ESA-Ministerratskonferenz 2022 Europas Kurs im Weltall

Im November kommt der Ministerrat der Mitgliedsstaaten der europäischen Weltraumorganisation Esa zusammen. Dabei soll der Plan für die kommenden drei Jahre beschlossen werden. Deutschland könnte eine führende Rolle übernehmen.

 Die Grafik zeigt die Orion-Kapsel des Artemis-Mondprogramms, die von dem europäischen Service-Modul ESM versorgt wird.

Die Grafik zeigt die Orion-Kapsel des Artemis-Mondprogramms, die von dem europäischen Service-Modul ESM versorgt wird.

Foto: NASA/ESA/ATG Medialab

So berechenbar Umlaufbahnen und so geplant Weltraummissionen sind, so chaotisch scheint die Entwicklung der Welt zu sein. Und das strahlt auch auf die bevorstehende Ministerratskonferenz der 22 Mitgliedsstaaten der europäischen Weltraumorganisation Esa aus. Im November soll in Paris beschlossen werden, welchen Kurs in den kommenden drei Jahren die europäische Raumfahrt nehmen wird. Und durch Russlands Krieg in der Ukraine hat sich da einiges verschoben. „Seit Februar muss sich Europa neu aufstellen“, sagte ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher bei einem Pressegespräch, zu dem der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie BDLI am Donnerstagmorgen eingeladen hatte.

Zum einen sei Sicherheit ein neues Thema geworden. Zum anderen haben die vergangenen Monate beispielsweise bei Gaslieferungen gezeigt, „wie sehr wir Unabhängigkeit brauchen“. Auch im Weltraum. Raumfahrt sei längst ein essenzieller Teil der Gesellschaft: Navigation, Internet und Kommunikation, Erdbeobachtung, Klimadaten, Meteorologie, Landwirtschaft – überall spielen Satelliten eine tragende Rolle. Und wie wichtig die sei, zeige sich auch im Ukraine-Krieg. „Raumfahrt ist ein Teil des Konflikts“, fügt Walther Pelzer hinzu. Er gehört zum Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt.

Mit wenig Aufwand könne enormer Schaden angerichtet werden. Das heißt aber auch: Es lasse sich gleichermaßen Wohlstand generieren. Raumfahrt insbesondere auch getrieben durch private Unternehmen sei ein stark wachsender Wirtschaftsfaktor. Darum möchten er und Aschbacher nicht nur, dass bestehende Programme bei der Ministerratskonferenz fortgeführt werden.

Mit Blick auf den Mond denkt der Esa-Generaldirektor, dass sich dort eine neue Wirtschaftszone entwickeln werde. Die Weltraumorganisation will sich daran beteiligen. Nicht nur mit der laufenden Unterstützung für das Artemis-Programm der US-Raumfahrtbehörde Nasa, für das die Esa mit dem europäischen Service-Modul ein Kernelement liefert. Das Transportsystem EL3 (Large Logistics Lander/große Logistik-Landeinheit) soll mittelfristig regelmäßig 1,5 bis 1,7 Tonnen Fracht zur Mondoberfläche bringen. Zudem will man mit „Moonlight“ ein Netzwerk von Navigations- und Kommunikationssatelliten aufbauen. Um den Mond. Deren Dienste würde man dann kostenpflichtig zur Verfügung stellen für kommerzielle Partner.

Neben der potenziellen wirtschaftlichen Bedeutung gibt es aber auch noch eine gesellschaftliche Dimension: Über das Artemis-Programm soll ein erster Europäer auf dem Mond landen – und eine neue Generation inspirieren. Was dann wieder einen wirtschaftlichen Faktor darstellt. Die Esa unterstütze beispielsweise sogenannte „Mikrolauncher“. Das sind Unternehmen und Start-ups, die mit kleineren Startsystemen und Satelliten in den Erdorbit vorstoßen – zur kommerziellen Nutzung.

Doch auch wenn die Chancen aus Sicht von Aschbacher und Pelzer groß scheinen, so gibt es dennoch Rückschläge. Der ExoMars-Rover sollte in diesem Jahr zu unserem Nachbarplaneten starten. Die Mission war zusammen mit Kostenpflichtiger Inhalt Russland geplant. Die Kooperation aber wurde abgebrochen nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Der Rover sollte zum ersten Mal zwei Meter tief in den Marsboden bohren, um nach Spuren von Leben zu suchen. Man würde dem Ministerrat eine Alternative für den Start vorstellen. Schließlich sei der Rover fertig und einsatzbereit. Zudem will man dafür werben, sich den USA anzuschließen und sich bis 2030 an der der Internationalen Raumstation ISS zu beteiligen. Ob man wenigstes da auf Russland setzen könne? Zumindest sei ein wenig Ruhe eingekehrt, seit Dmitri Rogosin, der provokante Chef der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, im Juli abgesetzt worden sei. Er wurde durch den besonnen Juri Borissow ersetzt.

Bei allen Plänen spielt Deutschland eine entscheidende Rolle. Bei der Ministerratskonferenz 2019 übernahm die Bundesrepublik als größer Geldgeber mit 3,3 Milliarden Euro eine führende Stellung. Marco Fuchs vom Vorstand des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie hofft auf vier Milliarden verteilt über drei Jahre. Möglicherweise übernimmt Deutschland sogar die Präsidentschaft der Esa, sofern die anderen Staaten zustimmen.

Was indes nicht Teil der Pläne bis 2025 ist: ein bemanntes Startsystem oder eine Kapsel, um aus eigener Kraft mit Astronauten in den Weltraum zu starten. Vor 2025 wird dem Ministerrat nichts vorgestellt oder um Zustimmung gebeten. Das hängt aber von einem Gipfel der Europäischen Union und der Esa im nächsten Jahr ab. Dort werde darüber gesprochen werden. Das müsse schließlich auch politisch und gesellschaftlich diskutiert werden. Mit Konzepten habe man aber bereits begonnen.

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