10 Jahre Rover „Curiosity“ Er läuft und läuft und läuft und läuft - auch zehn Jahre nach Landung auf dem Mars

Düsseldorf · Am 6. August 2012 landete Curiosity auf dem Mars. Es war der Beginn einer neuen Ära von Rovern auf fernen Planeten. Sie wurden größer, schwerer und vielseitiger – und forderten innovative Landetechniken. Und nach zehn Jahren ist der Rover länger im Einsatz als geplant.

Mars: Das ist der Weltraumroboter „Curiosity“
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Das ist der Weltraumroboter „Curiosity“

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Foto: dpa/Curiosity

Die Räder zeigen Löcher. So groß wie Handteller. Die Oberfläche ist aufgeraut vom Sand im Wind. Und wäre der Rover Curiosity (Neugier) ein Mensch, würde er wirken wie das Klischee eines Cowboys. Mit wettergegerbtem Gesicht, abgewetztem Ledermantel und zerschlissenen Stiefeln. Ein Pionier, der ins Unbekannte vorstößt. Und nichts anders macht Curiosity, seit er am 6. August 2012 auf dem Mars landete.

Der fast drei Meter lange, etwa 2,7 Meter breite, rund 2,2 Meter hohe und 899 Kilogramm schwere Rover erkundet seitdem unseren roten Nachbarplaneten. Genauer gesagt: den 154 Kilometer durchmessenden, etwas südlich vom Äquator gelegenen Gale-Krater, in dem sich der Mount Sharp fünf Kilometer hoch erhebt. Und am Rande dieses Kraters hat sich Curiosity mühsam vorgearbeitet. Insgesamt sind es bislang mehr als 28 Kilometer, die er in südlicher Richtung zurückgelegt hat. Nicht in direkter Linie, sondern mit einem Schlenker nach Westen und wieder zurück. Entlang der Ausläufer des Mount Sharp und derzeit in Richtung des sogenannten „Gediz Vallis“ – einem Tal in dem Kratergebiet. Und das wurde als Landestelle ausgesucht, weil andere Sonden dort Tonablagerungen und schwefelhaltige Mineralien entdeckt hatten. Es waren Indizien dafür, dass in dem Gebiet einmal Wasser geflossen ist – bevor alles austrocknete. Vor Milliarden Jahren, als die Mars-Atmosphäre noch so dicht war, dass es auf der Oberfläche existieren konnte.

Und tatsächlich entdeckte der Rover schon kurz nach seiner Landung glatte, abgerundete Kieselsteine. Die sind wahrscheinlich über einige Kilometer abwärts getragen worden. Von fließendem Wasser, das knöchel- bis hüfttief war. Das ließ sich aus der Verteilung und Form der Kiesel folgern, die Curiosity untersucht hatte. Und als der sich dem Mount Sharp weiter näherte, entdeckte er Gestein – das sich aus einstigem Schlamm geformt hat: Im Gale Krater hat es für mindestens eine Million Jahre Flüsse und Seen gegeben.

Rund 500 Meter östlich der Landestelle in der sogenannten Yellowknife Bay (Gelbmesser-Bucht) bohrte der Rover in das dortige Sedimentgestein. Er entdeckte Schwefel, Stickstoff, Sauerstoff, Phosphor und Kohlenstoff. Chemische Elemente, die auf der Erde in komplexen organischen Molekülen vorkommen. Auf seiner Forschungsreise fand der Rover zudem immer wieder Kohlen-Wasserstoff-Moleküle. Darauf aber baut Leben auf der Erde auf. Nach jüngsten Analysen der Curiosity-Daten erreichen die Verbindungen eine vergleichbare bis etwas höhere Konzentration, als wir sie beispielsweise in der chilenischen Atacama-Wüste finden. Das ist immer noch kein Beleg für Leben, aber der Mars bot zumindest stellenweise alles, damit Mikroben entstehen konnten. Zumal die Bohrungen von Curiosity auch ergaben: Der Salzgehalt in den Gewässern war nicht zu extrem. Das spricht für Süßwasser auf unserem Nachbarplaneten vor Milliarden Jahren.

 Der Weg des Rovers Curiosity auf dem Mars.

Der Weg des Rovers Curiosity auf dem Mars.

Foto: Nasa/Nasa/Screenshot

Derzeit sind die Bedingungen dort alles andere als paradiesisch: Der Planet ist auf den ersten Blick eine Wüste, die Oberfläche von Eisenoxiden (Rost) rot gefärbt. Der Atmosphärendruck beträgt am Boden nur etwa ein Hundertstel der Erde – oder so viel wie bei uns in 35.000 Meter Höhe. Und diese dünne „Marsluft“ besteht zu 95,3 Prozent aus Kohlendioxid gefolgt von Stickstoff (2,7 Prozent) und Argon (1,6 Prozent). Sturmböen erreichen 150 Kilometer pro Stunde und die Temperatur schwankt zwischen minus 128 Grad in winterlichen Polarnächten und plus 27 Grad nahe des Äquators in der sommerlichen Mittagssonne.

