Sascha Lobo bei „Lanz“ „Das ist schon eine sehr lustige Unverschämtheit“

Düsseldorf · Maskenmerkwürdigkeit, Gesellschaftsgroll und wirtschaftliche Schmierlappigkeit: Der Blogger Sascha Lobo und der CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus im Streitgespräch bei „Lanz“.

 Der Blogger Sascha Lobo (r.) und der Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus im Talk bei „Markus Lanz“ am Dienstagabend.

Der Blogger Sascha Lobo (r.) und der Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus im Talk bei „Markus Lanz“ am Dienstagabend.

Foto: ZDF

Am Dienstagabend ging es bei „Markus Lanz“ selbstredend wieder einmal um das Coronavirus. Mit den Vorwürfen von möglicherweise illegalen Maskengeschäften zweier Unionspolitiker dreht das Gespräch aber auch in grundsätzliche Fragen an den einzigen in der Runde vertretenen Politiker. Wir haben uns darauf konzentriert, wie der Blogger Sascha Lobo seine Kritik an der Bundesregierung formuliert – und wie CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus damit umgeht.

 Die Gäste:

  • Ralph Brinkhaus, Chef der CDU-CSU-Fraktion im Bundestag
  • Sascha Lobo, Blogger und Journalist
  • Mariam Klouche, Mikrobiologin
  • Tankred Stöbe, Intensivmediziner

 Darum ging’s:

Um Verantwortung. Auch die Verantwortung für den Vorwurf eines Versagens.

 Der Talkverlauf:

„Das ist schon eine sehr lustige Unverschämtheit“, sagt Sascha Lobo. Zweimal. Immer als Replik auf eine Aussage des CDU/CSU-Frakionsführers Ralph Brinkhaus. Jener sagt gegen Ende, der Blogger sei nur zum Provozieren eingeladen, was wiederum Moderator Markus Lanz provoziert. In solchen Wellen laufen die ersten gut 50 Minuten der Talkshow am Dienstag – und immer wieder ist ein einzelnes Wort der Auslöser.

„Verloren“ zum Beispiel. Die Union habe zwei Abgeordnete verloren, sagt Brinkmann und merkt bald, dass Diplomatie im Zusammenhang mit den Politikern Nikolas Löbel (CDU) und Georg Nüßlein (CSU) bei „Lanz“ nicht gefragt ist. Beide stehen unter dem Verdacht, sich mit sechsstelligen Provisionen für Maskenverkäufe an der Corona-Krise bereichert zu haben. „Verloren?“, fragt der Moderator. „Nicht rausgeschmissen?“

Brinkhaus lenkt den Blick darauf, dass durch diese Skandale das Bewusstsein dafür geschärft werde, dass sich etwas ändern müsse. „Manchmal braucht es so eine Krise, um so etwas tatsächlich durchzusetzen“, sagt er. Das bringt ihm den ersten Vorwurf von der Unverschämtheit ein. Konkret kritisiert Lobo, die Union habe in den letzten zehn Jahren verhindert, was alle anderen Parteien gewollt hätten: Transparenz. „Und jetzt sind Sie erstaunt, dass Leute den Mangel an Transparenz, den Sie verursacht haben, auch ausnutzen.“

In diesem Zusammenhang knöpft sich Lobo auch den NRW-Ministerpräsidenten und CDU-Vorsitzenden Armin Laschet vor. Er könne sich vorstellen, warum dieser sich angesichts „seiner eigenen Maskenmerkwürdigkeit mit seinem Sohn Joe Laschet und der Firma Van Laack“ so spät zu der Affäre geäußert habe, sagt Lobo. „Laschet musste vielleicht erst mal checken, ob seine Masken schon aus dem Graubereich in die weiße Weste hineingeragt haben.“

Das weist Brinkhaus als Unterstellung zurück. Dass es mit dem geplanten Transparenzgesetz zu lange gedauert habe, räumt Brinkhaus unumwunden ein. Dann verweist er darauf, dass es auch vorher schon Regeln in dieser Hinsicht gegeben habe, die in diesem Falle aber nicht gereicht hätten. Doch das reicht wiederum Lobo nicht – er verweist auf den Fall Philipp Amthor.

