Bochum-Trainer Letsch im Gespräch „Wir wissen, wie wir Gladbach schlagen können“

Interview | Bochum · Im Interview spricht Thomas Letsch, Trainer des VfL Bochum, über den Abstiegskampf, das Duell mit Borussia Mönchengladbach am Samstag und seine Zukunftsvision für den Klub.

Bochum-Trainer Thomas Letsch

Bochum-Trainer Thomas Letsch

Foto: dpa/David Inderlied

Für Borussia Mönchengladbach geht es in dieser Saison nur noch darum, die Spiele würdig zu beenden. Hingegen steckt der kommenden Gegner mitten im Abstiegskampf. Wir sprachen mit Bochum-Trainer Thomas Letsch über das Duell gegen die Borussia, wie der Klassenerhalt mit dem VfL gelingen soll und welche Erfahrungen besonders wertvoll für ihn waren.

Herr Letsch, ist das Rechnen bei Ihnen als gelernter Mathe-Lehrer in diesen Tagen besonders hoch im Kurs?

Thomas Letsch Ich müsste lügen, wenn ich behaupte, dass ich nicht immer wieder auf die Tabelle gucke. Ich kenne auch die Restspielpläne der Konkurrenz. Aber wir können rechnen, wie wir wollen. Wir müssen punkten, wir haben es mit den Duellen gegen den FC Augsburg und Hertha in der eigenen Hand.

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Nicht nur Sie spielen noch gegen die direkte Konkurrenz. Bis auf Schalke 04 betrifft das alle im Abstiegskampf befindlichen Mannschaften.

Letsch Es ist eine der spannendsten Bundesliga-Saisons, die es seit sehr langer Zeit gab – egal, ob es um die Meisterschaft, die Champions League, den Europapokal oder eben für uns um den Klassenerhalt geht. Es gibt drei Mannschaften, die davon nicht mittelbar betroffen sind, alle anderen müssen bis zum Ende punkten.

Eine dieser Mannschaften, die im Tabellen-Niemandsland unterwegs ist, ist der kommende Gegner Borussia Mönchengladbach. Für Sie als Trainer ein Vor- oder ein Nachteil in der Spielvorbereitung?

Letsch Immer dann, wenn wir uns Gedanken um den Gegner machen, wird es kompliziert. Argumente gibt es sicher für beide Seiten. Aber: Es geht nur um uns. Wir wissen, wie wir Gladbach schlagen können. Das haben wir im Hinspiel gezeigt, als wir verdient gewonnen haben. Gladbach wird mehr Ballbesitz haben als wir. Deshalb müssen wir sie vom eigenen Tor weghalten, aggressiv sein und sie ärgern. Wir haben unsere Geschwindigkeit in vorderster Reihe und müssen unsere Chancen einfach nutzen. Nur darum geht es in dieser Phase.

In Heimspielen haben Sie sich mit Ihrer Mannschaft generell leichter getan, zuletzt aber auch fünf Punkte in Auswärtsspielen geholt. Ist diese Konstanz nun das große Plus im Abstiegskampf?

Letsch Wir haben drei Auswärtsspiele nicht verloren, da sprechen viele von einer Serie. Wir brauchen Punkte, gerade auswärts. Wir können uns in unserer Situation nicht darauf verlassen, dass wir unsere Heimspiele gewinnen und deshalb die Klasse halten. Wir müssen in Gladbach und in Berlin punkten – und das können wir auch.

Wie viel Pädagoge muss der Fußball-Trainer Letsch in diesen Tagen sein?

Letsch Angst darf in dieser Situation niemand haben, das wäre kontraproduktiv. Wir glauben an uns und daran, dass wir nächstes Jahr in der Bundesliga spielen. Natürlich führen wir mit den Spielern Gespräche. Dem einen streichelt man mal den Kopf, dem anderen tritt man in den Hintern. Ich bin verantwortlich für die gesamte Mannschaft. Wir haben 27 gesunde Spieler, da haben wir in der Trainingssteuerung offensichtlich viel richtig gemacht. Dadurch ergibt sich aber bei einigen auch Unzufriedenheit, weil sie weniger spielen. Aber wir merken, dass alle – die Mannschaft und die gesamte Stadt – mitziehen, um hier die Klasse zu halten.

Was machen Sie, damit Sie die Situation auch mal ausblenden können?

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Letsch Der beste Weg zum Abschalten ist Sport in der Natur. Ich will gern wieder laufen. Ob ich dazu komme? Keine Ahnung. Neben dem Abstiegskampf planen wir schließlich jetzt schon die kommende Saison, es fallen viele Dinge an. Bis zum Ende der Saison komme ich nicht mehr nach Hause zu meiner Familie. Es rattert die gesamte Zeit im Kopf.

