Kolumne: Gott und die Welt Das Fest des lebendigen Leibs

Meinung | Köln · An Fronleichnam gehen Christen auf die Straße – und das nicht zum trauern.

 Die "Mülheimer Gottestracht" ist eine Prozession mit Schiffen und Booten, die an Fronleichnam stattfindet.

Die "Mülheimer Gottestracht" ist eine Prozession mit Schiffen und Booten, die an Fronleichnam stattfindet.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Fronleichnam – noch so ein Feiertag mit einem seltsamen Namen. Klingt ein bisschen nach Tod und der Freude darüber. Weit gefehlt: Mit Leiche hat das Fest rein gar nichts zu tun. Im Gegenteil: Das Wort Fronleichnam stammt aus dem Mittelhochdeutschen und setzt sich aus „vron“ (Herr) und „licham“ (lebendiger Leib) zusammen.

Fronleichnam ist also ein äußerst lebendiges Fest – und ein urkatholisches dazu. Denken Sie nur an die Prozessionen durch Natur und oft liebevoll geschmückte Straßen! Die erste in Deutschland zog 1279 durch Köln. Bis heute wird dabei in goldverzierten Gefäßen (Monstranzen) der Leib Christi in der Brothostie gezeigt. Die Katholiken erinnern an Fronleichnam an Jesu bleibende Gegenwart unter Gestalt von Brot und Wein. Die Prozession steht dabei sinnbildlich für das wandernde Gottesvolk in der Welt mit Christus in seiner Mitte.

Jetzt fragen Sie vielleicht: Ist das alles noch zeitgemäß? Vielen Betrachtern mag so eine Prozession, bei der gesungen und gebetet wird, heute reichlich merkwürdig erscheinen. Christen gehen auf die Straße, demonstrieren für ihren Glauben, so scheint es. Stimmt, aber sie tun es ohne Parolen und nicht kämpferisch, sondern fröhlich und bunt, manchmal mit Blasmusik oder Fahnenträgern, zu Fuß, mit dem Fahrrad oder sogar zu Pferd und auf Schiffen. Erstaunlich, wie viele Menschen nicht nur bei uns im Rheinland, sondern auch in Bayern, also in den traditionell katholischen Regionen Deutschlands, an Fronleichnam unterwegs sind.

Und die Botschaft ist zutiefst menschlich und gut: Wenn ich Gott nicht in den Menschen auf den Straßen und Wegen entdecke, dann suche ich ihn auch in der Monstranz und in der Kirche vergebens.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki schreibt hier an jedem dritten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort