nur so könne auch Druck ausgeübt werden auf Länder, ihre Klimabeiträge zu stärken.

(jd/kd)
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