Analyse Eine Niederlage als Argumentationshilfe

Leverkusen · Bayers Niederlage in Hannover ist kein Rückschritt, sondern Teil des Entwicklungsprozesses. Das große Ganze funktioniert, ist aber ob des kleinen Kaders immer anfällig, wenn Umstellungen Qualität kosten. Neuzugänge im Winter sind deshalb vorgesehen.

Bundesliga 12/13, Leverkusen - Nürnberg: Einzelkritik
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Dass sie sich bei Bayer 04 unwidersprochen eingestehen durften, dass die Niederlage in Hannover so selbst verschuldet wie unnötig war, taugte zwar nicht als Stimmungsaufheller, es ließ aber zumindest angenehmere Rückschlüsse auf das Gesamtbild der eigenen Leistung zu als es Niederlagen tun, bei denen man einräumen muss, die schlechtere Mannschaft gewesen zu sein. "Das wird uns keinen Knacks geben", stellte Stefan Kießling fest, nachdem der erste Ärger verraucht war.

Hannover wird deswegen kein Knacks sein, weil die Niederlage die Gesamtentwicklung der Werkself nicht tangiert, sondern fast schon erwartbarer Teil eines Entwicklungsprozesses ist. Ein Prozess, der Leverkusen dann zurecht im Gewand eines Tabellenzweiten sieht, wenn alle zum funktionierenden Kollektiv beitragen. Zwingt die Lage der Dinge aber zu Umstellungen oder scheren nur wenige in den Bereich unterhalb der Normalform aus, halten Qualitätseinbußen Einzug, die wie in Hannover Punkte kosten können. "Wir wissen, welche Qualitäten wir haben und dass wir da zurecht stehen", sagte Sportdirektor Rudi Völler.

Wer seine Qualitäten an diesem Abend in Niedersachsen nicht abgerufen hatte, war Philipp Wollscheid. Er musste, weil Manuel Friedrich für Ömer Toprak einsprang, den linken Part des Innenverteidiger-Duos spielen. Eine notwendige Umstellung, die — siehe den Fehler vor dem 0:1 — auf Kosten der Qualität geht. Das hatten zuvor schon die Spiele in Trondheim und Wolfsburg gezeigt, wo Friedrich rein und Wollscheid rüber gerückt war. Hannover zeigte auch, dass Friedrich so lange gut aussieht, so lange er Situationen antizipieren kann. Verliert er diesen Vorteil, wird es eng, weil er langsam ist. Dasselbe galt für Sami Hyypiä in seiner letzten Saison. Bei Stefan Reinartz war die Situation vor Hannovers zweitem Elfmeter wohl einer mentalen Müdigkeit geschuldet, die sich daraus ergibt, dass er anders als viele Kollegen in der Rotation der vergangenen Wochen nur wenig Pausen erhalten hatte. Auch hier spielt somit der kleine Kader eine Rolle.

Dass dieser Kader in der Winterpause mit Spielern der Kategorie "Soforthilfe" vergrößert werden wird, daraus machen die Verantwortlichen in der BayArena längst keinen Hehl mehr. Denn niemand darf erwarten, dass die Mannschaft auch durch die Englischen Wochen der Rückrunde mit derart viel Geschick und Glück manövriert, wie sie es in der erfolgreichen Hinrunde getan hat. Wohl genauso wenig, wie Bayer in dieser Saison noch einmal zwei glasklare Elfmeter binnen 90 Minuten verursachen wird. Zuletzt war das im Dezember 2000 beim 2:3 in Bochum der Fall.

Bayer 04 am Jahresende 2012 ist ein gefestigtes Konstrukt. Eins, das selbst den Grund für Niederlagen nicht dem Gegner überlässt.

(RP/ac)
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