Brief wegen Bundesratsabstimmung Vogel attackiert Wowereit

Berlin/Erfurt (rpo). Im Streit über die Bundesratsabstimmung zum Zuwanderungsgesetz hat Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) dem derzeitigen Bundesratspräsidenten Klaus Wowereit (SPD) in einem Brief schwere Vorwürfe gemacht.

Durch Wowereits Verhalten seien die "Verfassungsorgane der Bundesrepublik direkt und unmittelbar in Gefahr (...), Schaden zu nehmen." Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit hatte die Stimme Brandenburgs nach dreimaliger Nachfrage als Ja gewertet, wodurch das Gesetz die erforderliche Mehrheit erhielt. Vogel fügte in dem am Dienstag veröffentlichten Schreiben hinzu, Bundespräsident Johannes Rau werde in eine der Sache nicht zuträgliche Entscheidungslage gedrängt.

Die FDP forderte ein Allparteiengespräch beim Bundespräsidenten. Der innere Friede müsse wiederhergestellt werden, sagte FDP-Vize Rainer Brüderle in Berlin. "Es gibt niemanden, der besser für den Rechtsfrieden einstehen könnte als der Bundespräsident. Wir brauchen einen Bürgerpräsidenten und keinen Notar."

Die Union kündigte erneut an, dass sie vor dem Bundesverfassungsgericht klagen wird, wenn Rau das Gesetz unterschreibt. Der Leiter der bayerischen Staatskanzlei, Erwin Huber (CSU), sagte am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin, insgesamt sei klärungsbedürftig, wie bei unterschiedlicher Stimmenabgabe im Bundesrat die Verfassung künftig auszulegen sei.

Der Grünen-Innenexperte Cem Özdemir betonte in derselben Sendung: "Ich glaube wir sind alle weiterhin gut beraten, dem Bundespräsidenten keine Vorschläge zu machen, da auch gut gemeinte Vorschläge völlig fehl angebracht sind." Die Union müsse sich damit abfinden, eine politische Entscheidung verloren zu haben, ansonsten werde das Spiel, das sie betreibe, "langsam absurd".

Das Bundespräsidialamt hatte zuletzt deutlich gemacht, dass Rau noch nicht entschieden habe, ob er das Gesetz unterschreiben werde oder nicht. "Wie alle Gesetze" werde das Zuwanderungsgesetz zunächst sorgfältig geprüft. Beobachter gehen davon aus, dass dies noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" hatte berichtet, Rau sei fest entschlossen, das Zuwanderungsgesetz zu unterzeichnen.

Nach Auffassung der Union ist das Gesetz nicht verfassungsgemäß zu Stande gekommen, weil Brandenburg im Bundesrat nicht einheitlich abgestimmt hat. Nachdem zunächst Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) Nein und Sozialminister Alwin Ziel (SPD) Ja gesagt hatten, stimmte Brandenburgs Regierungschef Manfred Stolpe (SPD) auf Nachfragen von Bundesratspräsident Klaus Wowereit (SPD) mit Ja.

SPD wirft Stoiber "schweinische Spekulation auf DVU-Erbe"

Nach den Grünen hat nun auch die SPD massive Kritik an der Ankündigung von Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber geübt, er wolle schon die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt zur Abstimmung über das Zuwanderungsgesetz machen. SPD-Vize-Fraktionschef Ludwig Stiegler nannte das Vorhaben des CSU-Politikers "eine schweinische Spekulation auf das Erbe der DVU". Die rechtsextremistische Deutsche Volks-Union hatte bei der Landtagswahl vor vier Jahren in Sachsen-Anhalt auf Anhieb 12,9 Prozent erzielt, tritt aber diesmal nicht mehr an.

Mit dem Thema Ausländerpolitik agiere die Union "auf Kosten von Unbeteiligten", sagte Stiegler der "Süddeutschen Zeitung" (Mittwochausgabe). "Mit Appellen an den inneren Schweinehund mancher Wähler Politik zu machen, war schon immer das Markenzeichen der CSU." Er hoffe aber, dass die Mahnungen der Vernünftigen die Union zum Nachdenken brächten. Stoibers Vorhaben sei die Reaktion auf das "gescheiterte Schauspiel" der Union" im Bundesrat. "Jetzt läuft Stoiber in dieser Sache Amok", sagte Stiegler.

Stoiber hatte am Wochenende erklärt: "Sicher werden bei der Bundestagswahl, aber auch jetzt in Sachsen-Anhalt die unterschiedlichen Ansätze in der Ausländerpolitik mit zur Abstimmung stehen." Der Leiter der bayerischen Staatskanzlei, Erwin Huber, verteidigte diese Linie. "Was das Volk berührt, muss auch im Wahlkampf eine Rolle spielen", sagte der CSU-Politiker im ZDF-Morgenmagazin. Die Parteien müssten für die Bürger unterscheidbar sein. Allerdings werde die Union "keine Stimmungsmache gegen Ausländer" veranstalten. Der politische Gegner seien SPD, Grüne und PDS, nicht Ausländer.

Beck und Ringstorff gegen Stimmenteilung

Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern, Kurt Beck und Harald Ringstorff (beide SPD), haben sich gegen Überlegungen ausgesprochen, im Bundesrat die Stimmen der Länder aufzuteilen. Ein Splitting der Stimmen von Koalitionsregierungen würde das Verfahren unnötig verkomplizieren, sagte Ringstorff am Dienstag in Schwerin. "Die Regierungen sollten immer zum Wohle des Landes stimmen, deshalb müssten sich Koalitionen eigentlich einig sein. Sind sie es nicht, wäre eine Übertragung des Koalitionsstreits in die Länderkammer wenig sinnvoll", sagte der Regierungschef von Mecklenburg-Vorpommern.

(RPO Archiv)
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