Kampf gegen Fachkräftemangel Regierung will mehr gesteuerte Zuwanderung per Gesetz

Berlin · Die Wirtschaft fordert schon lange einen geordneten Zuzug von Fachkräften nach Deutschland. Nun konnten Union und SPD durch eine Einigung im Umgang mit erwerbstätigen Flüchtlingen das entscheidende Hindernis beseitigen.

 Gemeinsam mit CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier (Mitte) haben Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD, li) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) die Eckpunkte für das Fachkräfteeinwanderungsgesetz vorgestellt.

Gemeinsam mit CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier (Mitte) haben Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD, li) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) die Eckpunkte für das Fachkräfteeinwanderungsgesetz vorgestellt.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Innenminister Horst Seehofer (CSU) nennt es eine „Antwort auf die Lebensrealität“. Im Koalitionsausschuss in der Nacht zu Dienstag konnte der CSU-Politiker mit SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil einen Kompromiss im Umgang mit erwerbstätigen Flüchtlingen finden. Wer einen festen Job hat und gut integriert ist, soll einen „verlässlichen Status“ erhalten, wie Heil es formulierte.

Beide Minister vermieden es sorgsam, das Wort „Spurwechsel“ in den Mund zu nehmen. Gegen diesen Begriff hatte sich insbesondere die Union gesperrt, weil sie fürchtete, damit das Signal auszusenden, Flüchtlinge könnten nach Deutschland kommen und durch einen Job ein Bleiberecht erwirken. Wie der Status, der eigentlich Ausreisepflichtigen mit Job künftig genau ausgestaltet sein soll, ist noch offen. Unklar ist auch, ob diejenigen, die ihren Job verlieren, dann auch wieder abgeschoben werden können. Diese Fragen sollen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens geklärt werden. Noch in diesem Monat will die Regierung einen Gesetzentwurf vorlegen.

Die Wirtschaft wartet seit Jahren auf dieses Gesetz. Regional und in einzelnen Branchen sei Fachkräftemangel bereits spürbar, betonte Heil. „Wer einen Handwerker braucht, merkt es auch“, sagte der Arbeitsminister. Insbesondere auf die Nachfrage nach nicht-akademischen, aber fachlich qualifizierten Arbeitskräften soll das Fachkräfteeinwanderungsgesetz eine Antwort geben. Die wichtigsten Punkte:

Arbeitssuche Bislang können nur Akademiker ohne Job aus einem Drittstaat nach Deutschland einreisen und hier nach Arbeit suchen. Das soll sich ändern: Künftig soll auch der Koch aus Russland oder die Pflegerin aus Indonesien zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen können. Die Hürden sind aber immer noch hoch: Ihr Deutsch muss gut genug sein, um in ihrem Beruf bestehen zu können. Außerdem müssen sie für die Zeit der Arbeitssuche ohne staatliche Hilfe für ihren Lebensunterhalt sorgen können.

Anwerbung Die Bundesregierung will gemeinsam mit der Wirtschaft sowie Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen Zielländer aussuchen, in denen Fachkräfte akquiriert werden können. Geplant ist auch, dass sich die Arbeitskräfte auch schon in ihren Heimatländern für den deutschen Arbeitsmarkt qualifizieren. Auch Botschaften vor Ort und die weltweiten Goethe-Institute sollen in Vermittlung und Qualifizierung einbezogen werden.

Abschlüsse Arbeitsminister Heil beklagte, die bisherigen Regelungen zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse seien unter den Erwartungen geblieben. Eine Clearingstelle soll den den Fachkräften aus dem Ausland künftig den Weg durch den deutschen Bürokratiedschungel freischlagen. Besonders pragmatisch ist der Ansatz bei IT-Kräften und Arbeitskräften anderer Engpassberufe. Sie sollen auch ohne formalen Abschluss einen Job in Deutschland annehmen können, wenn sie denn ünber „berufspraktische Kenntnisse“ verfügen.

Inland und Europa Zur Fachkräftesicherung will die Bundesregierung „prioritär“ auf inländische Kräfte setzen, wie es im Eckpunktepapier heißt. Dafür soll die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden. Langzeitarbeitslose sollen noch mehr Hilfen erhalten, um im Job wieder Fuß fassen zu können. Auf breiter Basis sollen sich Arbeitnehmer für den digitalen Wandel in der Arbeitswelt qualifizieren können.

Sozialsysteme Zugleich geht der Blick der Bundesregierung nach Europa. Während der Euro-Krise kamen viele Fachkräfte, insbesondere aus Südeuropa nach Deutschland. Dieser Zuzug hat wieder nachgelassen. Geplant ist, um diese besonders leicht zu integrierenden Arbeitskräfte zu gewinnen, den Menschen in den EU-Mitgliedstaaten „langfristige Chancen in Deutschland aufzuzeigen“.

Größenordnung Eine Obergrenze oder ein festgelegtes Kontingent für Arbeitskräfte aus dem Ausland soll es nicht geben. Vielmehr soll der Bedarf die Anwerbung regeln. Bislang lief die gezielte Anwerbung beispielsweise von IT- und Pflegekräften eher schleppend.

(qua)
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