Kritik an Bundeswirtschaftsminister Altmaier enttäuscht die Wirtschaft

Berlin · Bundeswirtschaftsminister Altmaier hält zwar Sonntagsreden über Ludwig Erhard, ist in der Energie- und Ordnungspolitik aber ein Ausfall, kritisieren Unternehmen und Verbände.

Peter Altmaier - Bundeswirtschaftsminister und enger Vertrauter der Kanzlerin
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Das ist Peter Altmaier

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Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Manche finden, dass Peter Altmaier (CDU) einen guten Job macht: Der vielsprachige Bundeswirtschaftsminister kann auf jedem Podium in Berlin und Brüssel reden, er ist nah an der Kanzlerin und menschlich zugleich. Gerne gehe er mit seinen Fahrern zum Burger-Brater oder hole die Fahrer auch mal selbst ab, erzählen Insider. Über seine Omnipräsenz bei öffentlichen Veranstaltungen witzelte er schon selbst: „Das ist heute meine sechste Rede in Folge.“ Reden ist nicht Altmaiers Problem, aber das Handeln.

Das zeigt sich vor allem in der Energiepolitik. Die Energiewende bleibt eine Baustelle, der geplante Kohleausstieg spaltet das Land. Seit März ist Altmaier schon im Amt, bis heute hat er keinen Energie-Staatssekretär gefunden, bei dem die Fäden zusammenlaufen. Das war bei seinem Vor-Vorgänger Sigmar Gabriel (SPD) anders, der mit dem umstrittenen wie kundigen Vordenker Rainer Baake einen Akzent gesetzt hatte. Aktuell ist Hildegard Müller (CDU) laut Branchenkreisen als Energie-Staatssekretärin im Gespräch. Die frühere Staatsministerin im Kanzleramt war mal Chefin des Branchenverbands und ist heute Netzvorstand beim Essener Energiekonzern Innogy, der im Zuge des Eon-RWE-Deals zerlegt wird.

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„Lange hat die Bundespolitik Leitlinien und ein Zielbild für die Energiewirtschaft vorgegeben. Davon ist im Moment nichts zu sehen“, kritisiert RWE-Chef Rolf Martin Schmitz. „Es ist auch nicht hilfreich, wenn es keinen Energie-Staatssekretär gibt.“ Ihn ärgert überdies, dass Altmaier weder im Streit um die Rodung des Hambacher Forstes noch bei der Kohlekommission Flagge für die Industrie gezeigt habe.

Auch der Bundesrechnungshof sieht ein Steuerungsdefizit im Wirtschaftsministerium: Trotz jährlicher Kosten von über 34 Milliarden Euro für Steuerzahler und Stromverbraucher würden wesentliche Ziele der Energiewende wie die Senkung der Treibhausgas-Emissionen oder des Energieverbrauchs verfehlt, kritisierte der Rechnungshof unlängst.

Auch auf anderen Feldern kann der Vielbeschäftigte aus Sicht der Wirtschaft nicht reüssieren. Altmaier habe angekündigt, wieder mehr Ludwig Erhard in sein Haus zu holen, aber geschehen sei wenig, lautet die Kritik mehrerer Verbände. Für sie, aber auch für Union und FDP ist der frühere Wirtschaftsminister die Lichtgestalt. Die CDU erhofft sich von Altmaier (dem ersten CDU-Wirtschaftsminister seit Kurt Schmücker 1966), dass er seiner Partei ein wenig vom Glanz Erhards zurückgibt. Altmaier weiß um die Bedeutung von Symbolen. Im Juni hat er die Aula im Ministerium in Ludwig-Erhard-Saal umbenannt. Das war gut gemeint. Doch weil sich Altmaier bei der Umbenennungszeremonie mit Händen in den Taschen neben zwei jungen Hostessen ablichten ließ, die sich abmühten, das Erhard-Schild anzubringen, hagelte es Häme im Netz.

