Klamme Kassen Bürgermeister protestieren in Berlin

Berlin · Mit einem Motivwagen von Jaques Tilly haben die Kommunalvertreter einen Schuldenschnitt und mehr Fördermittel des Bundes gefordert.

 Der Motivwagen mit der Figur eines beladenen Esels vor dem Willy-Brandt-Haus am Montag.

Der Motivwagen mit der Figur eines beladenen Esels vor dem Willy-Brandt-Haus am Montag.

Foto: Bündnis "Für die Würde unserer Städte"/Andreas Endermann / Bündnis "Für die Würde unserer Städte"

Die Kommunen als Esel, der unter dem Druck von Altschulden und Corona-Lasten in die Knie geht: Mit diesem Motivwagen von Jaques Tilly sind am Montag Oberbürgermeister und Kämmerer aus rund 70 Städten und Kreisen unter anderem vor die Parteizentrale der SPD in Berlin gezogen, um auf ihre angespannte Kassenlage aufmerksam zu machen. Auch bei CDU, FDP, Linken und den Grünen machte das Lastentier halt. Das Bündnis „Für die Würde unserer Städte“ warnte damit vor drohender Handlungsunfähigkeit der Kommunen.

Mehrere Vertreter aus NRW-Städten waren dabei und hatten insbesondere die laufenden Sondierungsgepsräche von SPD, Grünen und FDP für eine mögliche Ampel-Koalition unter der Führung von Olaf Scholz (SPD) im Bund im Blick. Burkhard Mast-Weisz (SPD), Oberbürgermeister von Remscheid, sagte: „Ich hoffe sehr, dass das, was Olaf Scholz im Wahlkampf gesagt hat, auch Wirklichkeit wird. Wir in den Kommunen brauchen zusätzliche Förderprogramme, die zweckgebunden sind und nicht von den Ländern verteilt werden.“ Er habe Angst vor Zinserhöhungen. „Remscheid schiebt mehr als 600 Millionen Euro Schulden vor sich her, unser Haushaltsvolumen sind rund 400 Millionen Euro“, so Mast-Weisz. „Alleine schaffen wir es nie, diese Schulden abzutragen. Unsere Kinder und deren Kinder hätten ohne einen Schuldenschnitt noch mit den einhergehenden Sparzwängen zu kämpfen.“

Scholz hatte als amtierender Bundesfinanzminister gemeinsam mit SPD-Parteichef Norbert Walter-Borjans und anderen einen solchen Schuldenschnitt umsetzen wollen, war aber am Veto der Union und an mehreren Ländern gescheitert. Als Kompromiss hatte man sich auf eine Neuverteilung insbesondere bei den Kosten der Unterkunft für Sozialleistungsbezieher geeinigt. Das hatte den Kommunen neue Spielräume verschafft, reichte aber aus ihrer Sicht noch nicht aus.

Michael Heck, Kämmerer in Mönchengladbach, sagte dazu: „In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten waren die Sozialausgaben ungerecht verteilt. Mönchengladbach hatte 1,3 Milliarden Euro Altschulden, heute sind es nach immensen Sparprogrammen noch rund 800 Millionen Euro.“ Sollte es zu einem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP kommen, hoffen er, dass in diesem ein Schuldenschnitt festgehalten werde. Auch Markus Zwick (CDU), Oberbürgermeister der Stadt Pirmasens in Rheinland-Pfalz, erhöht den Druck auf Scholz und seine Gesprächspartner von Grünen und FDP. „Die Länder haben sich zuletzt zu wenig für uns eingesetzt und am Ende das Projekt Schuldenschnitt verhindert. Olaf Scholz hat das aber zu seinem Vorhaben erklärt und steht jetzt im Wort, es in die Tat umzusetzen“, sagte er. „In einer Ampelkoalition müsste er die FDP davon überzeugen. Aber wer Kanzler werden möchte, sollte so etwas durchsetzen können“, so Zwick. Pirmasens habe die höchste Pro-Kopf-Verschuldung in Deutschland von 350 Millionen Euro Kassenkredite bei 42.000 Einwohnern.

Als die Gruppe mit dem Motivwagen am Nachmittag vor der SPD-Zentrale ankommt, wird sie von Fraktionsvize Sören Bartol in Empfang genommen. Details aus den Sondierungsgesprächen konnte er nicht nennen, äußerte sich aber zuversichtlich. „Wir haben uns mit Grünen und FDP dazu verabredet, keine roten Linien in der jetzigen Sondierungsphase zu ziehen“, sagte er. Bei den Grünen erkenne er Zustimmung, bei der FDP bislang keine Ablehnung. „Insofern bin ich vorsichtig optimistisch, dass eine mögliche Ampel-Koalition den Kommunen eine Entlastung bieten könnte“, sagte Bartol.

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