Ex-Schiedsrichter Rafati mahnt offeneren Umgang mit Schwächen im Profifußball an

Hannover · Der frühere Bundesliga-Schiedsrichter Babak Rafati litt unter Depressionen und konnte nur knapp gerettet werden. Heute gibt der 49-Jährige seine Erfahrungen als Redner und Mentalcoach weiter. Und sieht großen Verbesserungsbedarf in der Fußball-Branche.

 Babak Rafati.

Babak Rafati.

Foto: imago/Noah Wedel/Noah Wedel

Der 19. November ist für Babak Rafati ein Feiertag. Der frühere Bundesliga-Schiedsrichter freut sich schon auf einen entspannten Restaurantbesuch mit seiner Frau Rouja. Etwas Durchschnaufen von der Arbeit, gutes Essen, die gemeinsame Zeit - und das Leben genießen.

"Es ist offiziell mein zweiter Geburtstag", sagt der 49-Jährige im SID-Interview: "Es war ein bitterböser Tag in meinem Leben, aber wiederum hat er auch etwas sehr Schönes. Ich habe aus den Fehlern von damals wahnsinnig viel gelernt." Doch die Fußball-Branche sieht Rafati zehn Jahre nach dem Tod von Robert Enke und trotz seines eigenen Falles dagegen weiter als wenig aufgeklärt in Fragen psychischer Gesundheit an.

Rafatis Zusammenbruch ereignete sich im November 2011. Gepeinigt von Depressionen sah der Referee keinen Ausweg mehr. Seine Assistenten fanden ihn vor der Partie des 1. FC Köln gegen Mainz 05 nach einem Suizidversuch gerade noch rechtzeitig im Hotelzimmer. "Auf der Klippe zwischen Leben und Tod", wie Rafati sagt, gab es für ihn eine Rettung.

Rafati ist heute dankbar und gesund, er hat sein Leben umgekrempelt. Nach dem offiziellen Rücktritt 2012 und erfolgreicher Therapie baute er sich eine neue Existenz auf. Er hält erfolgreich Vorträge zu den Themen Depressionen, Mobbing und Burn-out und ist als persönlicher Mentaltrainer weiterhin dem Fußball verbunden. Und er spricht offen aus, was er über das Profigeschäft denkt.

"Es ist absolut nichts besser geworden", sagt Rafati und verweist dabei auch auf eine ähnliche Einschätzung von Enkes Psychiater Valentin Markser: "Ich glaube, dass bei der DFL und beim DFB das Thema Stress und Druck viel zu sehr unterschätzt wird. Ich kriege es im Coaching ja mit, welche Dinge die Spieler beschäftigen - und es wird immer mehr."

Auf kurz auflodernde rhetorische Feuerwerke folge im Fußball keine echte Auseinandersetzung mit dem Thema. "Es ist keine Schande, wenn einer mal nicht weiter weiß", sagt Rafati: "Und aus eigener Erfahrung sage ich: Wenn du dich damit beschäftigst und die Zusammenhänge verstehst, dann wirst du vielleicht für ein, zwei Monate weniger spielen - aber dann kommst du richtig gestärkt raus, dir wachsen Flügel. Dann aber für immer."

Die Bereitschaft, sich in dem Millionengeschäft mit menschlichen Schwächen zu beschäftigen, müsse wachsen. Dies bringe den Klubs nicht den laut Rafati befürchteten "Imageverlust" ein, es biete vielmehr sportliche Potenziale. "Du gewinnst die Spiele in Zukunft nicht, indem du mehr trainierst", sagt der einstige FIFA-Referee: "Du gewinnst sie im Kopf - indem du mental fit bist und Stressmomente nicht mehr als solche wahrnimmst."

Rafati gelingt dies heute, er hatte Glück mit zwei "Sechsern im Lotto - meine Frau und meine Therapie."

(sid/old/dpa)
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