Rückhalt für ein Verbotsverfahren bröckelt Auch Bundestag zweifelt an NPD-Verbot

Berlin · Entschlossen gegen Rechtsextremismus – ja. Aber ein Verbot der NPD gilt immer mehr Koalitionären als falsches Mittel. Sie halten ein neues Verfahren für gefährlich, weil es den Rechtsextremen Aufwind verschaffen könnte. Die SPD ist entsetzt.

Entschlossen gegen Rechtsextremismus — ja. Aber ein Verbot der NPD gilt immer mehr Koalitionären als falsches Mittel. Sie halten ein neues Verfahren für gefährlich, weil es den Rechtsextremen Aufwind verschaffen könnte. Die SPD ist entsetzt.

In der Berliner Koalition bröckelt der Rückhalt für ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD. Nachdem die Bundesregierung wie berichtet einen eigenen Verbotsantrag vor dem Verfassungsgericht ablehnt und dies heute in ihrer Kabinettssitzung förmlich beschließen will, halten auch Vertreter der Bundestagsfraktionen von Union und FDP einen Antrag des Parlaments für unwahrscheinlich.

Es werde dafür wohl auch in der Unionsfraktion keine Mehrheit geben, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, gestern. Ähnlich äußerte sich CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. In der FDP hieß es, die Fraktion sei nahezu einstimmig gegen einen Verbotsantrag der Koalitionsfraktionen.

Damit bleibt es bei dem Antrag des Bundesrats. Die Länderkammer hatte Ende vergangenen Jahres beschlossen, nach dem gescheiterten Versuch 2003 erneut beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einen Antrag auf Verbot der NPD zu stellen. Vor allem einige ostdeutsche Ministerpräsidenten, die vor Ort stark mit dem Wirken der rechtsextremen Partei konfrontiert werden, und Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer hatten sich für einen Verbotsantrag ausgesprochen. Auch SPD und Grüne sind mehrheitlich dafür.

Die Opposition nutzte die Unentschiedenheit der Koalition für scharfe Attacken: "Diese Bundesregierung bietet ein trauriges Bild: Statt mutig und entschlossen zu handeln, greift der Innenminister nach jedem Strohhalm, um das NPD-Verbot nicht unterstützen zu müssen, und die zaudernde Kanzlerin lässt sich vorführen", sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Es wird erwartet, dass die SPD im Bundestag einen Antrag einbringen wird, der ein NPD-Verbotsverfahren fordert. So wollen die Sozialdemokraten die Koalition zum Schwur zwingen. Union und FDP wollen dies mit ihrer Mehrheit aber blockieren. Dass die Fraktionsdisziplin für das Thema aufgegeben werde, lehnten Unionspolitiker ab.

Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) argumentiert seit Monaten gegen einen Verbotsantrag. Der Minister befürchtet, dass die finanziell klamme NPD durch das öffentliche Verfahren erst aufgewertet wird und Zulauf bekommt. Die Länder, allen voran Friedrichs Parteifreund Seehofer, entgegnen, man müsse alles tun, um die rechtsextreme Partei aus der Finanzierung durch den Steuerzahler herauszubekommen. Der CSU-Chef soll über den Widerstand der Bundesregierung, vor allem aber über Friedrich, verärgert sein. Die beiden hätten sich nicht mehr viel zu sagen, heißt es in der CSU. In München habe man sich im Vorfeld des Bundestagswahlkampfes ein gemeinsames Signal der drei Verfassungsorgane Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag gewünscht.

Doch auch die FDP äußerte stets Zweifel. "Ein NPD-Verbotsverfahren könnte am Ende eine Wiederbelebungsmaßnahme für eine siechende Partei werden", befürchtet Generalsekretär Patrick Döring. Die NPD sei kaum organisationsfähig, in finanzieller Bedrängnis und politisch unbedeutend. Ein Verfahren könnte wie ein "Konjunkturprogramm" wirken, so Döring. Man müsse den Rechtsextremismus aber politisch bekämpfen. FDP-Chef Philipp Rösler hatte mit seiner Äußerung "Dummheit lässt sich nicht verbieten" Kritik auf sich gezogen. Der Zentralrat der Juden nannte dies eine Verharmlosung der NPD. Auch Juristen sind skeptisch. Die Hürden für ein Parteienverbot liegen in Deutschland und in Europa hoch. Ob das gesammelte Material zur Unterfütterung der Klage tatsächlich ohne das Zutun der V-Leute zustande gekommen ist, wie es das Bundesverfassungsgericht verlangt, ist indes fraglich. Die Innenminister der Länder verweigern bislang eine Unterschrift, mit der sie garantieren, dass alle Dokumente ohne Mitwirkung der staatlichen Spitzel in der rechtsextremen Szene entstanden sind.

Erste mahnende Worte gibt es inzwischen auch in der Opposition. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele warnte vor einem Verbotsverfahren. "Die NPD verfolgt eindeutig verfassungsfeindliche Ziele. Für ein Verbot muss aber auch nachgewiesen werden, dass sie tatsächlich eine Gefahr für die demokratische Grundordnung darstellt", sagte Ströbele. "Ob das gelingt, scheint mir sehr fraglich zu sein." Statt eines Parteiverbots schlug Ströbele vor, der NPD gezielt öffentliche Gelder zu entziehen, etwa für die Bildungsausgaben der Partei.

(brö / qua)
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