Kapitän Stindl verwundert Szenen nach Abpfiff zeugen von „Kluft“ zwischen Fans und Borussia
Freiburg · Lars Stindls Last-Minute-Ausgleich löste im Gladbacher Gästeblock nicht den sonst üblichen Jubel bei solchen Toren aus - zuvor hatte die Mannschaft eine 2:0-Führung verspielt. Aus der verhaltenen Freude wurde nach dem Abpfiff sogar ein Zwist. Was Adi Hütter und Christian Streich dazu sagten.
Lars Stindl konnte es nicht glauben. Da war ihm nach sieben Monaten Flaute sein erstes Tor gelungen, das 3:3 in der dritten Minute der Nachspielzeit beim SC Freiburg – und ein erheblicher Teil der Fans im Gästeblock schien sich nicht so richtig mit ihm freuen zu können. Erst gestikulierte er perplex, dann trat er einmal verärgert gegen die Werbebande.
Doch damit war es nicht genug: Nach dem Abpfiff kam Stindl seinen Kapitän-Pflichten nach und forderte die Kollegen auf, sich bei den eigenen Anhängern zu bedanken. Neben Aufmunterungsversuchen flogen den Borussen aber auch deutliche Unmutsbekundungen entgegen – also drehte die Mannschaft auf Stindls Geheiß vorzeitig wieder ab. „Ihr seid so lächerlich!“, wurde ihnen beim Gang in die Kabine hinterhergerufen.
Noch war das Kapitel, sinnbildlich für eine gewisse Entzweiung von Fans und Verein, allerdings nicht beendet. Hunderte Freiburg-Reisende verharrten länger im Gästeblock und pfiffen die Reservisten und Joker aus, die vor ihnen ihr Auslaufprogramm abspulten. Die wechselten daraufhin vor die Heimkurve und kehrten erst zurück, als der Gästeblock sich größtenteils geleert hatte.
Trainer Adi Hütter hatte davon genauso wenig mitbekommen wie vom verhaltenen Jubel nach dem 3:3. Dafür war ihm ein großes Plakat natürlich nicht entgangen. Darauf war zu lesen nach dem 1:3 im Derby gegen den 1. FC Köln in der Vorwoche: „Kein Kampf, kein Wille, kein Charakter – Ihr seid eine Schande für Stadt und Verein!“ Hütter ordnete das wie folgt ein: „Man muss gewisse Enttäuschungen unserer Fans auch verstehen. Die Saison ist einfach nicht zufriedenstellend. Deswegen muss man Ungeduld bei einem großen Verein wie Borussia Mönchengladbach manchmal auch verstehen. Es ist nicht gut, keine Frage.“
Mit dem Verweis auf den „großen Verein“ nahm Hütter auf der Pressekonferenz die Worte seines Kollegen Christian Streich auf. Freiburgs Trainer sah sich veranlasst, die schwierige Gesamtsituation bei Borussia zu kommentieren. „Ich wünsche Adi alles Gute. Es ist nicht einfach, wenn es mal nicht so läuft“, sagte er. „Gladbach ist ein großer Verein. Die Fans dürfen nicht vergessen, dass du nicht immer nur um die Champions League spielen kannst, auch nicht mit Gladbach. Sie müssen schauen, dass sie vernünftig bleiben. Das ist wichtig für den Trainer, die Mannschaft und das Umfeld. Ein Derby zu verlieren, ist nicht der Weltuntergang.“
Streich ärgerte sich mit seiner Mannschaft zwar enorm über den späten Punktverlust nach einem starken Comeback (0:2 hinten nach 13 Minuten, 3:2 vorne nach 80 Minuten). Doch vier Tage nach dem Einzug ins DFB-Pokalfinale und angesichts eines Rückstand von nur zwei Punkten auf Platz vier verspürten die Freiburger gleichzeitig Zufriedenheit. „Wenn ich Zuschauer gewesen wäre, würde ich mir eine Dauerkarte kaufen für die nächste Saison“, sagte Streich, der von seinem Pressesprecher postwendend aufgeklärt wurde, dass aktuell das Kontigent erschöpft sei. Und dann musste der Grünen-Wähler Streich auch noch mit der CDU-Bundestagsabgeordneten seines Wahlkreises für ein Selfie posieren – selbst das erledigte er mit der Lockerheit, die den Freiburgern auch der Last-Minute-Ausgleich gegen Gladbach nicht vollends nehmen konnte.
Die Borussen wiederum mussten erleben, dass selbst ein spätes 3:3 bei einem – zumindest temporären – Topteam nicht mehr für große Freude sorgt in dieser Saison. „Wir haben eines zu tun: bestmöglich Fußball spielen, Leistungen bringen und punkten“, sagte Hütter. „Dann können wir die aktuelle Kluft wieder schließen.“