Grenzgebiet zur Ukraine Nato zweifelt an russischem Truppenabzug

Brüssel · Moskau hat nach eigenen Angaben sein Militär aus den Grenzregionen zur Ukraine abgezogen. Die Nato betont aber, dass sie keine Hinweise auf einen Abzug russischer Truppen habe.

April 2014: Satellitenaufnahmen russischer Truppen an ukrainischer Grenze
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"Wir haben gegenwärtig keine Informationen, die auf einen Abzug russischer Truppen von der ukrainischen Grenze hindeuten", sagte ein Nato-Vertreter am Dienstag in Brüssel. Das Bündnis bleibe bei seiner Forderung an Russland, der Genfer Vereinbarung zu folgen und seine Truppen "zugunsten von Diplomatie und Dialog" aus der Region abzuziehen.

Zuvor hieß es aus Moskau, Russland habe seine umstrittenen Militärmanöver an der Grenze zur Ukraine beendet. Die Soldaten seien in ihre Kasernen zurückgekehrt, sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Montagabend in einem Telefonat mit seinem US-Kollegen Chuck Hagel.

Schoigu habe Hagel erklärt, dass Russland zu den großangelegten Manövern an der Grenze zur Ukraine "gezwungen" gewesen sei, weil eine ukrainische Militäraktion gegen Zivilisten gedroht habe, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Da die ukrainischen Behörden aber versichert hätten, ihre regulären Streitkräfte nicht gegen unbewaffnete Zivilisten einzusetzen, seien die Truppen nun in die Kasernen zurückgekehrt.

Nach Angaben der Nato hat Russland zwischenzeitlich bis zu 40.000 russische Soldaten im Grenzgebiet zur Ukraine zusammengezogen. Moskau hatte dies bestritten. Schoigu habe Hagel in dem Telefongespräch auch versichert, dass die russischen Streitkräfte nicht in die Ukraine einmarschieren wollen, teilte das Pentagon mit.

Kritik an neuen Sanktionen

Unterdessen sind die neuen Sanktionen der Europäischen Union und der USA in Russland auf scharfe Kritik gestoßen. Das russische Außenministerium warf der EU am Dienstag vor, mit den "neuen unfreundlichen Gesten" gegenüber Russland den "Befehlen Washingtons" zu folgen.

Einer der stellvertretenden Außenminister Russlands, Grigori Karasin, sagte laut der Nachrichtenagentur RIA Nowosti, die westlichen Sanktionen seien "vollkommen kontraproduktiv" und steuerten in eine Sackgasse. Vizeaußenminister Sergej Rjabkow warf den USA vor, mit ihrer Sanktionspolitik in die Zeiten des "Eisernen Vorhangs" zurückzufallen.

Wegen der Ukraine-Krise hatten am Montag sowohl die USA als auch die EU ihre Sanktionen gegen Russland verschärft. Die US-Regierung setzte sieben Russen und 17 Firmen aus dem Umfeld von Staatschef Wladimir Putin auf ihre Sanktionsliste und erließ zudem strengere Regeln für den Export von Hightechartikeln, die für militärische Zwecke verwendet werden könnten. Die EU setzte 15 weitere Russen und Ukrainer auf ihre Sanktionsliste.

Von den Konten- und Visasperren sind unter anderem Russlands Generalstabschef Waleri Gerassimow und der Chef des Militärgeheimdiensts GRU, Igor Sergun, betroffen. Vizeregierungschef Dmitri Kosak und zwei Vizevorsitzende der Duma, Sergej Newerow und Ludmila Schwezowa, werden ebenfalls bestraft. Nach Angaben Regierungskreisen in Berlin will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrem bevorstehenden Besuch in Washington mit US-Präsident Barack Obama über eine mögliche weitere Verschärfung der Sanktionen gegen Russland reden. Dabei seien auch Wirtschaftssanktionen nicht mehr ausgeschlossen.

Auf der EU-Sanktionsliste stehen auch mehrere Anführer der prorussischen Bewaffneten in der Ostukraine. Unter ihnen sind die Chefs der jüngst ausgerufenen "Republik Donezk", Denis Puschilin und Andrej Purgin, sowie der mutmaßliche GRU-Agent Igor Strelkow, der an Zwischenfällen in der Stadt Slawjansk beteiligt gewesen sein soll. Die prorussischen Milizen setzten wegen der Sanktionen die Verhandlungen mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa über eine Freilassung der seit Freitag in Slawjansk festgehaltenen Militärbeobachter aus, wie der selbsternannte Bürgermeister der Stadt, Wjatscheslaw Ponomarjow, der "Bild"-Zeitung vom Mittwoch sagte.

Die US-Botschaft in Kiew sprach mit Blick auf die gefangenen OSZE-Beobachter, darunter vier Deutsche, sowie die Gewalt prorussischer Milizen in der Ostukraine von "Terrorismus". In Lugansk stürmten etwa 3000 Menschen ein Verwaltungsgebäude und hissten die russische Flagge, wie Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Verletzte gab es nicht.

(AFP)
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