Kolumne Gesellschaftskunde Verführerische Doppelspitze

Führungsduos sind spannend, weil sie Potenzial bieten: breitere Wirksamkeit zum Beispiel. Und sie sind heikel, denn sie steigern das Konfliktpotenzial. Die SPD sollte also gewarnt sein.

 Deutschlands derzeit erfolgreichste Doppelspitze: Annalena Baerbock und Robert Habeck von den Grünen.

Deutschlands derzeit erfolgreichste Doppelspitze: Annalena Baerbock und Robert Habeck von den Grünen.

Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Wenn sich nicht mal mehr die SPD einem Trend entziehen kann, dann muss es sich wirklich um etwas sehr Interessantes handeln. Die Rede ist von der Doppelspitze – also der Idee, ein Amt (in diesem Fall den Parteivorsitz) auf zwei Köpfe aufzuteilen, wie es die SPD derzeit diskutiert. Drei größere Parteien und ihre Bundestagsfraktionen haben das schon getan: AfD, Linke und Grüne. Eine Frage der Ideologie sind Doppelspitzen also nicht. Eine Garantie für anständige Politik auch nicht – siehe AfD. Auch keine für Erfolg – siehe Deutsche Bank, dieser Ausflug in die Wirtschaft sei erlaubt. Und das Hoch der Grünen dürfte vor allem insofern mit der Doppelspitze zu tun haben, als ihre männliche Hälfte Habeck heißt. Ansonsten müsste die Partei derzeit schon sehr viel falsch machen, um keinen Erfolg zu haben.

Warum also Doppelspitzen? Um verschiedene Strömungen abzubilden, klar. Dafür müssen nur erstens Strömungen erkennbar sein und zweitens profilierte Exponenten zur Verfügung stehen. Bloß Vertreter eines Flügels zu sein, reicht nicht – es muss schon individuelle Wirksamkeit hinzukommen, bestenfalls Charisma. Politik bleibt eine Sache starker Persönlichkeiten, ob man das gut findet oder nicht. Doppelspitzen sind auch deshalb nicht per se ein Fortschritt: Was breiter wird, wird auch stumpfer. Zuspitzung auf einzelne Personen wird schwieriger, wenn sie nicht die Harmonie der Doppelspitze selbst gefährden soll.

Zu zweit zu führen, mag die Möglichkeit bieten, größere Zielgruppen anzusprechen. Es erhöht aber auch das Risiko internen Konflikts. Und wenn die Wähler eins nicht mögen, dann Politiker, die mit ihren Parteifreunden statt mit ihren Gegnern streiten. Doppelspitzen sind interessant, sie sind verführerisch, aber auch gefährlich. Eine Sache, der man sich zuwenden könnte, wenn man verzweifelt ist.

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