Aber hat sich das Leben auf dem Mars diesen Bedingungen nicht vielleicht einfach angepasst? Curiosity konnte zumindest etwas bestätigen, was Sonden in der Umlaufbahn des Roten Planeten ansatzweise beobachtet hatten. Hin und wieder steigt der Methangehalt der Atmosphäre. Bisweilen um das Zehnfache. Auf der Erde würde man dafür Mikroben verantwortlich machen. Aber auf dem Mars? Es gibt auch andere chemische und physikalische Prozesse, die dazu führen können. Es muss nicht zwangsläufig Leben sein. Aber es ist ein weiteres Puzzlestück, der diesen Schluss zumindest nicht unmöglich macht.

Denn Curiosity fand auch eindeutige Hinweise dafür, dass es früher auf dem Planeten eine dichtere Atmosphäre gegeben hat. Aber er verlor einen Großteil davon – in den Weltraum. Dafür spricht auch die Analyse der Daten von der Maven-Sonde im Mars-Orbit. Offenbar ist das Magnetfeld des Planeten vor etwa vier Milliarden Jahren zusammengebrochen. Und damit war er – anders als die Erde - schutzlos dem Sonnenwind ausgesetzt. Einem bisweilen heftigem Teilchenstrom von der Sonne, der wie eine Art kosmischer Fön die Marsatmosphäre unwiederbringlich ins All „geblasen“ hat.

Das fehlende Magnetfeld hat aber bis heute Folgen. Auch für Astronauten, die dort landen wollen. Curiosity hat die Strahlung auf der Oberfläche gemessen: Und die erreicht Werte, die weit über dem liegen, was für Astronauten mittel- und langfristig gesund wäre. Ohne Schutz ist eine bemannte Mission oder eine ständig besetzte Basis unmöglich.

Doch auch für seine mechanisierten Nachfolger hat Curiosity wertvolle Erkenntnisse geliefert: Der Rover Perseverance (Beharrlichkeit), der neun Jahre nach ihm im Februar 2021 auf dem Mars landete, hat Räder mit einem größeren Durchmesser, die aber schmaler sind und aus widerstandsfähigeren Aluminium hergestellt wurden. Die Löcher in den Rädern von Curiosity verursacht durch spitzes Marsgestein und Materialermüdung haben zu dem veränderten Design geführt. Zudem ist er auch schon einmal fast im Marssand stecken geblieben. Das soll seinem Perseverance nicht passieren. Viele Instrumente und Kameras ähneln sich, sie wurden aber aufgrund der Curiosity-Erfahrungen verbessert und überarbeitet. Und: Der neue Rover kann selbstständig navigieren, während sein Vorgänger auf Anweisungen von der Erde angewiesen ist.

Dafür hat der „Oldie“ etwas erprobt, von dem auch sein jüngerer „Cousin“ profitiert hat, der mit 1025 Kilogramm noch einmal an Masse zugelegt hat: Curiosity wurde von seinem „Mutterschiff“ mit einem Kostenpflichtiger Inhalt Kran auf dem Mars abgesetzt. Es war das erste Manöver seiner Art und so erfolgreich, dass es bei „ Perseverance“ wiederholt worden ist. Der landete indes 3700 Kilometer entfernt im Jezero-Krater. Die beiden werden sich darum nie begegnen.

 Landestellen von US-Sonden und -Rovern auf dem Mars.

Landestellen von US-Sonden und -Rovern auf dem Mars.

Foto: NASA/JPL-Caltech

„Curiosity“ hat ihm aber immer noch etwas voraus: Die Nasa-Ingenieure gingen vorsichtig davon aus, dass er nach der Landung am 6. August 2012 zwei Jahre im Betrieb sein werde, möglicherweise sogar vier Jahre, vielleicht auch sechs. Tatsächlich sind es jetzt schon zehn Jahre. Und ein Ende ist noch nicht in Sicht. So lange die Instrumente funktionieren, die zerschlissenen Räder ihn tragen und seine Energiequelle Strom liefert. „Curiosity“ hat keine Solarmodule, die ihn abhängig vom Sonnenlicht machen. Vielmehr versorgt eine Nuklidbatterie die Sonde. Aus dem radioaktiven Zerfall von Plutonium-238 wird Strom generiert – und Hitze, um die Bordelektronik und Instrumente in den kalten Marsnächten im Gale-Krater zu wärmen.

 Selfie eines Roboters: Curiosity hat sich selbst mit einer seiner Kameras aufgenommen.

Selfie eines Roboters: Curiosity hat sich selbst mit einer seiner Kameras aufgenommen.

Foto: dpa/Curiosity

Sollte die Batterie eines Tages versagen, wird Curiosity seinen letzten Funkspruch schicken. Und dafür werden sich die Ingenieure erneut etwas Besonderes einfallen lassen. Der Mars-Rover Opportunity (Gelegenheit) landete im Jahr 2004 auf dem Mars. Seine Mission war ursprünglich nur für 90 Tage ausgelegt. Tatsächlich wurde sie erst 2019 nach 15 Jahren für beendet erklärt, nachdem der Roboter bereits Monate zuvor gesendet hatte: „Es wird dunkel.“ Alle nachfolgenden Kontaktversuche waren vergeblich. Zum Abschied sendete die Nasa das Lied „I’ll be seeing you“ (Ich werde dich wiedersehen) von Billie Holiday.

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