Sie wissen, wie das Leben außerhalb des Fußballs funktioniert, waren vor der Trainerkarriere Lehrer. Sicher ein Vorteil in diesen Tagen, oder?

Letsch Und dennoch bin ich 25 Jahre als Fußball-Trainer tätig. Wir reden im Abstiegskampf immer von Krisen oder Katastrophen. Ich weiß aber, dass Schicksalsschläge andere Dinge sind. Und dennoch weiß ich auch, dass es für den Verein, die Fans und die Spieler gerade um eine ganze Menge geht. Da ist die Anspannung groß, auch bei mir.

Das dürfte Ihrem Kollegen Daniel Farke in Gladbach ähnlich gehen. Die Saison verlief dort nicht wie gewünscht. Wie wollen Sie Borussia am Samstag packen?

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Letsch Sie wollen den Ballbesitz, das haben sie in einigen Spielen gut gemacht. Aber ihnen fehlt in dieser Saison die Konstanz. Die hat aber keine Mannschaft in dieser Saison. Unser Ansatz ist immer ähnlich, es geht um Adaptionen. Gladbach wird gegen uns mit dem Selbstbewusstsein auftreten, dass sie uns dominieren wollen. Wir wollen sie weg von unserem eigenen Tor halten – und da habe ich ein paar Ideen, wie wir das angehen können.

Bevor Sie den Job beim VfL Bochum angenommen haben, lagen Ihre Stationen vor allem im Ausland. Jedes Land, jede Liga hat Ihre Eigenheiten. Was haben Sie wo mitgenommen und versuchen es hier zu adaptieren?

Letsch In den Niederlanden steht zum Beispiel das Spektakel im Vordergrund. Jedem ist dort ein 5:4 lieber als ein 1:0. Das macht Spaß, jede Mannschaft ist offensiv ausgerichtet. Ich fand es spannend, diese Lösungsansätze der verschiedenen Teams zu sehen. Mein Ansatz ist da eigentlich etwas anders. Das zusammenzubringen, war mein Ziel. Der größte Fehler als Trainer ist es zu sagen, ich weiß, wie es funktioniert. So war es auch bei meinen Stationen in Österreich, wo ich überwiegend bei Red Bull Salzburg und dem FC Liefering gearbeitet habe. Dort hatten wir die besten Talente, und es ging darum, der Spielphilosophie treu zu bleiben und sie weiterzuentwickeln. Bei Austria Wien habe ich dann versucht, diese Ideen auf einen Traditionsverein umzumünzen.

In Deutschland waren Sie vor der Zeit in Bochum außer im Amateurbereich nur drei Spiele für Erzgebirge Aue verantwortlich. War diese Erfahrung vielleicht sogar am Ende wichtiger, als viele Jahre bei einem Klub zu bleiben?

Letsch Alles hilft mir in meiner Entwicklung. Ich bin 54 Jahre alt und wenn ich drei Jahre in Portugal lebe und nichts mit Fußball zu tun habe, entwickle ich mich trotzdem weiter. Das gilt auch für die Zeit in Aue. Ich hatte eine klare Vorstellung, wollte die umsetzen und bin nicht so auf die Kollegen eingegangen, wie ich es hätte tun sollen. Wir wussten nichts voneinander, der Verein und ich, und deshalb hat es einfach nicht gepasst. Aber auch daraus habe ich meine Lehren gezogen. Ich habe jede Station so gebraucht, wie ich sie hatte. In Arnheim hatte ich dann das Gefühl, dass ich als Trainer bereit bin, jede Mannschaft zu trainieren.

Und nun kämpfen Sie in Bochum gegen den Abstieg aus der Bundesliga.

Letsch Und auch hier habe ich wieder andere Sachen hinzugelernt. Ich spiele mit meiner Mannschaft um den Klassenerhalt und nicht um Europa. Das ist auch wieder etwas anderes und hilft mir wieder in der persönlichen Entwicklung.

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Mit all diesen Erfahrungen, die Sie nun gemacht haben: Wie wird der VfL Bochum in Zukunft unter Ihnen aussehen?

Letsch Egal wie das im Abstiegskampf ausgeht: bei mir wird es kein „weiter so“ geben. Das ist der komplett falsche Ansatz. Unser Ziel ist es, die Klasse zu halten. Wenn uns das gelingt, dann möchte ich Dinge verändern, die Mannschaft und die Spielweise weiterentwickeln. Es ist kein Geheimnis, dass im Kader etwas passieren wird. Und das Ziel des VfL muss sein, sich als Top-25-Klub in Deutschland trotzdem in der Bundesliga zu etablieren. Und wenn wir es in dieser Bundesliga-Saison mit diesen hochkarätigen Konkurrenten schaffen, zwei oder drei Mannschaften hinter uns zu lassen, dann haben wir etwas Großes erreicht.

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