Matthias Maurer beim Ständehaus-Treff „Ich konnte den Krieg mit eigenen Augen sehen”

Düsseldorf · Sechs Monate verbrachte Matthias Maurer auf der Raumstation ISS. Währenddessen brach der Krieg in der Ukraine aus. Nun ist der Astronaut zurück auf der Erde und berichtet beim Ständehaus-Treff in Düsseldorf von seinen Erlebnissen.

Ständehaus-Treff mit Matthias Maurer in Düsseldorf - Fotos
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Astronaut Matthias Maurer zu Gast beim Ständehaus-Treff

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Foto: Bretz, Andreas (abr)

Matthias Maurer ist eigentlich ein unscheinbarer Typ. Würde man dem 52-jährigen Materialwissenschaftler aus St. Wendel im Saarland ohne Astronauten-Uniform auf der Straße begegnen, fiele er wohl nur wenigen als derjenige auf, der er ist: der erste Deutsche, der mit dem privaten Raumfahrtunternehmen Space X zur ISS geflogen ist. Bis Mai war Maurer rund sechs Monate auf der Internationalen Raumstation, wirkte dort an mehr als 130 Experimenten mit – und absolvierte sogar einen Außeneinsatz.

Am Montagabend war Maurer beim Ständehaus-Treff der Rheinischen Post in Düsseldorf zu Gast. Dort stand er RP-Chefredakteur Moritz Döbler Rede und Antwort. Überpünktlich kam Maurer am Ständehaus an, ganz leger, im blauen Esa-Polohemd. Pünktlichkeit, das gehört zum Naturell eines Astronauten, der strikte Zeitpläne gewohnt ist. Mittlerweile ist er wieder fit, dank viel Sport, berichtete er, doch die Zeit im All habe seinem Körper zugesetzt. „Nach sechs Monaten im All braucht der Körper auch etwa sechs Monate, um sich wieder aufzubauen“, sagte Maurer. Verlernt habe er im All auch den Umgang mit der Schwerkraft. „Die ersten Tage zurück auf der Erde läuft man wie ein Seemann.“

Den Traum, Astronaut zu werden, hatte Maurer erst als Erwachsener. Er habe zwar schon als Kind Sendungen verfolgt, wie etwa Ulf Merbold ins All flog, sagte er, doch er habe sich das für sich selbst zunächst nicht vorstellen können. Deshalb riet er der jungen Generation: „Nur wer große Träume hat, kann sich auch einen großen Traum erfüllen.“ Heute sei der Astronautenjob aber auch ein anderer als früher. Die Forschung stehe viel stärker im Fokus.

Astronaut Matthias Maurer - vom Weltall zurück ins Saarland
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Das ist Matthias Maurer

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Foto: dpa/Robert Markowitz

Doch auch 2022 leben ISS-Astronauten immer noch ziemlich enthaltsam. „Für die Männer gibt es alle drei Tage eine neue Unterhose, für die Frauen alle zwei Tage“, berichtete Maurer. Der Müll verglühe beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. Sternschnuppen seien deshalb nicht immer romantisch, witzelte er: „Wenn da etwas verglüht, könnten es auch meine alten Socken sein.“

Die Mission Maurers fand spätestens ab Russlands Angriff auf die Ukraine Ende Februar unter ungewöhnlichen Umständen statt – schließlich war der Deutsche gemeinsam mit russischen Kosmonauten auf der ISS. Auf der Raumstation habe aber schnell Klarheit geherrscht: „Wir waren uns sehr schnell einig: Wir sind alle gegen Krieg.“ Dass das immer noch für seine russischen Kollegen gilt, darin ist sich Maurer sicher – trotz eines Fotos, das im Juli von Russland veröffentlicht wurde; es zeigt Kosmonauten mit einem Schild der Flagge der selbsterklärten Volksrepublik Luhansk.

Fotos: Diese deutschen Astronauten waren bereits im Weltall
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Diese deutschen Astronauten waren bereits im Weltall

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Foto: dpa/Psuhkaryov

Den Krieg konnte Maurer von der ISS aus sehen. Nachts sei die Ukraine komplett dunkel gewesen, nur Kiew habe man erkennen können. Und später habe er dann Lichtblitze sehen können: „Das war kein Feuerwerk, da wurde geschossen“, berichtete er dem Publikum des Ständehaus-Treffs, in dem auch die Generalkonsulin der Ukraine, Iryna Shum, saß. „Plötzlich war der Krieg ganz nah an uns dran, ich konnte ihn mit meinen eigenen Augen sehen.“

Von der ISS aus sei es unlogisch, die Vorgänge auf der Erde zu betrachten. Denn: „Dort oben können wir nur existieren, wenn wir als Team zusammenarbeiten.“ Und genauso sei es eigentlich auf der Erde. Unseren Planeten bezeichnete Maurer als „Raumschiff mit acht Milliarden Astronauten“. Und er zeigte sich überzeugt: „Dieses Raumschiff Erde kann nur funktionieren, wenn diese acht Milliarden zusammenarbeiten anstatt sich zu bekriegen und zu bekämpfen und die Lebensgrundlage unseres Planeten zu zerstören.“

Maurer plädierte beim Ständehaus-Treff für eine starke, eigenständige europäische Raumfahrt durch die Esa. „Als Europäer sollten wir mit eigenen Ressourcen ins Weltall aufbrechen können.“ Maurer forderte dabei die Unterstützung der politischen Entscheidungsträger ein. „Wir sollten uns hier nicht abhängen lassen.“

Deutscher Astronaut Maurer ist zurück auf der Erde
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Deutscher Astronaut Maurer ist zurück auf der Erde

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Foto: dpa/Uncredited

Als negativen Moment seiner Zeit auf der ISS beschrieb Maurer die Ankunft von vier internationalen Weltraumtouristen. Diese hätten eine „Schneise der Verwüstung“ auf der Station hinterlassen. In diesem Moment habe er gewusst: „Jetzt bin ich reif für die Rückkehr.“ Trotzdem ist für Maurer klar: Er will auf jeden Fall ins All zurück. „Ich hoffe auf eine zweite Mission“, sagte er. Ein mögliches Ziel: der Mond. Denn mit den Artemis-Missionen von Nasa und Esa sollen in einigen Jahren wieder Menschen auf dem Mond landen. Ein für vergangenen Samstag geplanter unbemannter Testflug musste jedoch aus technischen Gründen verschoben werden.

 Esa-Astronaut Matthias Maurer sprach mit Moritz Döbler unter anderem über seine Ambitionen für eine weitere Weltraummission.

Esa-Astronaut Matthias Maurer sprach mit Moritz Döbler unter anderem über seine Ambitionen für eine weitere Weltraummission.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Der Flug zum Erdtrabanten bezeichnete Maurer beim Ständehaus-Treff als den Beginn einer „neuen Ära“ für die Menschheit. Man könne auf dem Mond viel über die Entstehung des Sonnensystems lernen – und auch die Reise zum Mars vorbereiten. „Der Mars wird unser Generationenziel sein“, ist sich Maurer sicher. Er könne sich daher gut vorstellen, Teil einer der Missionen zum Mond zu sein. Mehrere Plätze seien bei den Artemis-Missionen für europäische Astronauten reserviert. „Die Chance ist da“, so Maurer.

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