Das sei nicht vergleichbar, entgegnet Brinkhaus. Da sei es um versprochene Aktienoptionen gegangen und nicht um Geldzahlungen. „Keiner hatte auf dem Schirm, dass das in das Gesetz aufgenommen werden sollte“, sagt er. Auch diese Äußerung empfindet Lobo als „lustige Unverschämtheit“. Seit Jahrzehnten seien Aktienoptionen eine weitverbreitete Belohnung in entsprechenden Unternehmen. Auch Lanz findet es fragwürdig, dass Amthor nun als Spitzenkandidat in seinem Wahlkreis aufgestellt wurde. Erneut setzt Brinkhaus auf Diplomatie: „Amthor hat sehr, sehr stark eingesehen, dass es falsch war, was er gemacht hat.“ Im Übrigen könne man nicht alles in Regeln fassen: „Macht funktioniert nicht ohne Moral.“

Doch Lobo bleibt auf der konkreten Ebene. Dass die Amthor-Wiederwahl kein Wort des Tadels mit sich brachte, findet Lobo merkwürdig. Und neben Amthor stünden auch Laschet und Spahn wegen ihren Gebarens in der Kritik. „Sie haben fünf Fälle von einer gewissen wirtschaftlichen Schmierlappigkeit, und Sie nehmen die beiden Hinterbänkler und bestrafen sie.“

„Es ist Ihr Job, zu provozieren“, stichelt daraufhin Brinkhaus. „Und es ist mein Job, den Kopf für andere hinzuhalten.“ Brinkhaus findet die Fälle Löbel und Nüßlein eindeutig, während die anderen erst bewertet werden müssten. An Lobo gewandt sagt er, aus dem Zuschauersitz heraus sei Kritik an der Coronapolitik einfach – er sei ja nicht in der Verantwortung.

Lobo kontert, die Union könne jemanden brauchen, der sagt, was falschgelaufen sei. Wenn Brinkhaus eine Jahrhundertreform fordere, bedeute das nichts anders als: Wir haben bisher viel zu viel liegengelassen. „Nach 16 Jahren ist Liegenlassen keine lässliche Sünde mehr, sondern ein Fehler, den man Ihnen aufs Brot schmieren darf“, sagt Lobo. Brinkhaus macht deutlich, dass er lieber darüber diskutieren möchte, was seine Partei oder die Bundesregierung anders machen könne.

Dazu hat die Mikrobiologin Mariam Klouche gleich einen konkreten Vorschlag. Anhand des Beispiels der Beschaffung von Reagenzien für Labore erklärt sie, es wäre einfacher gewesen für die Politik, einen Rahmen zu schaffen und dann zu delegieren. „Dann hätte man jetzt auch gar kein Feld für Missbrauch.“ Unterdessen warnt der Intensivmediziner Tankred Stöbe: „Eine dritte Welle kann man niemandem mehr in die Schuhe schieben, das ist dann politisch zu verantworten.“

Daraufhin tritt Brinkhaus ins Fettnäpfchen. „Es ist ja nicht so, dass in der Krise alles falschgelaufen ist“, sagt er. Das will Stöbe umgehend korrigiert wissen. Er verweist auf die mindestens 70.000 Toten und das alles andere als gloriose Abschneiden Deutschlands im internationalen Vergleich. „Wir haben es nicht gut gemacht“, sagt Stöbe und fordert eine Politik mit hoher Kompetenz, Transparenz und Glaubwürdigkeit.

Nun öffnet sich die Runde dafür, auch über komplexere Probleme im Zusammenhang mit der Pandemie zu sprechen. Bis das Wort „Versagen“ fällt. Daran stört sich Brinkhaus. Doch Lobo bleibt stur. „Bei einem quer durch die Bevölkerung spürbaren Groll über die vielen Details, die schiefgelaufen sind, finde ich es richtig, von Versagen zu sprechen“, sagt er und suggeriert, dass Brinkhaus diesen Groll unterschätze. Das aber pariert der Politiker mühelos: Den bekomme er mit, sagt Brinkhaus. Schließlich habe er Sprechstunden in seinem Wahlkreis.

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