Borussia Mönchengladbach Jantschkes Jubel und ein Fluch ohne Ende

Mönchengladbach · Seit der Winterpause läuft es nicht mehr bei Borussia Mönchengladbach. Wenn dann auch noch der Angstgegner aus Hoffenheim kommt, scheinen nicht einmal Eckball-Tore von Tony Jantschke zu helfen. Und so endete am Samstag nur diese eine Negativserie.

Bundesliga 13/14, Gladbach - Hoffenheim: Einzelkritik
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1.) Et Trömmelche Streng genommen, hätte dieses Relikt niederrheinischer Brauchtumspflege ausfallen müssen. Denn Karneval kommt, so ist es der ersten Zeile eines bekanntes Liedes zu entnehmen, "jedes Johr em Winter, wenn et widder schneit". Aber das Mönchengladbacher Prinzenpaar benötigt keinen Schnee, um "jedes Jahr im Winter" zuverlässig im Borussia-Park vorbeizuschneien. Also "jeiht" kurz vor dem Anpfiff traditionell "et Trömmelche" — und "Kölle steigt ab". Doch bevor das in diesem Jahr passiert, fällt womöglich sogar Schnee.

2.) Der alte Belgier Sein zehntes Karneval am Niederrhein feiert Filip Daems in diesem Jahr. Dank seiner Vertragsverlängerung wird ein elftes folgen. Bei seiner Rückkehr gegen Hoffenheim — die letzte Mannschaft, gegen die er zuvor in der Startelf gestanden hatte — fügte sich der 35-Jährige mit einer gnadenlosen Grätsche gegen den 14 Jahre jüngeren Kevin Volland ein. Kurz nach der Pause tauchte Daems gefährlich im Strafraum auf, verpasste aber sein erstes Bundesligator aus dem Spiel heraus. Später war der Belgier nach einem Foul noch nicht wieder auf dem Posten. Hoffenheims Volland ließ dann ein paar Kollegen noch älter als 35 aussehen.

3.) Gute Vorzeichen Dabei hatte, wie schon in Bremen, sehr lange sehr viel darauf hingedeutet, dass die Borussia dieses Spiel gewinnen würde. Patrick Herrmann erzielte in der 4. Minute das schnellste Saisontor des VfL, Tony Jantschke ließ das schnellste 2:0 folgen und es ging zum erst zweiten Mal mit einer Zwei-Tore-Führung in die Pause.

Bundesliga 13/14, 22. Spieltag: Pressestimmen
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4.) Wie einst vor einem Jahr Was in der 18. Minute passierte, lässt sich sehr unterschiedlich interpretieren. Optimisten werden sagen: Plötzlich schoss Gladbach sogar mal wieder ein Eckballtor. Pessimisten mögen behaupten: Der VfL benötigte solch eine "Blaue Mauritius" unter den Standardtoren, um überhaupt 2:0 in Führung zu gehen. Nicht von der Hand zu weisen ist, dass nach 117 Ecken und 347 Tagen der Bann gebrochen ist. 75 dieser Ecken hatte Max Kruse getreten. Nun war es Raffael, der den Ball hereinbrachte.

5.) Was? Ich? Mittlerweile ist Tony Jantschkes verschämter Hand-vor-den-Mund-Jubel ein Markenzeichen. Wobei das Markenzeichen davon lebt, sich rar zu machen. Gegen Hoffenheim erzielte Jantschke, noch so ein Vertragsverlängerer der Vorwoche, sein viertes Bundesligator. Nummer zwei im April 2012 gegen Köln, Nummer drei im November 2012 gegen Wolfsburg sowie jetzt Nummer vier gegen Hoffenheim feierte er, als habe jemand im Strafraumgewusel einen Herrenwitz der übelsten Sorte erzählt. Bei seinem Premierentreffer am 6. Dezember 2008 war Jantschkes Vertrauen in die eigene Torgefahr offenbar größer: Leverkusens Stefan Kießling im Luftduell besiegt, Ball aus dem Tor geholt, kurz die Faust geballt. So routiniert sollte der damals 18-Jährige nie mehr jubeln.

6.) Später Schreck Zum vierten Mal in dieser Saison hat Gladbach gegen Hoffenheim in den letzten zehn Minuten eine Führung aus der Hand gegeben. Diesmal reichte sogar erstmals eine Zwei-Tore-Führung nicht. Den dadurch verlorenen acht Punkten steht nur der ähnlich spät erkämpfte Sieg gegen Borussia Dortmund gegenüber. Dreimal lag der VfL in der Schlussphase mit einem Tor zurück. Ein Lucky Punch, wie ihn die Mannschaft selbst oft genug einstecken musste, gelang dabei noch nicht.

7.) Das Siegen verlernt Lucien Favre stellt in den Wochen seines Dreijährigen und seines 100-Spiele-Jubiläums einige Negativrekorde auf. Nach erstmals drei Niederlagen in Folge unter dem Schweizer ist die Borussia nun erstmals seit sieben Bundesligaspielen sieglos. Wettbewerbsübergreifend gab es das in der Saison 2012/2013 bereits, die sieben Partien verteilten sich wegen der Europa-League-Teilnahme jedoch nur auf einen Monat.

8.) Dünn im Geschäft 90, 83, 76, 74 — wäre die Borussia ein übergewichtiger kleiner Mann, könnte man diese Zahlenfolge als echten Gewinn einordnen. Es handelt sich jedoch nicht um Kilogramm, sondern um die Passquote in Prozent. Seit dem Ballbesitz-Festival von Hannover vor drei Wochen hat der VfL in Sachen Sicherheit deutlich an Gewicht verloren. Frappierend: Die Sechser Christoph Kramer und Granit Xhaka belegen mit ihrer starken Passquote im Ligavergleich die Plätze 9 und 15. Gegen Hoffenheim kamen aber nur 69 und 68 Prozent aller Abspiele an.

9.) Kaum zu glauben Es wäre zu einfach, all das Schlechte vom Samstag in der Schublade mit der Hoffenheim-Seuche zu verstrauen. Was die Borussia regelmäßig gegen ihren Angstgegner verbockt, ist dennoch bemerkenswert:

10.) Die Spirale Nach dem Scharmützel in und um den Gästebereich hatte sich dieser zwischenzeitlich noch weiter geleert. Während die Hoffenheimer wieder in voller Stärke von 200 Fans den Punktgewinn ihrer Mannschaft beklatschten, hallten zum ersten Mal seit langer Zeit Pfiffe durch den Borussia-Park. Endgültig gekippt war die Stimmung, als Trainer Favre unmittelbar nach dem 2:2 Havard Nordtveit für Raffael brachte. Die meisten der 50.000 Zuschauer hatten wenig Verständnis für dieses Signal. Die Verunsicherung auf dem Platz und die Unzufriedenheit vieler Anhänger auf den Rängen schaukelten sich so gegenseitig hoch. Jeder Fehlpass schien den Frust zu befeuern, jedes Raunen schien den nächsten Fehlpass auf den Weg zu bringen. Erst der Abpfiff samt Pfeifkonzert beendete die Spirale. Ein bisschen Karnevalsfrohsinn kann momentan nicht schaden.

(cfk)
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