Altmaier denkt zwar über eine „Industriepolitische Strategie“ und eine „Charta der Sozialen Marktwirtschaft“ nach, doch über Ankündigungen kommt der 60-jährige Jurist nicht hinaus. „Wo ist Altmaier, wenn die SPD ihr Renten- und Arbeitsmarktpaket zu Lasten der Wirtschaft durchsetzt?“, fragt ein Insider aus der Regierung. „Warum hat das Haus bis heute keinen echten Chefvolkswirt?“ Früher war die Abteilung I „Wirtschaftspolitik“ mal das ordnungspolitische Gewissen jeder (bürgerlichen) Regierung. Heute leitet sie Philipp Steinberg, früher Büroleiter von Sigmar Gabriel.

Auch der Mittelstand ist enttäuscht: Seinen Frust machte der Mittelstandsausschuss des Industrieverbands BDI in einem Papier mit dem Titel „Enttäuschung über ausbleibende Mittelstandsstrategie“ öffentlich. Der Mittelstand werde gerne gelobt, gleichzeitig explodierten die Energiekosten und die Bürokratie ufere aus, sagte Ausschus-Chef Hans-Toni Junius dem „Handelsblatt“.

Noch schärfer wird Reinhold von Eben-Worlée, Präsident des Verbandes „Die Familienunternehmer“: „Wir sind enttäuscht von Altmaier. Deutschland hat die höchsten Stromkosten in Europa, eine Katastrophe für alle energieintensiven Unternehmen. Als Nachfolger von Ludwig Erhard müsste der Wirtschaftsminister auf die marktwirtschaftlichen Prinzipien des CO2-Emmissionshandels setzen. Altmaier aber denkt noch immer wie ein Umweltminister, der mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz nur einige Windbarone subventionieren will.“

Auch der Verband der Jungen Unternehmer ist ernüchtert. „Aus dem Wirtschaftsministerium haben wir jungen Unternehmer uns Aufbruch und Dynamik erhofft. Noch im März hat Altmaier mit seinem mitreißenden Plädoyer für die Soziale Marktwirtschaft große Erwartungen geschürt. Jetzt senkt der Wirtschaftsminister die Wachstumsprognosen, Deutschland verliert an Wettbewerbsfähigkeit, aber vom Wirtschaftsminister kommen keine Impulse“, sagt Sarna Röser, die Bundesvorsitzende des Verbandes.

Altmaier weiß, dass er liefern muss, prompt wurde vergangene Woche ein fünfseitiges „wirtschaftspolitisches Aktionsprogramm“ bekannt. Darin fordert der Saarländer eine steuerliche Entlastung für Unternehmen um 20 Milliarden Euro jährlich, zehn davon durch den kompletten Wegfall des Solidaritätszuschlags. Doch im Koalitionsvertrag ist festgelegt, den Soli nur für 90 Prozent der Steuerzahler abzuschaffen. Die restlichen zehn Prozent – darunter viele Mittelständler und Selbstständige – sollen ihn weiter bezahlen. Der Soli-Wegfall sei mit der SPD nicht zu machen, stellte Finanzminister Olaf Scholz umgehend klar. Solange also die große Koalition regiert, wird Altmaiers Aktionsprogramm im Kern nicht umgesetzt. Die FDP sprach daher von einem „billigen Manöver“.

Altmaiers Papier findet auch Lob – etwa von Wolfgang Steiger, Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats. Doch auch Steiger mahnt zum Handeln: „Jetzt gilt es, sein Maßnahmenpaket auch zeitnah umzusetzen. Wichtigster Baustein dafür ist die Steuerentlastung, für die er gemeinsam mit der Unionsfraktion auch gegen den Widerstand von Olaf Scholz und der SPD kämpfen muss.“

In seinem Haus heißt es, Altmaier sei ein Verwaltungschaot und lasse Vorgänge schmoren. Nach Ludwig Erhard ist Wirtschaft zu 50 Prozent Psychologie und zu 50 Prozent Ordnungspolitik. „Psychologie kann Altmaier, Ordnungspolitik gar nicht“, heißt es dort weiter.

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