Darlehen über 60 Milliarden Euro im Gespräch Offenbar neue Milliardenhilfe für Griechenland

Brüssel (RPO). Die Eurozone bereitet Medienberichten zufolge neue Hilfen in zweistelliger Milliardenhöhe für das hochverschuldete Griechenland vor. Zwar stehe der Bedarf des Landes noch nicht fest, im Gespräch seien jedoch weitere Darlehen von bis zu 60 Milliarden Euro, berichtet eine Zeitung unter Berufung auf Eurozonen-Kreise in Brüssel. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte vor übereilten Spekulationen über neue Hilfen.

Der Euro-Rettungsschirm ESM
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Foto: dpa, Boris Roessler

Grund für die weiteren Hilfen sind dem "Handelsblatt" zufolge die stockenden Bemühungen der Regierung in Athen, den Schuldenberg des Landes abzutragen. Das neue Rettungspaket soll demnach am Montag auf einem Treffen der Euro-Finanzminister beraten werden.

Derweil haben sich die EU-Kommission und Deutschland bemüht, die Diskussion um neue Milliardenkredite für Griechenland zu entschärfen. Über weitere Schritte könne erst in "einigen Wochen" auf Grundlage neuer Daten gesprochen werden, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn am Dienstag in Straßburg. Hinter den Kulissen sind die Planungen für weitere Darlehen in zweistelliger Milliardenhöhe Medienberichten zufolge jedoch in vollem Gange.

"Es ist noch zu früh, jegliche Zahlen für den Finanzierungsbedarf Griechenlands im Jahr 2012 zu nennen", sagte Rehn. Der Finne verwies auf eine Expertenmission der sogenannten Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB), die noch bis kommende Woche in Athen die Bemühungen des Landes zur Neustrukturierung seiner Wirtschaft sowie zum Schuldenabbau prüft. Auf Grundlage der Erkenntnisse könne dann in "einigen Wochen" eine "gut informierte Diskussion" über die nächsten Schritte geführt werden.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU), verwiesen auf die Untersuchung der Troika-Experten: Wenn der Bericht der Mission vorliege, könne darüber entschieden werden, "was und ob etwas zu tun ist", sagte Merkel. Schäuble nannte Spekulationen über weitere Schritte "verfrüht".

Medienberichten zufolge laufen aber bereits die Planungen der Eurozone für neue Hilfen. Zwar stehe der genaue Bedarf Griechenlands noch nicht fest, im Gespräch seien jedoch weitere Darlehen von bis zu 60 Milliarden Euro, berichtete das "Handelsblatt" (Mittwochsausgabe). Derzeit sei für 2012 eine Finanzierungslücke von bis zu 30 Milliarden absehbar, die aber noch größer werden könne.

Das neue Rettungspaket sowie Erleichterungen bei der Zinshöhe und den Rückzahlfristen für die bisherigen Notkredite sollen dem Bericht zufolge am Montag auf einem Treffen der Euro-Finanzminister beraten werden. Die französische Finanzministerin Christine Lagarde schloss weitere Hilfen für Griechenland nicht aus. "Wir haben es während eines Jahres unterstützt und werden das auch weiter machen", sagte sie in Zürich.

Vor einem Jahr hatte Griechenland bereits Notkredite über 110 Milliarden Euro zugesprochen bekommen. Im Gegenzug musste die Regierung in Athen einer Spar- und Reformpolitik zustimmen zustimmen. Aus Protest gegen die Maßnahmen wurde in Griechenland für Mittwoch zum zweiten Generalstreik seit Jahresbeginn aufgerufen, der auch den Luft- und Fährverkehr massiv beeinträchtigen kann.

EU-Diplomaten wollten den Bericht zunächst nicht bestätigen. Sie verwiesen ebenso wie Merkel auf eine laufende Prüfung der griechischen Sparbemühungen durch eine internationale Expertenmission. "Ich bin der Meinung, dass wir die Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen erst ziehen können, wenn wir die Ergebnisse haben", sagte Merkel in Berlin. Wenn der Bericht der Mission vorliege, könne darüber entschieden werden, "was und ob etwas zu tun ist".

Die Experten von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) waren zuvor in Athen eingetroffen. Sie sollen insbesondere die Staatsverschuldung des unter starkem Druck der internationalen Finanzmärkte stehenden Landes prüfen. Ein erfolgreicher Abschluss der Prüfung ist Voraussetzung für die Auszahlung einer weiteren Rate in Höhe von zwölf Milliarden Euro aus den bisher zugebilligten Hilfen.

Inzwischen bestehen Zweifel, ob die Regierung in Athen bei den im Gegenzug für die Notkredite vereinbarten Sanierungsarbeiten im Soll liegt. Neben seinen hohen Schulden leidet das Land auch an einer schwachen Wirtschaft. Die Industrieproduktion nahm im März im Vergleich zum Vorjahresmonat um acht Prozent ab, wie die Statistikbehörde des Landes mitteilte.

Neben weiteren Hilfsmaßnahmen wird auch über eine mögliche Umschuldung spekuliert. EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark warnte jedoch vor einem solchen Schritt: "Letztendlich bringt eine Umschuldung nicht die Lösung der Probleme, die Griechenland zu bewältigen hat." Griechenland müsse seinen Haushalt in Ordnung bringen und "strukturelle Probleme" angehen, sagte Stark dem Bayerischen Rundfunk.

EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi sprach sich ebenfalls gegen eine Umschuldung aus. Das werde die griechischen Banken "in die Knie zwingen" und den Rest der Eurozone in ernste Mitleidenschaft ziehen, sagte er der italienischen Zeitung "La Stampa".

Ein kleiner Lichtblick war am Dienstag, dass sich Griechenland erfolgreich für ein halbes Jahr 1,625 Milliarden Euro leihen konnte. Dafür muss die Regierung in Athen Zinsen von 4,88 Prozent zahlen. Dieser Satz liegt jedoch leicht über dem der letzten Halbjahresanleihe von 4,75 Prozent aus dem März. Die Ratingagentur Standard & Poor's hatte Athens Kreditwürdigkeit am Montag weiter herabgestuft.

(AFP)
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