Kolumne Hier in NRW Was Bürger von Politikern erwarten – und umgekehrt

Die Abgeordneten sollen mehr Präsenz in den Parlamenten zeigen und den Menschen besser zuhören. Im Gegenzug erwarten die Politiker allerdings mehr Verständnis der Bürger für ihre Arbeit.

Die Verabschiedung des Haushalts ist zweifellos das wichtigste Recht eines jeden Parlaments. Der Landtag will heute den Etat für das laufende Jahr beschließen. Da die rot-grüne Regierungskoalition über eine klare Mehrheit verfügt, ist die Verabschiedung des 60-Milliarden-Zahlenwerks nur noch eine Formsache, auch wenn sich Regierung und Opposition heute bei der dritten und letzten Debatte ("Lesung") noch einmal heftig fetzen werden.

Natürlich muss man erwarten dürfen, dass bei der Schlussabstimmung alle Abgeordneten im Plenarsaal sitzen, sofern sie nicht verhindert sind. Volle Ränge sind allerdings eher die Ausnahme. In den vorangegangenen Debatten waren die Reihen zum Teil gähnend leer.

Die Bürger mögen das überhaupt nicht. Was man immer schon geahnt hat, belegt eine neue Untersuchung. Im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung hat die Wissenschaftsstiftung "Change Centre Foundation" 2000 Menschen gefragt, was sie von den Politikern erwarten. Die Professoren Ulrich von Alemann und Joachim Klewes stellten jetzt das Ergebnis vor. Demnach wollen 79 Prozent, dass sich Politiker mehr in den Parlamenten engagieren. Nur 42 Prozent meinen, dass das schon ausreichend der Fall sei.

Die Abgeordneten sollen zudem intensiver zuhören, um mehr von den Bedürfnissen der Bürger zu erfahren. Viele der Befragten, nämlich 68 Prozent, sind der Ansicht, dass die Politiker stattdessen lieber die politische Richtung vorgeben. Doch nur zehn Prozent finden, dass das so in Ordnung ist. Auf wen das auch immer gemünzt sein mag: Die Politiker sollen auch mehr Prinzipientreue zeigen, fordern 64 Prozent; Pragmatismus ist dagegen nicht so angesagt. Nur 38 Prozent glauben, dass dies der richtige Weg sei.

Die Befrager haben aber auch einmal den Spieß umgedreht und die Politiker gefragt, wie sie sich denn den idealen Bürger vorstellen. Hier die Antworten: Die Abgeordneten wünschen sich von ihnen politisches Interesse und auch mehr kritisches Denken, wobei die Bürger "positiv kritikfähig" sein sollten. Sie sollen also nicht alles in Bausch und Bogen verteufeln — so, wie das manche Politiker gern tun. Vor allem aber möchten sie, dass ihnen und ihrer Arbeit mehr Verständnis entgegengebracht wird.

Na ja, könnte man sagen: wenn's vernünftig erklärt wird. Viele Bürger, auch das ist herausgekommen, hatten jedoch noch nie Kontakt zu einem Politiker. Wenn doch, dann vielleicht auf dem Marktplatz oder per Brief und E-Mail. Nur drei Prozent waren schon einmal in einer Politiker-Sprechstunde.

Aber das könnte man doch leicht ändern, oder?

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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