Parteilinke pocht auf Erhöhungen Die SPD, ihre Steuerpläne und der Wahlkampf

Berlin · Rückt die SPD nun von Steuererhöhungen ab oder nicht? Die Interviews von Parteichef und Kanzlerkandidat sorgten am Wochenende für reichlich Verwirrung. Steinbrück selbst relativierte inzwischen seine Aussage, und auch die SPD-Linke will von den Plänen nicht abrücken. Für die Opposition jedenfalls ist die Debatte eine Steilvorlage im nun vollends entbrannten Wahlkampf.

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Foto: dpa, Arno Burgi

In den Umfragen will es für die Sozialdemokraten einfach nicht bergauf gehen. Dabei sind es nur noch 34 Tage bis zur Bundestagswahl. Verständlich, dass bei einigen Genossen schon Zweifel aufkommen, ob denn überhaupt noch die Kehrtwende in Richtung Wahlsieg gelingt. Die "Süddeutsche Zeitung" etwa zitiert einen führenden SPD-Politiker, der seinen Namen nicht genannt haben will, mit den Worten "Dazu müsste eigentlich ein Wunder geschehen."

Entsprechend scheint auch die Frage im Raum zu stehen, ob denn die Partei auch die richtige Strategie mit Blick auf die Wahl fährt. Jedenfalls klangen Interview-Aussagen von Parteichef Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück am Wochenende nach einer Kehrtwende in Sachen Steuerpolitik. Denn mit den — wie von den Grünen — geplanten Steuererhöhungen konnte die SPD beim Wähler bislang nicht so wirklich punkten.

So hatte Gabriel dem "Spiegel" gesagt, die Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerdumping sei "der bessere Weg zum Schuldenabbau (...) als Steuererhöhungen." Und Steinbrück sagte der "Bild am Sonntag" in Bezug auf den Kampf gegen Steuerhinterziehung: "Je erfolgreicher wir dabei sind, desto eher können Steuersätze auch gesenkt werden." Doch so eine richtige Kehrtwende der Sozialdemokraten war es dann doch nicht.

Steinbrück: "Man muss uns manchmal beim Wort nehmen"

Denn Steinbrück selbst war es, der bereits am Sonntagabend im RTL-Interview klarstellte, dass die SPD keineswegs von ihren Plänen, den Spitzensteuersatz anzuheben, abrückt. "Man muss uns manchmal auch beim Wort nehmen", betonte er. "Wenn wir nachweislich erfolgreicher sind bei der Bekämpfung von Steuerbetrug, dann kann man darüber nachdenken, ob man Steuersätze auch wieder senkt. Aber in dieser Reihenfolge bitte." Steuersenkungen, so der Kern, seien also durchaus möglich — aber nur, wenn der Kampf gegen Steuerhinterziehung erfolgreich ist und zu deutlichen Mehreinnahmen führt.

Und auch die SPD-Linke macht deutlich, dass mit ihr eine Kehrtwende bei diesem Thema nicht zu machen sei. "Es ist völlig klar, dass unser Steuerkonzept bleibt", sagte der Koordinator des linken Flügels, Ralf Stegner, "Spiegel Online". "Dafür würden in der Partei weder ein Kanzlerkandidat noch ein Parteivorsitzender Mehrheiten bekommen." Aber auch Stegner fügte hinzu, dass man über Steuersenkungen reden könne, wenn man im Kampf gegen Steuerkriminalität Milliardenbeträge reinholen könne — "aber erst dann. Das passiert nicht von heute auf morgen."

Die SPD versucht also lediglich, den Fokus von ihren Steuererhöhungsplänen in Richtung Kampf gegen Steuerbetrug zu lenken. Ein Kampf, den die Sozialdemokraten in NRW zuletzt deutlich gegen Schwarz-Gelb im Bund durchgeführt hatten — indem sie zum Unmut der Berliner Politik Steuer-CDs kauften, so Mehreinnahmen aufzeigen konnten und auch, dass sich die Zahl der Selbstanzeigen erhöht habe. Ein erfolgreiches Beispiel, das sich wohl nun auch die Bundespartei zunutze machen und zugleich von der Kritik am eigenen Wahlprogramm ablenken will. Doch die Irritationen um Steinbrücks und Gabriels Aussagen weiß Schwarz-Gelb durchaus für sich zu nutzen.

Gröhe: Halbherzige Kurskorrektur

So warf CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe etwa der SPD vor, den Wählern eine halbherzige Kurskorrektur vorzugaukeln. "Steinbrück, Gabriel und Co. merken einen Monat vor der Wahl, dass ihre Abkassierpläne bei den Bürgern durchgefallen sind", sagt er unserer Redaktion. Und auch FDP-Generalsekretär Patrick Döring warf den beiden SPD-Politikern vor, sie wollten "den Menschen Sand in die Augen streuen". "Erst kündigen sie Steuererhöhungen von 40 Milliarden Euro an und jetzt, wo die Umfrageergebnisse im Keller sind, sollen auf einmal mit Geld von Steuerhinterziehern die Steuern wieder gesenkt werden."

Gabriels und Steinbrücks Aussagen sind eine Steilvorlage für Schwarz-Gelb in der heißen Phase des Wahlkampfes. Denn schließlich wird nun jede Gelegenheit genutzt, um die politische Konkurrenz zu diskreditieren. Das wissen auch die Sozialdemokraten, die dennoch nicht müde werden, öffentlich weiter zu skandieren, dass sie an einen Wahlsieg glauben. Angesichts interner Skepsis aber beklagt selbst der Parteichef, dass er "die Ängstlichkeit mancher Funktions- und Mandatsträger vor dem 22. September" kenne, wie ihn die "Süddeutsche Zeitung" zitiert.

Gabriel scheint also lieber den Schritt nach vorn wagen zu wollen, Offensive statt Defensive. Mit seinen Aussagen zur Steuerpolitik aber hat er zunächst einmal — gemeinsam mit Steinbrück — für Verwirrung gesorgt. Und ob das letztlich der Partei zugutekommt, mag dahin gestellt sein.

mit Agenturmaterial

(das)
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