CDU-Kandidat Wie rechts ist Maaßen wirklich?

Analyse · Er betont die Distanzierung von der AfD, genießt dabei den Ruf der Basis, für die alten Werte der CDU zu stehen. Es sei „unverschämt“, ihn in die rechte Ecke zu stellen, betont der frühere Verfassungsschutzpräsident. Wie es dennoch dazu kommt.

 Hans-Georg Maaßen nach seiner Nominierung als Bundestagskandidat der Südthüringer CDU in Suhl am vergangenen Freitag.

Hans-Georg Maaßen nach seiner Nominierung als Bundestagskandidat der Südthüringer CDU in Suhl am vergangenen Freitag.

Foto: dpa/Michael Reichel

Am Vormittag des 2. Mai 2011 ist ein Jet auf dem Weg von Deutschland nach Washington: Die erste USA-Reise des neuen Innenministers Hans-Peter Friedrich von der CSU. Soeben ist bekannt geworden, dass in der Nacht US-Spezialkräfte den meistgesuchten Terroristen Osama Bin-Laden zur Strecke gebracht haben. Friedrich wird die US-Administration dazu beglückwünschen und sich für Hinweise bedanken, die zur Enttarnung der Düsseldorfer Terrorzelle führten. So konnte ein verheerender Terroranschlag verhindert werden. Mit an Bord ist ein öffentlich wenig bekannter Unterabteilungsleiter, zuständig für Terrorabwehr. Der Minister schätzt seine Expertise und wird ihn 15 Monate später zum neuen Verfassungsschutzpräsidenten machen: Es ist der Mönchengladbacher Jurist Hans-Georg Maaßen.

Die Düsseldorfer Terrorzelle wird nicht die letzte islamistische Bedrohung sein, die unter Maaßens Beteiligung vereitelt wird. Doch Maaßen kann sich im neuen Amt nicht allein auf den Kampf gegen den immer bedrohlicheren islamistischen Terror konzentrieren. Beim Amtsantritt türmen sich auf seinem Schreibtisch bereits Altlasten der Verfassungsschutzbehörden in Sachen Rechtsterrorismus. Wieder und wieder gerät Maaßen optisch in die Defensive, wenn bei der Aufklärung des behördlichen NSU-Versagens wieder fragwürdige Details über V-Leute und geschredderte Akten öffentlich werden. Dabei geben Mitarbeiter zu Protokoll, dass die Anweisungen des neuen Chefs an Eindeutigkeit und Klarheit keine Fragen offenlassen.

Parallel dazu beginnen die Zahlen illegal einreisender Asylbewerber ins zuvor Unvorstellbare zu wachsen. Seit zwei Jahrzehnten kennt sich Maaßen im deutschen Ausländerrecht aus wie kein zweiter. Schon seine Doktorarbeit drehte sich um die „Rechtsstellung des Asylbewerbers“. Das Aufenthaltsrecht hat er geschrieben - mit der Zielrichtung, die Migration damit steuern und begrenzen zu wollen. Das war in den 90ern durchaus Hinweis auf ein vergleichsweise „linkes“ Denken. Seinerzeit orientierte sich die CDU, der Maaßen 1987 beigetreten war, an der Vorstellung, dass Deutschland eh kein Einwanderungsland sei.

Einer, der die Migration steuern und begrenzen will und obendrein noch die Regierung vor potenziell gefährlichen Islamisten warnen soll, findet 2015 angesichts von 800.000 Migranten keinen ruhigen Schlaf mehr. Maaßen geht es da wie Dieter Romann, dem Präsidenten der Bundespolizei. Ihn kennt er aus gemeinsamen Jahren im Innenministerium, und mit ihm verbindet ihn nun der Versuch, die Signale auf „Stopp“ zu stellen. Ein seltener Vorgang: Behördenchefs stemmen sich gegen die Vorgaben des Kanzleramtes. Unüberprüft ins Land, akzeptiert als „Donald Duck“ oder „Muhammed Ali“, achselzuckend durchgewunken, so stellt sich Maaßen nicht den Umgang deutscher Sicherheitsbehörden mit Asylbewerbern vor.

