Nervenkrieg in der Ost-Ukraine Deutsche OSZE-Geisel: "Wir sind Gäste des Bürgermeisters"

Slawjansk · Prorussische Kämpfer führen in der besetzten Stadt Slawjansk acht gefangene Beobachter der OSZE vor wie Trophäen. Die Geiseln versichern vor den Mikrofonen, sie würden gut behandelt. Hinter ihnen stehen maskierte Kämpfer mit Maschinenpistole. Am Abend lassen sie einen Beobachter aus Schweden frei.

Separatisten führen OSZE-Militärbeobachter vor
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Separatisten führen OSZE-Militärbeobachter vor

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Der Schwede leide unter Diabetes, sagte eine Sprecherin der Aktivisten in Slawjansk am Sonntag, ohne Einzelheiten zu nennen. Unterhändler der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verließen am Sonntag gemeinsam mit dem Schweden das von Milizen besetzte Rathaus von Slawjansk, wie ein AFP-Reporter berichtete. Die beiden Unterhändler und der freigelassene Schwede fuhren mit einem weißen Fahrzeug mit OSZE-Logo davon.

Zuvor hatten Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mit den Anführern der prorussischen Aktivisten verhandelt. Die Separatisten halten seit Freitag mehrere Beobachter in ihrer Gewalt, darunter vier Deutsche. Die Bundesregierung verlangt die sofortige Freilassung der Gruppe.

Noch am Nachmittag hatten die Aufständischen in führten Gefangenen, darunter vier Deutsche, am Sonntag auf einer Pressekonferenz vorgeführt. Der Chef der festgehaltenen OSZE-Militärbeobachter, der deutsche Oberst Axel Schneider, versicherte in Anwesenheit von mit Maschinenpistolen bewaffneten Aufpassern zwar, alle Gefangenen seien gesund und würden gut behandelt. Zugleich räumte der niedergeschlagen und angespannt wirkende Offizier ein, keinerlei Informationen über die weiteren Pläne der Separatisten zu haben.

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Ukraine: Separatisten stürmen TV-Sender in Donezk

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Steinmeier nennt das Schauspiel abstoßend

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier übte an der öffentlichen Vorführung der OSZE-Beobachter scharfe Kritik. "Die heute erfolgte öffentliche Zurschaustellung der OSZE-Beobachter und der ukrainischen Sicherheitskräfte als Gefangene ist abstoßend und verletzt in eklatanter Weise die Würde der Betroffenen", sagte Steinmeier nach einer von Auswärtigen Amt verbreiteten Mitteilung. Dies sei ein "Verstoß gegen jede Regel des Umgangs und alle Standards, die gerade für spannungsgeladene Situationen wie diese gemacht sind".

Auch Bundespräsident Joachim Gauck kritisierte die Separatisten scharf und warf Russland vor, sie zu unterstützen. Die sieben führenden Industriestaaten beschlossen, die Sanktionen gegen Russland zu verschärfen. Neue Strafmaßnahmen könnten am Montag verkündet werden.

Die 13 Mitglieder des OSZE-Militärbeobachtereinsatzes waren am Freitag gefangengenommen worden. Die Separatisten werfen ihnen Spionage vor. Neben drei Bundeswehrsoldaten und einem deutschen Übersetzer gehören jeweils ein Militärbeobachter aus Tschechien, Polen, Schweden und Dänemark sowie fünf ukrainische Soldaten zu der Gruppe.

Oberst ohne Uniform

In einem karierten Hemd und ohne Uniform äußerte sich Schneider auf Fragen von Journalisten zur Lage der Gefangenen zurückhaltend. "Wir wünschen uns aus tiefstem Herzen, schnellstmöglich in unsere Länder zurückkehren zu können", sagte der Oberst. Auf einem Podium in dem von den Aufständischen besetzten Verwaltungsgebäude saßen weitere Militärbeobachter.

"Wir sind keine Kriegsgefangenen, wir sind Gäste von Bürgermeister Ponomarjow", sagte der deutsche Oberst in Anwesenheit des selbsternannten Bürgermeisters und Rebellenchefs Wjatscheslaw Ponomarjow. Der Separatist selbst hatte vor Journalisten eingeräumt, die Beobachter seien "Geiseln der Umstände" und sollten nur im Austausch mit inhaftierten Rebellen freigelassen werden. Eine Delegation der OSZE traf am Sonntag in Slawjansk ein, um über die Freilassung zu verhandeln.

"Wir sind keine Kämpfer"

Es habe keine körperlichen Misshandlungen durch die Separatisten gegeben, versicherte Schneider. Zudem sei den Gefangenen eine Sicherheitsgarantie ausgesprochen worden. "Das Wort des Bürgermeisters ist ein Ehrenwort." Zugleich bemühte sich der OSZE-Beobachter, den Vorwurf der Rebellen zu entkräften, die Beobachter seien bewaffnet gewesen. Er wolle betonen, dass nach dem Wiener Übereinkommen Beobachter ohne Waffen und Munition unterwegs seien. "Wir sind keine Kämpfer, wir sind Diplomaten in Uniform", sagte Schneider.

Gauck kritisierte, es sei nicht hinnehmbar, dass Menschen gefangengehalten würden, die sich für eine Lösung des Konflikts einsetzten. Die Separatisten agierten mit Unterstützung Russlands, "als würde ihnen die Welt gehören", sagte er beim Besuch deutscher Soldaten in der Türkei. Er appelliere an alle Verantwortlichen, zur Vernunft zurückzukehren. Insbesondere gelte sein Appell den Verantwortlichen in Russland, alles in ihrer Macht stehende zu unternehmen, um eine Lösung zu finden.

Obama verschärft den Ton

Am Samstag hatte Russlands Außenminister Sergej Lawrow in einem Telefonat mit seinem deutschen Kollegen Frank-Walter Steinmeier zugesichert, sich für eine Freilassung der Gefangenen einzusetzen.

US-Präsident Barack Obama verschärfte abermals den Ton gegen Russland und forderte die westlichen Staaten auf, geschlossen vorzugehen. "Wir sind in einer stärkeren Position, Herrn Putin abzuschrecken, wenn er sieht, dass die Welt geeint ist, dass Europa und die USA geeint sind", sagte Obama. Er warf Putin vor, "keinen Finger gerührt" zu haben, um die Lage zu entspannen.

Die neuen Sanktionen waren am Samstag von den Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen (G7) angekündigt worden. Auf europäischer Seite sind Kontensperrungen und Reisebeschränkungen für weitere einflussreiche Russen geplant. Nach Angaben aus der EU-Kommission sollen 15 Personen betroffen sein. Darüber hinausgehende Sanktionen gegen einzelne Branchen der russischen Wirtschaft würden davon abhängen, ob sich die USA und Europa auf eine gemeinsame Position einigen könnten, erklärte Obama.

Putins Vertraute auf der Liste

Die USA planen zudem weiterreichende Strafmaßnahmen. Aus Regierungskreisen hieß es, im Fadenkreuz der nächsten Runde stünden Firmen und Einzelpersonen aus wichtigen Branchen der russischen Wirtschaft wie Energie und Banken. Auch enge Vertraute Putins würden auf die Sanktionsliste der US-Regierung kommen.

Der ukrainische Übergangsministerpräsident Arseni Jazenjuk warf Russland vor, einen Krieg provozieren zu wollen. Die russische Luftwaffe sei am Samstag siebenmal in den Luftraum der Ukraine eingedrungen, sagte er. "Der einzige Grund dafür ist, die Ukraine zu provozieren und uns zu beschuldigen, einen Krieg gegen Russland zu führen."

(REU AFP)
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