Sicherheitsexpertin bei Markus Lanz „Nicht die Bombe ist die Waffe, sondern die Angst“

Düsseldorf · Martin Schulz hat es am Dienstagabend bei Markus Lanz nicht leicht, die Position der SPD im Ukrainekrieg zu verteidigen. Und Florence Gaub ermutigt, man dürfe sich vom russischen Machthaber nicht zu sehr einschüchtern lassen.

 Markus Lanz spricht im ZDF mit einer Sicherheitsexpertin, Politkern und einem Journalisten über den Krieg in der Ukraine.

Markus Lanz spricht im ZDF mit einer Sicherheitsexpertin, Politkern und einem Journalisten über den Krieg in der Ukraine.

Foto: Screenshot ZDF

Darum ging es

Markus Lanz diskutierte am Abend im ZDF den Krieg in der Ukraine mit einer Sicherheitsexpertin, zwei Politikern und einem Journalisten. Es ging um Angst und Erkenntnisse über Putins Krieg. Außerdem wollte der Moderator wissen: Welche Fehler hat die deutsche Politik und besonders die SPD gemacht?

Gäste

  • Katja Kipping, Berliner Sozialsenatorin und frühere Vorsitzende Die Linke
  • Martin Schulz,  Ex-SPD-Chef
  • Florence Gaub, Expertin Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien
  • Robin Alexander, stellvertretender "Welt"-Chefredakteur

Der Talkverlauf

Sicherheitsexpertin Florence Gaub sprach über Kriegsstrategien und versuchte dazu zu ermutigen, sich nicht einschüchtern zu lassen. Wladimir Putin sei überrascht worden und müsse sich nun etwas Neues überlegen, erklärte sie den russischen Präsidenten. Er schwenke um auf eine “verlangsamte Strategie”, auf das “was wir Bestrafungsstrategie nennen”. Dabei werde zerstört, um Druck auszuüben. Die Geschichte habe gezeigt, das dies eine schreckliche, aber keine zielführende Strategie sei, bei der man ultimativ “die Bevölkerung als Geisel” nehme. Das Vorgehen der Ukraine nennt sie “Stachelschwein-Strategie”, die tue sehr weh und mache es für die russischen Truppen schwierig, vorwärts zu kommen.

Dann warnte sie davor, sich vom russischen Machthaber Angst machen zu lassen: “Nicht die Bombe ist die Waffe, sondern die Angst vor der Bombe ist die Waffe”, sagt Gaub. Denn wer furchtbare Angst habe könne nicht mehr strategisch denken. Putin werde immer wieder die Bomben und Waffen ins Spiel bringen, so die Expertin, denn es gehe ihm vor allem darum, Angst auszulösen. “Es ist wichtig, sich nicht zu sehr in diese Angst hinein manipulieren zu lassen”, riet sie - vielleicht sogar mal einen Tag keine Nachrichten schauen.

Für Martin Schulz ein undenkbarer Vorschlag, aber der SPD-Politiker hatte vor allem damit zu tun, Kritik von Lanz, Katja Kipping und Robin Alexander abzuwehren. Die Linke-Journalistin hat den Eindruck, dass der Bundeskanzler sich beim Thema Geflüchtete “wegduckt”. Auch dem „Welt“-Journalist gefällt das Agieren von Olaf Scholz nicht: “Es scheint so zu sein, dass er bei Themen, wo er Polarisierung der Bevölkerung fürchtet, erstmal auf Distanz geht”, sagte Alexander. Dass es im Parlament keine Debatte nach Wolodymyr Selenskyjs Rede am vergangenen Donnerstag gegeben habe, bezeichnete er als “wahnsinnig peinlich” und ein “Rieseneigentor”.

Ja, man hätte erstmal die Rede des ukrainischen Präsidenten wirken lassen und die Sitzung unterbrechen können, räumte Schulz ein “Aber ich bin nicht hier um Noten zu verteilen.” Dass Schulz von allen außer Gaub kritisiert wurde, brachte Scholz in Rage: ”Warum Olaf Scholz hier kritisiert wird, kann ich nicht nachvollziehen", sagte der frühere SPD-Parteichef. "Ich habe nicht den Eindruck, dass der Kanzler sich wegduckt, im Gegenteil.” Er finde, der Kanzler habe in einem wichtigen Moment eine starke Führung übernommen.

Alexander und Schulz gerieten immer wieder aneinander. Der Journalist ließ wenige Gelegenheiten aus, dem SPD-Mann eins mitzugeben, und der SPD-Politiker geriet in die Defensive. Als der Journalist ihm vorwirft, er hätte Wahlkampf gegen die Nato-Ziele gemacht und das Zwei-Prozent-Ziel der Nato dämonisiert habe, wird Schulz richtig sauer. Darum sei es nicht gegangen, es sei ihm vielmehr um “Ausrüsten statt Aufrüsten” gegangen, also um die Qualität der Ausgaben, wettert er und beschwert sich über Alexanders “Unverfrorenheit”: “Ich unterbreche Sie ja auch nicht nach jedem Halbsatz”, sagt er Richtung Alexander. “Wenn Sie mich so hart angreifen, müssen sie die Höflichkeit haben, mich einen Satz zu Ende sagen zu lassen.”

Schulz räumt schließlich aber ein, dass im Umgang mit Putin Fehler gemacht wurden und dass auch er den Präsidenten falsch eingeschätzt habe. "Ich habe ihn damals als sehr aggressiv erlebt", berichtet Schulz von einem Treffen mit Putin, hätte aber “diese Art von brutaler Gewaltbereitschaft” nicht mehr für möglich gehalten, vor allem nicht nach dem Minsker Abkommen. Auch Katja Kipping räumt im Rückblick Fehler ein: “Der Punkt, wo sich auch die Linke geirrt hat”, sei Putins Agieren. “Die Bereitschaft zur Aggression, da hat es eine Unterschätzung gegeben”, sagt sie. Zur Frage, ob Deutschland Waffen an die Ukraine liefern sollte sagt sie “Ich kann nicht mit Ja antworten, weil der Einsatz so ein großer ist.” Man müsse einen kühlen Kopf bewahren. “Mein Eindruck ist, es gibt eine neue Stufe der Unberechenbarkeit und der Eskalationsbereitschaft und der Einsatz ist ein verdammt hoher.” Niemand könne garantieren, dass es nur bei Waffenlieferungen bleibe.

Expertin Glaub mahnt: “Es gibt auch die Folgekosten von Nichthandeln.” Sie spricht über russische Dokumente, die klar belegten welche Ziele das Land verfolge. Die müssten ernst genommen werden. Die Expertin beschreibt, dass ein “Kampf um zwei Arten von Weltbildern” ausgefochten werde. Und Deutschland gehöre zu einem der Modelle. Gleichzeit mahnt sie zu Geduld: “Ich glaube nicht, dass es bald vorbei sein wird. Wir müssen uns mental und emotional darauf einstellen, dass es länger dauert als wir wollen. Wir werden noch mehr Leid sehen müssen”, sagte Gaub, das heiße aber nicht, dass alles schlecht ausgehen müsse.  Auch der Westen haben Putin überrascht, und es sei wichtig weiter Druck auszuüben.

(juju)
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