Gesunde Ernährung Die Mär vom kaum gezuckerten Fertiggericht

Meinung · Aldi Süd will ausgewählten Fertigprodukten weniger Salz und Zucker beifügen. Lidl stoppt die Werbung für Süßes. Damit sehen sich die Discounter als Vorreiter. Doch die Supermarkt-Ketten könnten mehr tun. Und der Branchenprimus Lidl schummelt sogar ein bisschen.

 15 Prozent weniger Salz in der Tiefkühlpizza. Das klingt ambitioniert, wird aber an der Beliebtheit ungesunder Fertigprodukte von Aldi und Lidl wenig ändern.

15 Prozent weniger Salz in der Tiefkühlpizza. Das klingt ambitioniert, wird aber an der Beliebtheit ungesunder Fertigprodukte von Aldi und Lidl wenig ändern.

Foto: Deutsches Tiefkühlinstitut e.V./Peter Rees

Die Discounter wollen beliebte Fertigprodukte gesünder machen: 15 Prozent weniger Salz im Fertigprodukt-Klassiker Pizza und rund 20 Prozent weniger Zucker im Fertig-Müsli bieten sie bereits an, wie Aldi jetzt in einer Pressemitteilung verkündete. Richtig, denn gerade Letzteres ist eine Kalorienbombe und besteht teilweise bis zu einem Viertel aus Zucker. Auch sechs weitere Produktgruppen sollen bis 2025 in ihrer Rezeptur an die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angepasst werden. Konkurrent Lidl schränkt Werbung für gesüßte Produkte ebenfalls bereits ein und will in wenigen Jahren nur noch gesunde Kinder-Lebensmittel entlang der WHO-Kriterien verkaufen. Damit gehen die Discounter einen Schritt nach vorne. Allerdings geht die Aktion kaum über das Mindestmaß hinaus. Verschwiegen wird zudem, dass der Pizzateig zwar weniger gesalzen ist, aber seinen hohen Zuckeranteil behält. Und die Beliebtheit von Fertigprodukten wird erst recht nicht sonderlich leiden.

Der Verbraucherschutz-Verein Foodwatch, der sich zur Aufgabe macht, Lebensmittelpolitik und -qualität zu überwachen, zeigte sich entsprechend zunächst enttäuscht und kritisierte, Aldi bleibe hinter den Plänen von Lidl zurück. Diese wollen nicht mehr aktiv für ungesunde Kinderlebensmittel wie zuckrige Cornflakes oder Schokopudding werben und bis Ende 2025 Kinder-Lebensmittel der Eigenmarken auf die WHO-Kriterien für gesunde Lebensmittel umstellen. Daraufhin gab Aldi aber bekannt, ebenfalls die Werbung für Limonaden und Süßigkeiten einzuschränken — was Foodwatch veranlasste, seine Kritik zurückzuziehen.

Das macht beide Discounter aber noch längst nicht zu Lebensmittel-Engeln, denn Fertigprodukte werden nicht eingeschränkt, sondern lediglich in ihrer Rezeptur geändert. Diese Lebensmittel, auch „Convenience Food“ genannt, haben berechtigterweise einen schlechten Ruf. Mit einem hohen Fett- und Kaloriengehalt sind sie häufig mit viel Salz, Zucker und Geschmacksverstärkern versehen, lassen sich schnell zubereiten und sind alles andere als gesund. Immerhin hat bei Aldi ein Umdenken eingesetzt. Die Aktion, weniger Salz und Zucker zu verarbeiten, das für den Konsumenten keinen Nährwert hat, ist erst mal zu begrüßen. Doch die Frage darf gestellt werden, ob Aldis Fertigprodukte dadurch wirklich gesünder werden und ob die Pläne eigentlich im Jahr 2023 ambitioniert genug sind, um wandelnden Ernährungstrends Rechnung zu tragen. Auch Lidls Werbestrategie sollte man kritisch beäugen.

Denn der seit diesem Monat geltende Werbestopp für ungesunde Lebensmittel für Kinder gilt nicht für Aktionsartikel an Weihnachten, Ostern oder Halloween. Damit wird die neue Lidl-Werbelinie schnell zur reinen Augenwischerei. Sicher werden das ganze Jahr über Schokolade und Fruchtzwerge konsumiert. Die großen Feste sind aber für den Konsum enorm wichtig, Kunden kaufen dann nämlich die meisten süßen Produkte. Lidl handelt also nach dem Motto: „An den WHO-Kriterien orientieren wir uns gerne, aber nur wenn es nicht wehtut und unser Kerngeschäft nicht beeinträchtigt.“ Hier hätte Lidl konsequenter sein müssen.

Aber auch Aldi könnte noch mehr zu einem sinkenden Salz- und Zuckerkonsum beitragen. Denn bereits 2013 forderte die WHO ihre Mitgliedsländer auf, den Salzkonsum der Menschen um 30 Prozent zu senken. Zumindest in Deutschland liegt der Salzkonsum aber immer noch deutlich zu hoch. Und laut einer Global Consumer-Umfrage von 2021 greifen rund die Hälfte der deutschen Haushalte regelmäßig zu küchenfertigen Lebensmitteln wie Pommes frites oder Fertigmahlzeiten wie Pizza. Diese führen aber in der Menge zu gesundheitlichen Nachteilen, wie etwa Bluthochdruck bei zu viel Salz. Da sie aber bei den Discountern in großer Zahl angeboten werden, sollte Aldi hier nachlegen. Der Handelsriese sollte Fertigprodukte aus dem Sortiment nehmen, mehr Frisches anbieten und ambitioniertere Ziele als lediglich 15 Prozent weniger Salz in der Pizza formulieren. Hier müsste auch die Konkurrenz mitziehen. Wer Gefahr läuft, die salz- und zuckerverwöhnten Kundinnen und Kunden eines Fertigprodukts an das Produkt des Mitbewerbers zu verlieren, wird sich nicht gewillt sehen, die Nährwerte im Convenience-Bereich wirklich entscheidend zu verbessern. Am Ende entscheidet der Kunde stets selbst, zu welchem Produkt er greift. Ein Blick auf die Nährwert-Tabelle auf der Rückseite reicht dann bereits, um festzustellen: Die Fertigmahlzeit ist meist die schlechtere Wahl.

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