Inzwischen ist Thomas de Maizière Innenminister. Und auch er weiß, was er an ihm hat – hält deshalb an ihm fest. So macht es auch dessen Nachfolger Horst Seehofer. „Ich habe Hans-Georg Maaßen als Verfassungsschutzpräsident erlebt. Dort hat er gute Arbeit geleistet“, sagt der Minister auch zweieinhalb Jahre nach dem Bruch. Nachdem Maaßen öffentlich die Darstellung von Medien und Kanzleramt über fremdenfeindliche „Hetzjagden“ in Chemnitz in Zweifel gezogen hat, entschuldigt er sich in den parlamentarischen Gremien. Seehofer sieht deshalb im September 2018 zunächst keinen Anlass für Konsequenzen. Nach der Entschuldigung „war der Vorgang für mich abgeschlossen“, erinnert sich der Minister. „Als er diese Aussagen danach noch einmal wiederholte, war das für mich nicht mehr hinnehmbar und ich musste handeln“, erläutert Seehofer jetzt.

Den Verdacht einer originellen Weltsicht nährt Maaßen seinerzeit in seiner Abschiedsrede vor internationalen Nachrichtendienstlern, denen er seinen Sturz als das Werk von „linksradikalen Kräften in der SPD“ beschreibt. Umgehend findet sich Maaßen im einstweiligen Ruhestand wieder.  Den nutzt der 55-Jährige für Sport und eine Wiederbelebung seiner Anwaltstätigkeit. Bis zum 16. Februar des folgenden Jahres. Da lässt er sich durch die konservative CDU-Strömung Werte-Union in einem Kölner Hotel feiern. Die Pressearbeit macht zu diesem Zeitpunkt der Kölner Anwalt Ralf Höcker. Einige Zeit später beginnt Maaßen für dessen Kanzlei zu arbeiten. Beide halten es für unproblematisch, dass Höcker auch Mandate der AfD übernimmt. Das schließt Maaßen für sich aus. Erst als Anfang dieses Jahres bekannt wird, dass Höcker auch den Rechtstreit der AfD mit dem Verfassungsschutz betreibt, beendet Maaßen die Zusammenarbeit.

Der Kölner Auftritt wirkt wie ein Testballon. Maaßen scheint sich in seine neue Rolle hineinzufinden, tritt der Werte-Union bei, liked fortan viele Aussagen der Werte-Union, die von vielen auch in der CDU als problematisch empfunden werden. Und Maaßen sorgt auch selbst für Zitate, die sich in Windeseile verbreiten. Eines davon: „Ich bin vor 30 Jahren nicht der CDU beigetreten, damit heute 1,8 Millionen Araber nach Deutschland kommen.“ So sagt er es im Sommer 2019 in Weinheim – unter dem Jubel der CDU-Basis. Dass er mit Signalen wie diesen „in die rechte Ecke“ gestellt wird, empfindet er als „unverschämt“ – und verweist auf Misshandlungen und Verfolgung von Opa und Onkel durch die Nazis.

Es ist eine am Rande der politischen Auseinandersetzung bewährte Taktik, die Maaßen fortan zu großer Meisterschaft entwickelt: In den Handlungen konsequent geradeaus zu fahren, beizeiten aber immer mal wieder rechts zu blinken. Etwa mit der Andeutung, dass die AfD vielleicht nur „derzeit“ nicht für Koalitionen in Frage komme. „Es kann sein, dass die AfD in zehn Jahren eine ganz andere Partei ist“, gibt Maaßen zu bedenken. Es ist im Sommer 2019 der offensichtliche Versuch einer Auflockerung. Dieses Spiel mit dem Feuer hat er einstweilen eingestellt.

Aber es bleiben reichlich andere Signale. So als Maaßen in der Kampagne des US-Präsidenten Trump gegen die vermeintlich gefälschten Präsidentschaftswahlen ein „Like“ bei Trumps Twitter-Ratschlag an seinen Vizepräsidenten hinterlässt, er habe die Macht, aufgrund von Fälschungen ins Amt gekommene Wahlmänner zurückzuweisen.

Ein typisches Signal auch bei seiner Bewerbungsrede in Suhl. Er habe sich beim Vorgehen gegen die AfD als Verfassungsschutzpräsident an Recht und Gesetz und nicht an Opportunität gehalten, sagt Maaßen. Handelt etwa sein Nachfolger nach politischen Vorgaben? Gesagt hat Maaßen es nicht, nur mal geblinkt. Die Delegierten sind von ihm begeistert – 37 von 43 stellen ihn als Kandidaten auf. Maaßen weiß, dass sein Wahlkampf nun unter besonderer Beobachtung stehen wird. An den nächsten Blinkzeichen dürfte ihn das nicht hindern. Sein Publikum sehnt sich danach.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort