Michail Chodorkowski bei „Lanz“ „Putin ist ein Gangster“

Hamburg · Im Talk bei „Markus Lanz“ geht es am Mittwochabend auch um russische Oligarchen. Einer von ihnen äußert sich selbst: der 2003 bei Putin in Ungnade gefallene „Räuberbaron“ Michail Chodorkowski.

 Der russische Ex-Oligarch Michail Chodorkowski aus London zugeschaltet bei „Markus Lanz“ am 23. März 2022.

Der russische Ex-Oligarch Michail Chodorkowski aus London zugeschaltet bei „Markus Lanz“ am 23. März 2022.

Foto: ZDF

Am Mittwochabend ging es bei „Markus Lanz“ um die Ukraine. Beim Zuschauen haben wir uns auf das Interview mit dem zugeschalteten russischen Unternehmer Michail Chodorkowski konzentriert.

 Die Gäste:

  • Michail Chodorkowski, Unternehmer
  • Solomiya Vitvitska, Journalistin
  • Natalia Klitschko, Sängerin
  • Janis Kluge, Ökonom
  • Sebastian Fiedler (SPD), Politiker

 Darum ging’s:

Um Oligarchen, Gangster und Korruption.

 Die Talk-Highlights:

Die in Hamburg lebende Sängerin Natalia Klitschko berichtet vom Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko und den Sorgen von nach Deutschland geflüchteten Ukrainerinnen um ihre Männer, die in der Heimat kämpfen müssen. Seit der Mobilmachung in der Ukraine dürfen Männer im Alter zwischen 18 und 64 Jahren das Land nicht verlassen.

Danach befragt Moderator Markus Lanz die Journalistin Solomiya Vitvitska über ihren Arbeitsalltag in Kiew. Eben erst habe es Luftalarm gegeben, sagt sie. In einem eindringlichen Appell an die Bundesregierung fordert sie schnelle militärische Hilfe. „Gebt uns alles, was ihr habt, schickt es schneller“, sagt sie. „Wir brauchen es heute und nicht erst morgen, wenn unsere Leute tot sind.“

Nach einem kurzen Abstecher zur deutschen Abhängigkeit von russischen Energielieferungen möchte Lanz dann über „die Leute dahinter“ sprechen, „die mit diesem Energiereichtum Russlands märchenhaft reich geworden sind“. Dazu soll Janis Kluge erklären, wer der später zugeschaltete russische Unternehmer Michail Chodorkowski ist. Jener sei ein „Oligarch der 90er Jahre“, sagt der Ökonom von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Wie viele andere seiner Generation sei Chodorkowski reich geworden während des Umbruchs in Russland, als aus der sowjetischen Planwirtschaft eine Marktwirtschaft wurde, aber viel Chaos herrschte und Regeln weitgehend fehlten.

Dabei sei Chodorkowski durch sogenannte „Insider-Privatisierungen“ sehr reich geworden – „das heißt natürlich auch über politische Verbindungen“. Chodorkowski selbst hatte sich angesichts seiner Geschäftspraktiken noch im Jahr 2002 als „Räuberbaron“ bezeichnet. Nach dem Amtsantritt des russischen Präsidenten Wladimir Putin konnte er sich mit seinem Ölunternehmen Jukos aber nicht halten. „Er ist einer der Oligarchen, die den politischen Wechsel von Jelzin zu Putin wirtschaftlich nicht überlebt haben“, sagt Kluge.

Chodorkowski hatte vor seinem Fall in einer Sitzung mit anderen Oligarchen und Putin die Korruption im Land angesprochen und als schädlich dargestellt. Er wurde 2003 enteignet und verbrachte etwa zehn Jahre in russischen Straflagern.

Michail Chodorkowski genießt seine Freiheit
7 Bilder

Michail Chodorkowski genießt seine Freiheit

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Zugeschaltet aus Großbritannien sagt Michail Chodorkowski, Putin habe damals die Korruption als Schlüssel dazu angesehen, wie man das Land regieren könne. Heute urteilt der Exil-Russe über sein Land: „Das ist ein Land der Korruption und des Krieges.“

Der Machtapparat um Putin erfülle nur dessen Befehle und halte sich an keine Gesetze. „Die Leine, an der er sie alle gängelt, das ist die Korruption“, sagt Chodorkowski. Wer keine Schmiergelder nehme, gehöre nicht dazu – und wandere ins Gefängnis.

Als Lanz ihn fragt, ob Putin vielleicht der reichste Mensch der Welt sein könnte, sagt Chodorkowski: „Zweifelsohne, aber nicht in dem Sinne wie Herr Gates oder Herr Buffet reich sind.“ Deren Gelder lägen auf deren eigenen Konten. Putin hingegen habe die Möglichkeit, viel Geld zu verwalten, aber dieses Geld sei mit seinem Posten verbunden.

Der Russe sieht in Putins Hintergrund auch ein Problem bei den Gesprächen westlicher Politiker mit dem russischen Präsidenten. Sie würden dabei ihre Erfahrungen als Staatsmänner auf Putin projizieren. Aber: „Er ist ein Gangster, und er sieht Verhandlungen ganz anders.“ Als Beispiel für seine These nennt Chodorkowski die Anrufe des französischen Staatschefs Emanuel Macron bei Putin. „Daran ergötzt er sich“, sagt er, „das sieht er als Schwäche.“ Um Putin an den Verhandlungstisch zu bekommen, müsse man Stärke zeigen. Deshalb führt nach Chodorkowskis Ansicht kein Weg an einer Flugverbotszone über der Ukraine vorbei. Vorbehalte gegen diese Maßnahme lässt er nicht gelten, er ordnet er als falsche Perspektive ein.

Gleichzeitig warnt der Russe vor einem drohenden Weltkrieg. „Die Idee der Beschwichtigung des Aggressors haben wir in Europa schon gehabt“, sagt Chodorkowski mit Verweis auf Adolf Hitler. „Diesen Fehler dürfen wir nicht wiederholen.“ Dennoch räumt er ein: „Wenn man Russland in die Enge treibt, kann es gefährlich werden.“

(peng)
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